3. Den Verfassungsschutzämtern des Bundes
und der Länder Thüringen, Brandenburg und
Sachsen lagen ausreichende Informationen darüber vor, dass das mutmaßliche NSU-Kerntrio
sich ab 1998 bewaffnete und diese Waffen auch
einsetzte bzw. einsetzen wollte. Den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der
Länder Thüringen, Sachsen und Brandenburg
lagen ausreichende Informationen über die Aufenthaltsorte des mutmaßlichen NSU-Kerntrios
in der Illegalität und die militanten Aktivitäten
der bekannten Unterstützer*innen vor, um zu
erkennen, dass sich hier eine militante und bewaffnete Neonazistruktur herausgebildet hatte.
Das Prinzip »Quellenschutz vor Strafverfolgung« führte
jedoch dazu, dass die Strafverfolgungsbehörden
darüber nicht adäquat informiert wurden und eine
erfolgreiche Fahndung so blockiert wurde. Das Prinzip
»Quellenschutz vor Strafverfolgung« der Geheimdienste
verhinderte nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE im
Sommer 1998 eine mögliche Festnahme von Böhnhardt,
Mundlos und Zschäpe in Chemnitz.
Im Sommer 1998 lieferte der Neonazi Carsten Szczepanski alias V-Mann »Piatto« des LfV Brandenburg
mindestens fünf Meldungen zu der Bewaffnung des
gesuchten Trios, der Planung eines »weiteren« Überfalls durch das Trio sowie dem Aufenthaltsort und den
Unterstützern des Trios Antje P. und Jan Werner. Bei
einem Spitzentreffen der LfV Brandenburg, Sachsen
und Thüringen am 17. September 1998 weigerte sich das
Landesamt für Verfassungsschutz Brandenburg, eine
Vernehmung des V-Mannes durch die Fahnder des LKA
Thüringen zu ermöglichen.
Ob und wie weit Carsten Szczepanski alias »Piatto« selbst in die Unterstützung des NSU-Netzwerks
eingebunden war und ob weitere, bislang unbekannte
Geheimdienst-Maßnahmen nach den Quellenmeldungen durchgeführt wurden, konnte auch der zweite
NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages nicht
aufklären. In der Erfüllung der Beweisbeschlüsse
BB-19 und BB-25 wurde aber deutlich, dass der Verfassungsschutz Brandenburg dem ersten NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages nicht alle dort noch
vorhandenen Akten übermittelt hatte. So »tauchte« im
Rahmen des Beweisbeschlusses BB-25 eine Telefonrechnung von »Piatto« aus dem August 1998 auf, die
die engen Verbindungen zwischen »Piatto« und den
Berlin-Brandenburger und sächsischen Blood&Honour
Strukturen zeigt, aber nach der per SMS gestellten
Frage von Jan Werner »Hallo. Was ist mit den Bums?«
am 25. August 1998 quasi abbricht. Die Fraktion DIE
LINKE kann nicht ausschließen, dass eine Manipulation
der TKÜ-Akten von Jan Werner stattgefunden hat, in
denen mehr als 140 S-Records vom 26. und 27. August
1998 fehlen. Umso wichtiger ist es, dass der gesamte
Fall »Piatto« vom NSU-Untersuchungsausschuss des
Landtages Brandenburg sorgfältig bearbeitet wird. Dass
das Prinzip »Quellenschutz vor Strafverfolgung« und
Aufklärung im Verfassungsschutz Brandenburg ungebrochen gilt, zeigen der Umgang mit den Beweisbe6

schlüssen des PUA der 17. und 18. Wahlperiode ebenso
wie die Zeugenauftritte der V-Mann Führer von V-Mann
»Piatto« vor dem OLG München und von Jörg Milbradt, dem langjährigen Leiter der Auswertung des LfV
Brandenburg, vor dem Untersuchungsausschuss der 18.
Wahlperiode.
4. Das Prinzip »Quellenschutz vor Strafverfolgung« der Geheimdienste blockiert seit sechs
Jahren eine umfassende Aufklärung des NSUKomplexes und unterläuft das Versprechen
rückhaltloser Aufklärung von Bundeskanzlerin
Angela Merkel.
Die Weigerungen des Bundesinnenministeriums und
des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die Beweisbeschlüsse BM-41 und BMI-42 unter Verweis auf
mangelnden NSU-Bezug zu erfüllen, haben die Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses der
18. Wahlperiode erheblich behindert. Mit den Beweisbeschlüssen hatte der Untersuchungsausschuss die
Vorlage aller im BfV vorliegenden Operativ- und sonstigen Akten von V-Personen, Informanten und Gewährspersonen im Raum Dortmund, Chemnitz und Zwickau
beschlossen. Die Nicht-Erfüllung der Beweisbeschlüsse
legt nahe, dass das BfV weitere V-Leute in militanten
Neonazistrukturen in Dortmund, Chemnitz und Zwickau
mit Kontakten zum NSU-Netzwerk führte und das Bundesinnenministerium und das BfV daher eine weitere
parlamentarische Kontrolle fürchten. Dies gilt auch für
die völlig unzureichende Erfüllung der Beweisbeschlüsse BMI-43 und BMI-60, mit denen der Untersuchungsausschuss Hinweise der europäischen Partnerdienste
sowie die Protokolle der AG Rechtsextremismus des
internationalen Geheimdienstzusammenschlusses »Berner Club« beiziehen wollte, um der Frage nachzugehen,
welche Hinweise von internationalen Geheimdiensten
an das BfV und den BND zu rechtsterroristischen Strukturen und zur rassistischen Mord- und Anschlagsserie
in Deutschland übermittelt und wie diese ausgewertet
wurden.
5. Die Aktenvernichtungen im BfV am 11. November 2011 und in den Tagen danach durch
den BfV-Referatsleiter mit dem Tarnnamen
Lothar Lingen waren von dem Vorsatz geleitet,
die Öffentlichkeit zu täuschen und sie waren
rechtswidrig.
Die Fraktion DIE LINKE bewertet die Aktenvernichtung
von mindestens sieben V-Mann-Akten im Bundesamt
für Verfassungsschutz am 11. November 2011 und in den
Tagen danach als Urkundenunterdrückung (§274 StGB)
und Verwahrungsbruch (§133 StGB). Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Dr. Hans-Georg
Maaßen tragen die Verantwortung dafür, dass dem
Untersuchungsausschuss die Vorlage der Disziplinarakte des langjährigen Referatsleiters des BfV mit dem
Tarnnamen Lothar Lingen verweigert wurde.
Die Fraktion DIE LINKE kritisiert in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass die Vernichtung der Akten
im BfV bis heute zur Behinderung der Aufklärung im

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