nächstliegende Form eines solchen Identifikators. Derartige Kennzeichen sind in der Regel als Nummer oder als
Kombination aus Ziffern und Buchstaben ausgestaltet.
Die Idee eines Personenkennzeichens ist nicht neu.
Viele Staaten wie Schweden, Dänemark oder Estland
nutzen einen eineindeutigen Identifikator. Auch die
Bundesregierung plante bereits in den 1970er Jahren die
Einführung eines solchen Systems. Im wegweisenden
Volkszählungsurteil von 1983 (Az. 1 BvR 209/83) machte
das Bundesverfassungsgericht allerdings deutlich, dass
die Einführung eines Personenkennzeichens ein unüberschaubares Risiko darstellt, den Bürger in seiner ganzen
Persönlichkeit erfassen und katalogisieren zu können.
Das Verfassungsgericht nannte das Kennzeichen ausdrücklich als Negativbeispiel.
Schon die Einführung eines Personenkennzeichens stellt
ein erhöhtes Risiko der Zusammenführung aller Informationen zu einer Person auf staatlicher Seite dar. Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
der Bürgerinnen und Bürger ist schon zum Zeitpunkt der
Bereitstellung erfolgt. Eine tatsächliche Nutzung des Personenkennzeichens verschärft den Eingriff nur noch. Es
muss daher geprüft werden, ob ein eindeutiger Identifikator überhaupt verfassungsgemäß umgesetzt werden kann.
Obwohl die Umsetzung politisch und datenschutzrechtlich eine enorme Herausforderung darstellt, haben
sich mehrere Regierungsebenen des Projektes angenommen. Nach verschiedenen Beschlüssen der Innenministerkonferenz und des IT-Planungsrates bis Mitte 2019,
wurde dem Bundesministerium des Innern, für Bau und
Heimat (BMI) die Aufgabe übertragen, mehrere Gesetzesentwürfe auszuarbeiten. Dabei geht es sowohl um die
Einführung eines eineindeutigen Identifikators, als auch
um die Nutzung eines solchen für digitalisierte Verwaltungsleistungen. Ein Anwendungsfall könnte beispielsweise das bereits im Aufbau befindliche Projekt „Erleichterte Leistungen für Eltern“ (ELFE) sein. Die Bürgerinnen
und Bürger sollen Identität oder Einkommen nicht mehr
einzeln nachweisen müssen. Stattdessen soll es einen
Abruf in den entsprechenden Datenregistern der Verwaltung geben. Die richtige Person soll dabei über ebenjenen
eineindeutigen Identifikator gefunden werden.
Das BMI suchte für die verschiedenen Workshops,
Arbeits- und Expertengruppen früh die Beratung durch
die Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der
Länder. Diesen Schritt begrüße ich ausdrücklich, gerade
aufgrund der Bedeutung und der datenschutzrechtlichen
Komplexität des Themas. In diesen Gremien zeigte sich
allerdings zu meinem Bedauern früh eine Präferenz der
Regierung für den Einsatz der Steueridentifikationsnummer (Steuer-ID) und des damit verknüpften
Stammdatensatzes.
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Tätigkeitsbericht zum Datenschutz für 2019
Diesen Plan halte ich für problematisch und bedenklich.
Die Nutzung der Steuer-ID wäre genau die Lösung, die
das Verfassungsgericht 1983 ausdrücklich kritisiert
hatte. Aus diesem Grund hat die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und
der Länder im September 2019 eine Entschließung veröffentlicht, in der ein derart einheitliches Kennzeichen
abgelehnt wird.
Deswegen bleibt die Frage offen, ob überhaupt eine Form
des Personenkennzeichens verfassungsrechtlich zulässig
sein kann. Dies kann nur in einem System möglich sein,
das das Risiko einer Katalogisierung vermindert oder
unterbindet. Ein derartiges System muss die Beteiligung
des Bürgers gewährleisten, umfassende Transparenz über
alle staatlichen Datenübermittlungen schaffen und strukturelle Hemmnisse beinhalten, die das Risiko einer übermäßigen Zusammenführung von vornherein mindern.
Derartige Hemmnisse müssen sich dabei sowohl auf die
bereichsübergreifende Identifikation als auch für den darauf basierenden Datenaustausch beziehen. Natürlich ohne
den ursprünglichen Zweck eines verbesserten, digitalen
Datenaustauschs zwischen den Behörden zu gefährden.
Eine mögliche Lösung wäre die Verwendung von
bereichsspezifischen oder auf andere Weise beschränkten
Kennzeichen. Dies ist der Weg, für den sich auch die DSK
ausspricht. Ein sektorspezifischer Identifikator hätte
aus datenschutzrechtlicher Sicht weitere Vorteile. Wenn
ein eineindeutiger Identifikator in die falschen Hände
gelangt, hätten Unbefugte einen wesentlich leichteren
Zugriff auf sämtliche Bereiche der betroffenen Person.
Mit einem sektorspezifischen Identifikator wäre dagegen
nur ein einzelner Bereich betroffen. Die Folgen eines
Datenverlustes hätten zumindest Grenzen.
Dies alleine reicht allerdings nicht aus. Die angeführte
umfassende Transparenz des Systems dient dazu, die
ungleichen Machtverhältnissen zwischen Bürger und
Staat auszugleichen. Die Betroffenen, welche die im
Hintergrund laufenden Verarbeitungen der Daten nicht
durchdringen können, wären gegenüber einem undurchsichtig handelnden Staat im Nachteil. Es wäre unklar,
welche Daten der Staat bereits erhoben hätte und wann
welche Stelle darauf zugegriffen hat. Eine Realität, die
im normalen Verwaltungsalltag sicherlich zutrifft. Dies
gilt heute noch genauso wie 1983. Insofern hat das Urteil
nicht an Aktualität verloren.
Um eine verfassungsgemäße Form eines eineindeutigen Identifikators zu finden, muss dieses Machtgefälle
durchbrochen werden. Aus Sicht der Datenschutzaufsichtsbehörden sind dabei einige Mittel von besonderer
Bedeutung. Für alle Betroffenen bedarf es der Herstellung einer größtmöglichen Transparenz hinsichtlich der
über sie existierenden Datenflüsse. Nur dieses Wissen