Drucksache 18/1200

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil (Urteil vom 15.12.1983, - 1 BvR 209/83 u. a.) festgestellt: „Für den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist – und zwar auch schon
für das Erhebungsverfahren – die strikte Geheimhaltung der zu statistischen Zwecken erhobenen Einzelangaben
unverzichtbar, solange ein Personenbezug noch besteht oder herstellbar ist (Statistikgeheimnis); das Gleiche gilt
für das Gebot einer möglichst frühzeitigen faktischen Anonymisierung, verbunden mit Vorkehrungen gegen
eine Deanonymisierung.“
Damit wurde festgestellt, dass dem Betroffenen im Rahmen des Statistikgeheimnisses das Restrisiko einer Deanonymisierung im Verhältnis zu der Statistikbehörde zugemutet werden kann. Diese Überlegung führt jedoch
nicht dazu, dass anonymisierte Daten von der Statistikbehörde an Außenstehende wie den Kläger weiter gegeben werden dürfen.
Insoweit hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden mit Urteil vom 10. September 2003, - 5 E 2413/02 -, ausgeführt:
„Angesichts der erheblichen Bedeutung der Statistik für die staatliche Politik, die den Prinzipien und Richtlinien
des Grundgesetzes verpflichtet ist, muss der Einzelne grundsätzlich Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen (so BVerwG, Urteil vom
15. Dezember 1983, - 1 BvR 209/83 - u. a.). Dabei muss berücksichtigt werden, dass es nicht Aufgabe der Bundesstatistik ist, personen- oder institutionsbezogene Nachweise zu liefern, sondern sich mit Massenerscheinungen auseinanderzusetzen. Die amtliche Statistik ist daher generell dem Grundsatz verpflichtet, wonach die Aufbereitung von Individualdaten immer zu einer strukturierten, anonymisierten Form führen muss. Der Grundsatz
der Geheimhaltung der statistischen Einzelangaben ist somit als konstitutiv für die Funktionsfähigkeit der amtlichen Statistik anzusehen (vgl. dazu Dr. Poppenheger, Erläuterung zu § 16 BStatG, in: Das deutsche Bundesrecht
VIII Z10).“
Insoweit sind Daten, welche letztendlich noch einem Betroffenen zugeordnet werden können, dem Statistikgeheimnis unterliegend, soweit diese Daten beim Statistischen Bundesamt vorliegen.
Zur Einhaltung des Statistikgeheimnisses gemäß § 16 Absatz 1 BStatG bedarf es vorliegend auch mehr als dem
einfachen Weglassen von personenbeziehbaren Datenteilen. Vielmehr müssten die Daten komplett neu berechnet und verändert werden, was bedeutet, dass neue Datensätzen herzustellen sind. Dies wiederum ist von dem
Anspruch auf Informationsfreiheit nicht gedeckt. Denn der Anspruch bezieht sich nur auf vorhandene Informationen. Denn gemäß § 2 Nummer 2 IFG sind amtliche Informationen jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung unabhängig von der Art ihrer Speicherung, mithin bereits vorhandene Daten. Insoweit kennt das IFG
auch keine Informationsbeschaffungspflicht oder gar Herstellungspflicht von Informationen.“

5.3.3

Nicht jede Errichtungsanordnung
für eine BKA-Datei bleibt dem Informationszugang nach dem IFG
entzogen

Das BKA gewährte Zugang zu einer Errichtungsanordnung, die zum Zeitpunkt des Antrags (noch) als
Verschlusssache (vertraulich - nur für den Dienstgebrauch) eingestuft war.
Ein Petent beantragte beim Bundeskriminalamt die
Übermittlung einer sog. Errichtungsanordnung
(EAO) für eine Zentraldatei, die Informationen zum
Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität abbildet, und bat um Auskunft, ob diese Datei
eine frühere Zentraldatei im gleichen Phänomenbereich ersetzt habe.
Eine Errichtungsanordnung (EAO) ist gewissermaßen die „Zulassung“ für eine neue kriminalpolizeiliche Datei beim BKA, die personenbezogene Daten
enthält (§§ 7, 8 BKAG).
4. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit

Die EAO regelt insbesondere, welche Daten zu welchem Zweck gespeichert und verwendet werden
dürfen. Sie dient der Selbstbindung der Verwaltung
und erleichtert mir die Wahrnehmung der Kontrollund Beratungsbefugnisse.
Das BKA hat dem Antrag nur teilweise entsprochen.
Dem Petenten wurde zwar erläutert, dass die neue
Datei an die Stelle der Vorgängerdatei getreten sei.
Eine Übermittlung der Errichtungsanordnung wurde
jedoch mit Hinweis auf die Einstufung als Verschlusssache abgelehnt.
Nach § 3 Nummer 4 IFG besteht ein Informationszugangsanspruch nicht, wenn die Information einer
durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine
Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten
Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder
einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegt.
Nach Auffassung des BKA diente diese Zentraldatei
als Teil eines IT-Systems zur Verarbeitung von fall-

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