Drucksache 18/1200
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Postmortales Persönlichkeitsrecht
und Informationszugang - ein Widerspruch?

Das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen hat mich anlässlich eines konkreten
Antrags um Prüfung gebeten, ob und inwieweit eine
Auskunftserteilung zu bereits Verstorbenen möglich
ist.
Die Eigentümerin eines Hauses hatte beim Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) Auskünfte über das Leben der jüdischen Voreigentümer erbeten. Fraglich war, ob das
Bundesamt der Antragstellenden die dort vorhandenen Informationen zur Verfügung stellen durfte.
Das IFG ermöglicht innerhalb bestimmter Schranken
den freien Zugang zu amtlichen Informationen der
öffentlichen Stellen des Bundes und die Einsicht in
deren Verwaltungsvorgänge. Auch wenn der freie
Informationszugang nach Ziel und Zweck des Gesetzes der Regelfall sein soll, kann eine Auskunft verweigert bzw. beschränkt werden, wenn ein Ausnahmegrund vorliegt.
Als Ausnahmegrund kam hier der Schutz personenbezogener Daten in Betracht (§ 5 IFG). Nach der
allgemeinen Regelung des § 5 Absatz 1 Satz 1 IFG
darf der Zugang zu personenbezogenen Daten nur
gewährt werden, soweit das Informationsinteresse
des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des
Dritten am Ausschluss des Informationszugangs
überwiegt oder der Dritte eingewilligt hat. Besondere
Arten personenbezogener Daten im Sinne des § 3
Absatz 9 Bundesdatenschutzgesetz (Angaben über
die rassische und ethnische Herkunft, politische
Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit
oder Sexualleben) dürfen dabei immer nur weitergegeben werden, wenn der Dritte ausdrücklich eingewilligt hat (§ 5 Absatz 1 Satz 2 IFG).
Eine Einwilligung schied vorliegend aus, da die Vorbesitzer verstorben waren und auch ihre Erben entweder selbst verstorben oder zumindest nicht mehr
auffindbar sind.
Die beim BADV vorhandenen Informationen wären
jedenfalls bei Lebenden als Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person, wie z. B.
Alter, Anschrift, Vermögen personenbezogene Daten
gewesen.
So weit, so gut. Die Frage, ob der Datenschutz auch
für Tote gilt, lässt sich aber nicht so einfach beantworten. Eine allgemeingültige Regelung für den
Umgang mit Daten Verstorbener gibt es nicht.

4. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Im Bundesdatenschutzgesetz fehlt hierfür eine ausdrückliche Regelung, es ist deswegen nicht unmittelbar anwendbar. Zwar wird darüber diskutiert, seine
Vorschriften teilweise analog auf Verstorbene anzuwenden, höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu
gibt es aber noch nicht. Und: Das Gesetz hat den
Zweck, die freie Entfaltung der Persönlichkeit des
(lebenden) Einzelnen zu schützen. Das hat nur Sinn,
wenn der Einzelne seine Persönlichkeit auch tatsächlich entfalten kann. Die Grundregel lautet daher: Mit
dem Tod endet (zwar) der datenschutzrechtliche
Schutz. Der Schutz der Privatsphäre besteht aber
partiell auch nach dem Tod fort, wenn dies gesetzlich
festgelegt ist, vertraglich besonders vereinbart wurde
oder von der Verfassung gefordert wird.
§ 203 Absatz 4 Strafgesetzbuch verpflichtet beispielsweise einen Arzt, Zahnarzt oder Rechtsanwalt
auch noch nach dem Tod seines Patienten oder
Klienten zur Verschwiegenheit.
Im vom BADV angesprochenen Fall handelte es sich
aber um personenbezogene Daten, die nicht spezialgesetzlich oder durch vertragliche Abrede geschützt
waren. Aber auch wenn es spezielle Regelungen zum
Schutz der personenbezogenen Daten nicht gibt oder
sie nicht (mehr) angewendet werden können, sind
verstorbene Personen nicht völlig schutzlos.
Der erforderliche Schutz ergibt sich dann direkt aus
dem Grundgesetz, und zwar aus Artikel 1 Absatz 1
und Artikel 2 Absatz 1 GG. Zu seinen Lebzeiten ist
jeder Mensch Träger des sog. allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das u. a. das Recht am eigenen Bild,
das Recht auf Schutz der Privat-, Geheim- und Intimsphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung umfasst. Der Schutz der Menschenwürde, aus der das allgemeine Persönlichkeitsrecht abgeleitet wird, genießt im Grundgesetz einen derartig
hohen Stellenwert, dass auch nach dem Tod eines
Menschen ein gewisser „nachwirkender“ Schutz
seines Persönlichkeitsrechts fortbesteht: Dieses
postmortale Persönlichkeitsrecht schützt in bestimmten Fällen die personenbezogenen Daten auch noch
nach dem Tod.
So waren bei der Beantwortung der Frage, ob die
Daten nach wie vor zu schützen sind, mehrere Aspekte, wie Schutz gegen grobe Entstellungen, Dauer
des Schutzes, Intensität der Beeinträchtigung oder
Bedeutung des Persönlichkeitsbildes, das der Verstorbene hinterlassen hat, aber auch das mutmaßliche
Interesse des Verstorbenen, mit dem Interesse des
anfragenden Dritten abzuwägen.
Da die Antragstellerin sich für das Leben der jüdischen Voreigentümer interessierte, u. a. weil sie Mitglied eines Vereines ist, der an einer Dokumentation
über das jüdische Leben im Ort arbeitet, und somit
davon auszugehen war, dass die Verstorbenen mit

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