Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

5.5

Bundesministerium der Finanzen

5.5.1

Die BImA und § 3 Nummer 6 IFG

––73
73––

Der Dissens über die Auslegung des § 3 Nummer 6
IFG zwischen der BImA und mir besteht seit
In-Kraft-Treten des IFG. In einem Fall musste ich
jetzt eine formelle Beanstandung aussprechen.
In den Jahren 1994 und 1998 veräußerte die Bundesrepublik Deutschland die Grundstücke des sog. Tacheles-Komplexes in Berlin. Die Käuferin ging seinerzeit Verpflichtungen aus einem Investitionsvorrangbescheid ein, die durch Vertragsstrafenabreden
in den Kaufverträgen abgesichert wurden. Diese
Verpflichtungen wurden nicht erfüllt. Die Bundesrepublik sah dennoch davon ab, die Vertragsstrafen
einzufordern, da die Ansprüche gegen die Käuferin
aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation nicht
durchsetzbar gewesen seien.
Ein Petent hatte die BImA daraufhin um Informationen gebeten, „wer aufgrund welcher Angaben wann
entschieden habe, dass auf die Verhängung und ggf.
das Eintreiben einer Vertragsstrafe oder auch von
Teilbeträgen einer solchen Strafsumme zu verzichten
ist.“ Der Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, durch das Bekanntwerden der erbetenen Information könnten fiskalische Interessen des Bundes
i. S. d. § 3 Nummer 6 (1. Alternative) IFG gefährdet
werden (vgl. Kasten zu Nr. 5.5.1).
Ich habe hierin einen Verstoß gegen das IFG gesehen, den ich formell gegenüber dem Bundesministerium der Finanzen gemäß § 12 Absatz 3 IFG i. V. m.
§ 25 Absatz 1 Bundesdatenschutzgesetz beanstandet
habe.
K a sten z u N r . 5.5.1
§ 3 Nummer 6 IFG
Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht,
wenn das Bekanntwerden der Information geeignet
wäre, fiskalische Interessen des Bundes im Wirtschaftsverkehr oder wirtschaftliche Interessen der
Sozialversicherungen zu beeinträchtigen.
Mit der Ausnahmeregelung des § 3 Nummer 6
(1. Alternative) IFG soll verhindert werden, dass sich
Dritte durch einen Informationszugang mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wirtschaftliche Vorteile
zu Lasten öffentlicher Haushalte verschaffen. Nimmt
der Bund faktisch wie ein Privater als Markteilnehmer am Wirtschaftsleben und am Privatrechtsverkehr
teil, soll er nicht Informationen offenbaren müssen,
die die anderen Marktteilnehmer nicht preisgeben
müssen. „Insbesondere bei der Veräußerung von
Liegenschaften (...) können fiskalische Interessen des
Bundes durch eine Offenlegung von Informationen
beeinträchtigt
werden“
(Bundestagsdrucksa-

Drucksache 18/1200

che 15/4493, S. 11). Die Behörde ist damit nicht vor
jedem finanziellen Verlust geschützt. Informationen
dürfen nur zurückgehalten werden, soweit der Behörde Wettbewerbsnachteile drohen (vgl. hierzu
Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 23. April 2010
- 10 A 10091/10.OVG -).
Die Auffassung der BImA, Auskünfte zu Angeboten
anderer Bieter im laufenden Veräußerungsverfahren
könnten eine optimale Verwertung erschweren, deshalb sei der Informationszugang in derartigen Fällen
unter Hinweis auf § 3 Nummer 6 (1. Alternative)
IFG zu versagen, wird von mir zwar grundsätzlich
geteilt, aber nicht für den konkreten Fall. Die Offenlegung der hier gefragten Informationen zur Vertragstrafe kann keine Auswirkungen auf eine (aktuelle
oder mittelfristig bevorstehende) Preisbildung bei
ähnlichen, zur Veräußerung anstehenden Objekten
haben. Ich halte den Ausschlusstatbestand des § 3
Nummer 6 (1. Alternative) IFG nur dann für einschlägig, wenn ein Objekt verkauft ist und beabsichtigt ist, vergleichbare Objekte im gleichen oder einem benachbarten Ort aktuell oder jdfs. mittelfristig
zu veräußern. Dies war hier nicht der Fall (vgl. 3. TB
Nr. 4.3.2). Die Beantwortung der Fragen des Petenten hätte keine Auswirkungen auf die Preisbildung
bei künftigen Verkaufsaktivitäten haben können. § 3
Nummer 6 IFG wurde hier somit deutlich „überdehnt“.
In seiner Stellungnahme zu meiner Beanstandung hat
das BMF auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. März
2013 (- 8 A 1172/11 -) Bezug genommen, das aus
Sicht des Ministeriums die Annahme des Ausschlussgrundes stützt. Das OVG NRW hat hier ausgeführt, der Ausschluss des Informationszuganges
nach § 3 Nummer 6 IFG könne auch über den Zeitpunkt des Vollzugs des Grundstückkaufvertrages
hinaus bestehen, wenn Infolge des Informationszuganges die hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehe,
dass (Verkaufs-)Strategien und Vorgehensweisen der
Bundesanstalt nachverfolgt, ausgeforscht und durchleuchtet werden könnten. Das Urteil liegt dem Bundesverwaltungsgericht zur abschließenden Entscheidung vor. Ich habe allerdings erhebliche Zweifel, ob
im Fall des Petenten ein für § 3 Nummer 6
(1. Alternative) IFG relevantes Offenkundigwerden
von Verkaufsstrategien und Vorgehensweisen zu
befürchten gewesen wäre. Der weiteren Klärung der
Konturen des Ausnahmetatbestandes durch das
BVerwG sehe ich mit großem Interesse entgegen.

4. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit

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