Mit dem Strafrecht sollte nur tatsächlich strafwürdiges
Handeln sanktioniert werden. Daher muss der Gesetzgeber präzise umschreiben, welches Verhalten er mit
einer Strafrechtsnorm konkret erfassen möchte. Der
vorliegende Vorschlag tut dies in meinen Augen nicht
in hinreichendem Maße. Die Gesetzesbegründung sagt
dazu, man wolle so Beweisprobleme lösen. Es ist fraglich, ob dies ein geeigneter Ansatz ist. An den unpräzisen
und weit formulierten Tatbestand knüpfen Ermittlungsbefugnisse an, für die ein Anfangsverdacht genügen wird.
Damit wird die Zahl derjenigen zunehmen, die unschuldig in das Visier von Ermittlungen geraten.
Schon in seiner Einleitung setzt der Gesetzentwurf das
„Tor“-Netzwerk pauschal mit dem „Darkweb“ gleich. Dies
ist eine unzutreffende Annahme, weil der Tor-Browser
auch genutzt wird, um datenschutzfreundlich im „normalen“ Web zu surfen. Darüber hinaus ist dieses Netzwerk
unentbehrlich für politisch Verfolgte, Journalisten oder
Whistleblower in vielen Ländern. Dafür, den Tor-Browser
für das „normale Surfen“ zu benutzen, gibt es gute und
legitime Gründe. So ist es praktisch nur damit möglich,
das Internet ohne Nutzertracking zu nutzen.
5.4 Der Zensus 2021
Am 3. Dezember 2019 ist das Gesetz zur Durchführung
des Zensus im Jahr 2021 (ZensG 2021) in Kraft getreten.
Zukünftig soll der Zensus ohne Bürgerbefragungen und
ausschließlich auf Basis bereichsübergreifenden Auswertungen einer Vielzahl von Registern durchgeführt
werden. Im Detail sind die Regelungen weiterhin
datenschutzrechtlich problematisch.
Seit dem Jahr 2011 ist aufgrund von EU-Vorgaben alle
zehn Jahre ein Zensus durchzuführen. Der Zensus 2021
ist erneut als registergestützte Bevölkerungsbefragung
angelegt. Die Ergebnisse der Zählung resultieren aus
vorhandenen Informationen in Registern (z. B. der Meldebehörden), Bürgerbefragungen (z. B. im Rahmen der
Gebäude- und Wohnungszählung oder der Haushaltebefragung auf Basis einer Stichprobe) sowie aus Erhebungen an Anschriften mit Sonderbereichen (Gemeinschaftsunterkünften und Wohngemeinschaften). Das
Bundesverfassungsgericht hat diese Vorgehensweise in
seiner Entscheidung zum ZensG 2011 am 19. September
2018 für verfassungsgemäß erachtet.
Wie bereits beim Zensus 2011, wird erneut nicht überzeugend dargelegt, warum Befragungen zu Bewohnern
in Gemeinschaftsunterkünften nicht generell anonymisiert durchgeführt werden können. Den legitimen Interessen Betroffener, für die schon die Tatsache ihres Aufenthalts in einer solchen Einrichtung eine sehr sensible
Information darstellt, würde auf diese Weise Rechnung
getragen. Ein entsprechender Erforderlichkeitsnachweis
fehlt auch für die erneut bestehende Verpflichtung, die
rechtliche Zugehörigkeit zu einer öffentlich-rechtlichen
Religionsgesellschaft zu erheben – zumal der Gesetzgeber hiermit die EU-Vorgaben zum Zensus überschreitet.
Neu ist beim Zensus 2021 die erstmals zentral dem Statistischen Bundesamt obliegende Verwaltung des Gesamtdatenbestands. Die Zusammenarbeit des Bundesamtes
mit den Landesämtern für Statistik in Bezug auf die
Vorbereitung, Durchführung und Auswertung des Zensus
und die Vorgaben der DSGVO bedingen insbesondere die
Notwendigkeit, die datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeiten der statistischen Ämter gesetzlich eindeutig
und hinreichend trennscharf zu regeln. Dies ist u. a. für
die Wahrung der Betroffenenrechte von zentraler Bedeutung. Leider ist der Gesetzgeber meinem diesbezüglichen
Petitum nicht gefolgt. Auch im Lichte dessen werde ich
die weiteren Vorbereitungen und die Durchführung des
Zensus eng begleiten und vor allem auch die Einhaltung
der Vorgaben zur Löschung nicht mehr benötigter Informationen in den Blick nehmen.
Zudem richtet sich meine Aufmerksamkeit auf die jetzt
schon eingeleiteten ersten Schritte hin zu einem künftig
registerbasierten Zensus, der gänzlich ohne Befragungen
der Bevölkerung auskommen soll. Insbesondere die
hierfür erforderlichen Verknüpfungen von Informationen aus – bestehenden und noch neu zu errichtenden – Registern unterschiedlicher Bereiche stellen den
Datenschutz vor neue Herausforderungen.
5.5 Registermodernisierung in
Deutschland
Die Registermodernisierung in Deutschland ist eines
der wichtigsten Projekte innerhalb der Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung. Ein zentraler Baustein
ist die Einführung eines eindeutigen Kennzeichens für
jede Person. Ein solches Kennzeichen birgt aber auch
erhebliche Gefahren. Deshalb stellt eine datenschutzgerechte und damit verfassungskonforme Lösung eine
enorme Herausforderung dar.
Ich habe mich bereits in meinem letzten Tätigkeitsbericht
zur Registermodernisierung geäußert (s. 27. TB Nr. 9.2.2).
Im Jahr 2017 veröffentlichte der Nationale Normenkontrollrat ein Gutachten, das die Vorteile und die
Machbarkeit einer Modernisierung untersuchen ließ.
Der aktuelle Koalitionsvertrag griff das Projekt erneut
auf. Die Parteien kamen überein, dass eine Umstrukturierung und Vernetzung der Registerlandschaft in
Deutschland mithilfe eindeutiger, registerübergreifender Identifikatoren ermöglicht werden soll. Aus Sicht
der Bundesregierung sei ein Personenkennzeichen die
Tätigkeitsbericht zum Datenschutz für 2019
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