Zusammenfassung der Ergebnisse der Beweisaufnahme
des zweiten NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag und Schlussfolgerungen der Fraktion DIE LINKE
1. Das mutmaßliche NSU-Kerntrio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe sowie
deren engste Unterstützer*innen waren ab
Januar 1998 von V-Leuten des Bundesamtes
und diverser Landesämter für Verfassungsschutz sowie Informanten von Länderpolizeien
umringt.
Nach dem Ende der Beweisaufnahme des zweiten
NSU-Untersuchungsausschusses ist es völlig unstrittig, dass das mutmaßliche NSU-Kerntrio und dessen
engste Unterstützer*innen von rund 40 V-Leuten der
Geheimdienste und Länderpolizeien quasi umringt
waren. Daraus resultiert die naheliegende Frage,
ob die rassistische Mord- und Anschlagsserie des
NSU, dessen Banküberfälle und der Mord an Michèle Kiesewetter hätten verhindert werden können.
Voraussetzung dafür wären entweder entsprechende
Hinweise von V-Personen auf Pläne oder Handlungen von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe oder aus
G10-Maßnahmen im bekannten Unterstützer*innenUmfeld gewesen. Auch bis zum Ende der Beweisaufnahme des zweiten NSU-Untersuchungsausschusses
sind jedoch keine entsprechenden Berichte von VLeuten bekannt geworden, die dem Untersuchungsausschuss vorlagen. Nach Ansicht der Fraktion
DIE LINKE kann es hierfür zwei Ursachen geben:
Die Loyalität der allermeisten V-Leute gegenüber
»Kamerad*innen« war zumeist erwiesenermaßen
größer als gegenüber den V-Mannführern und Ämtern. Dies zeigt sich u.a. an den erhalten gebliebenen
Meldungen von Thomas Starke zu Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gegenüber dem VP-Führer des
LKA Berlin. Es ist keineswegs auszuschließen, dass
auch andere neonazistischen V-Personen – ebenso
wie der Kern der Unterstützer*innen – ihr Wissen
nicht oder nur in unschädlicher Form gegenüber Behördenvertretern preisgaben. Ebenso ist aber auch
angesichts der zwei Wellen von Aktenvernichtungen
vor und nach dem 4. November 2011 in den Geheimdiensten nicht ausgeschlossen, dass entsprechende
Meldungen vorlagen und mittlerweile vernichtet wurden. Festzuhalten bleibt, dass das V-Leute System
weder während der Anschlags- und Mordserie noch
seit der Selbstenttarnung zu deren Aufklärung beigetragen hat. Viele ehemalige V-Leute und auch deren
V-Mann-Führer haben sich in der Hauptverhandlung
am OLG München oder in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen als wenig aussagefreudige
bzw. hilfreiche Zeugen erwiesen.
Die Fraktion DIE LINKE schließt jedoch nicht aus, dass
die vorliegenden Informationen zur Bewaffnung des
mutmaßlichen NSU-Kerntrios ab 1998 in Geheimdienstoperationen mündeten, die den Parlamenten, Prozessbeteiligten in dem Verfahren vor dem OLG München
gegen Zschäpe u.a. und der Öffentlichkeit bisher vorenthalten bzw. ab 2009 sukzessive vernichtet wurden.
2. Die Behauptungen des BfV-Präsidenten
Hans-Georg Maaßen, das BfV habe keine V-Personen im Umfeld des NSU geführt, sind nach
dem Abschluss der Beweisaufnahme eindeutig
unzutreffend und falsch. Denn der langjährige
Neonazi-Aktivist M. alias V-Mann »Primus«
des BfV, der als neonazistischer Intensivtäter
in Zwickau aktiv und in Blood&Honour Strukturen bundesweit vernetzt war, beschäftigte
während seiner Zeit als V-Mann zeitweilig Uwe
Mundlos und hatte Kontakt zu Beate Zschäpe.
Die Beweisaufnahme im zweiten NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages und journalistische Recherchen belegen nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE
glaubhaft, dass Uwe Mundlos zeitweilig im Bauservice
M. als Bauarbeiter beschäftigt war. Zudem belegen
glaubhafte Zeugenaussagen aus der Beweisaufnahme
des zweiten Untersuchungsausschusses des Bundestags auch, dass sich Beate Zschäpe zwischen 2005 und
2007 mehrfach in einem der Läden von M. alias V-Mann
»Primus« des BfV aufgehalten hat. Die Beweisaufnahme
des Ausschusses konnte auch feststellen, dass M. seit
1996 Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe kannte.
Die Fraktion DIE LINKE betont, dass im Rahmen der
Fahndung nach den flüchtigen Beate Zschäpe, Uwe
Mundlos und Uwe Böhnhardt bereits im August 2002
durch das LKA Sachsen ein Hinweis auf Jan Werner als
deren möglicher Unterstützer und dessen Freund M.
gegenüber dem LKA und dem LfV Thüringen gegeben
wurde. In den Akten, die dem Untersuchungsausschuss
vorlagen, findet sich jedoch kein Hinweis darauf, dass
es daraufhin Ermittlungshandlungen zu M. gab.
Der Aktenbestand, den das BfV zu M. dem Ausschuss
vorgelegt hat, war im Übrigen unvollständig. Es fehlte eine P-Akte des M., die nach Angaben des BfV im
Oktober 2010 gelöscht worden sein soll. Es fehlten auch
eine Sachakte zum Bauservice M. sowie u.a. Auswertungsakten, aus denen sich ergibt, was das BfV mit den
Adresslisten seiner Neonazifanzines und weiteren Informationen, die M. dem BfV übergeben hat, gemacht hat.
Vor diesem Hintergrund ist offen, aus welchen Gründen
die Beweisaufnahme keine Belege in den vorgelegten
Akten des BfV zu den Kontakten von M. zu Mundlos
und Zschäpe nach 1998 erbracht hat.
Die Beweisaufnahme belegt auch, dass das BfV mit der
V-Person »Tarif« eine weitere V-Person im Umfeld der
engen Unterstützer*innen aus Jena der gesuchten Uwe
Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe führte.
Wie nah die V-Person »Corelli« des BfV am Netzwerk
des NSU aktiv war, lässt sich aufgrund von unzureichenden Ermittlungen zu »Corellis« Kontakten in der
Thüringer und Sächsischen Blood&Honour-Szene nicht
abschließend feststellen.
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