Drucksache 18/1200
––80
80––
me der Bundesregierung in diesem Verfahren. Nach
Ablehnung seines Antrags wandte sich der Petent an
mich.
Das BMWi vertrat die Auffassung, die Veröffentlichung von Schriftsätzen in laufenden Verfahren vor
dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) könne
nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung des
jeweiligen Verfahrens haben (§ 3 Nummer 1 Buchstabe g IFG). Der Informationszugang sei daher ausgeschlossen.
Der Schutz des „Gerichtsverfahrens“ in § 3 Nummer 1 Buchstabe g IFG bezieht sich zwar auch auf
Verfahren vor internationalen und supranationalen
Gerichten wie dem Europäischen Gerichtshof.
Das BMWi hat jedoch nicht erläutert, worin eine
solche Beeinträchtigung konkret liegen könnte. Es
beruft sich stattdessen auf die Rechtsprechung des
damaligen Europäischen Gerichts erster Instanz, dem
heutigen Gericht der Europäischen Union (EuG).
Dessen Urteil vom 17. Juni 1998 vermag die
Rechtsauffassung des BMWi allerdings nicht zu
stützen. Danach darf eine Partei, die Zugang zu den
Verfahrensstücken (prozessualen Schriftsätzen) der
anderen Parteien hat, von diesen „nur für die Vertretung ihrer eigenen Interessen und zu keinem anderen
Zweck wie etwa dem Gebrauch machen, die Öffentlichkeit zur Kritik am Vorbringen der anderen Verfahrensbeteiligten zu bewegen“ (EuG, - T-174/95 Leitsatz Nr. 6).
Im vorliegenden Fall ist die Ausgangssituation aber
eine andere. Der Antrag auf Informationszugang
bezieht sich hier ausschließlich auf einen prozessualen Schriftsatz der Bundesregierung selbst, nicht aber
auf die Herausgabe von Unterlagen eines anderen
Verfahrensbeteiligten. Das EuG hat in der vom
BMWi zitierten Entscheidung nicht gefordert, dass
am Verfahren beteiligte nationale Regierungen die
Herausgabe ihrer eigenen Schriftsätze unabhängig
von der Reichweite der jeweiligen einzelstaatlichen
Ausnahmetatbestände und ohne sorgfältige Prüfung
der Vorgaben des hier maßgeblichen nationalen
Rechtes „quasi automatisch“ stets verweigern müssten.
Die vom BMWi beigezogene Entscheidung ist hier
deswegen für die Auslegung des § 3 Nummer 1
Buchstabe g IFG nicht einschlägig.
§ 3 Nummer 1 Buchstabe g IFG erlaubt Ausnahmen
vom Informationszugang, wenn das Bekanntwerden
der Information nachteilige Auswirkungen auf die
Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens
haben kann.
In meinem 2. Tätigkeitsbericht habe ich für die Herausgabe von Schriftsätzen prozessbeteiligter Bundesbehörden betont, dass diese Norm die Unabhän4. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
gigkeit und Entscheidungsfreiheit der Rechtspflegeorgane schützt (vgl. Nr. 4.19.9), aber nicht die Verfahrensposition der jeweiligen Behörde. Zugleich
habe ich hervorgehoben, die Behörde habe im Einzelfall konkret darzulegen, wie die Auskunft das
Verfahren und die gerichtliche Entscheidungsfindung
beeinträchtigen könne.
Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass vom
BMWi darzulegen wäre, worin die Verfahrensbeeinträchtigung liegen soll, die eine Ablehnung des Antrags rechtfertigen könnte.
Das BMWi kann sich auch nicht auf den Ausschlusstatbestand des § 3 Nummer 1 Buchstabe a IFG berufen, da die internationalen Beziehungen durch die
Herausgabe der (eigenen) Stellungnahme des BMWi
schwerlich gefährdet werden können.
Die Klageerwiderung der Bundesregierung im Vertragsverletzungsverfahren zur Vorratsdatenspeicherung ist deswegen vom BMWi herauszugeben.
5.7
Bundesministerium für Arbeit und
Soziales
5.7.1
Die Regionaldirektion NordrheinWestfalen der Bundesanstalt für Arbeit wollte Unterlagen zurückhalten
Erst nach massiver Intervention und Androhung
einer Beanstandung gab die Regionaldirektion die
beantragten Unterlagen heraus.
Ein Petent beantragte die Übermittlung von Kopien
der ermessenslenkenden Weisungen zum Forderungseinzug im Bereich SGB II (Arbeitsvermittlung)
bei der Regionaldirektion NRW (RD NRW).
Die Unterlagen sollten in elektronischer Form per
CD oder per E-Mail übermittelt werden. Sechs Wochen nach Antragstellung war sein Antrag weder
bearbeitet, noch hatte er eine Eingangsbestätigung
erhalten. Daraufhin wandte er sich an mich.
Auf meine Bitte um Stellungnahme wurde ich zunächst vertröstet. Vier Monate später wies die Behörde darauf hin, der ursprüngliche Antrag sei bisher
nicht eingegangen.
Der Petent wurde gebeten, einen neuen Antrag an die
BA zu richten, was dieser umgehend erledigte. Der
neue Antrag wurde von der Behörde dann abschlägig
beschieden.
Auch der Widerspruch des Petenten blieb erfolglos.
Im Widerspruchsbescheid führte die Regionaldirektion aus, es gebe für den Forderungseinzug keine
internen Verwaltungsanweisungen. Handlungsgrundlage der Mitarbeiter in den Regionalagenturen seien
ausschließlich die Regelungen der Bundeshaushaltsordnung (BHO) und die hierzu erlassenen Verwal-