1.7.1. V-Mann L.M. des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen
Die Fraktion DIE LINKE kritisiert, dass dem ersten NSUUntersuchungsausschuss des Bundestages sowohl von
den beteiligten Verfassungsschutzämtern des Bundes
und des Landes Nordrhein-Westfalen als auch von
der Bundesanwaltschaft der im Februar 2012 bekannt
gewordenen Verdacht gegen den langjährigen V-Mann
des LfV Nordrhein-Westfalen, L.M. vollständig vorenthalten wurde.
Ganz offensichtlich war L.M. seit Ende der 1980er Jahre
in wichtigen Funktionen in militanten Neonazistrukturen aktiv. Es wäre daher nach Ansicht der Fraktion DIE
LINKE geboten gewesen, L.M. zu dessen Kenntnissen
über mögliche lokale Unterstützer*innen des NSUNetzwerks, Verbindungen zwischen Neonazis aus dem
»Kampfbund Deutscher Sozialisten« in Köln, Thüringen
und Sachsen sowie mit dem NSU assoziierter militanter
Neonazi-Netzwerke zu befragen.
Den Zeugen des LfV NRW, insbesondere dem langjährigen stellvertretenden Leiter Burkhard Schnieder,
wurden entsprechende Vorhalte zu den neonazistischen Aktivitäten von L.M. gemacht: Beispielsweise ein
»Gespräch« aus dem Jahr 2003 von mit der KDS-Postille
»Der Gegenangriff«, in dem dieser seinen Werdegang
in der extremen Rechten wie folgt beschreibt: »Wehrsportgruppe, Nationalistische Front, bis 1994 Mitglied
der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei – FAP -, 1998
Mitbegründer der Kameradschaft Köln, 1999 kurz nach
der Gründung Mitglied des KDS«. Des Weiteren wurde
dem Zeugen Burkhard Schnieder eine Anzeige vorgehalten, die im »Internationalen Waffen-Spiegel« Nummer
6/1987, geschaltet wurde, wo der »Heimatschutzverband« mit der Ausbildung »Kameradschaft Survival«
wirbt, und als Kontaktadresse für den Raum Köln »L.M.«
angegeben wurde.145 Trotz weiterer Vorhalte zu L.M.‘s
Aktivitäten – darunter dessen Verurteilung wegen eines
Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz zu einer sechsmonatigen Jugendstrafe in den 1980er Jahren, erklärte
der Zeuge Schnieder, dass L.M. auf keinen Fall jemand
sei, »der dem extremistischen, vor allem rechtsextremistischen Typus entspricht, sondern von der Grundeinstellung eher jemand ist, der seine Rolle spielt.« Damit
referierte der Zeuge Schnieder das altbekannte Mantra
von Verfassungsschutzzeugen, dass es sich bei den VPersonen eigentlich gar nicht um Neonazis handele.
Ob L.M. Mitte der 1980er Jahre Mitglied einer Clique,
die unter dem Namen »Anarchistische Terrorfront« (ATF)
agierte war, konnte der Ausschuss nicht klären. Trotz
ihres Namens war die ATF nach Angaben von NSU
Watch NRW ideologisch rechts anzusiedeln. »Von den
Ermittlungsbehörden war sie als politisch »verworren«
eingeordnet worden. 1984 bot die ATF mit einem Aushang in einem Supermarkt in Köln-Zollstock den Ankauf
von Waffen sowie die Ausführung von Anschlägen aller
Art an. Des Weiteren führte die ATF Nachtmärsche mit
Bewaffnung und in paramilitärischer Uniformierung
durch. Mitglieder beschmierten eine Polizeistation mit
145
Vgl. Zeuge Schnieder, Protokoll der 37. Sitzung, S. 62f.
Hakenkreuzen und linken Parolen. Im Jahr 1984 fiel die
Gruppe durch Brand- und Sprengstoffanschläge auf. Bei
einem Anschlag auf ein leer stehendes Fabrikgebäude
an der Vorgebirgsstraße in Köln wurden Gasflaschen in
Brand gesetzt. Bei der anschließenden Detonation wurde
eine Passantin verletzt. Daraufhin wurden mehrere
Mitglieder der Gruppe verhaftet. Die beiden Hauptangeklagten erhielten im Prozess Bewährungsstrafen, drei
Mitangeklagte lediglich Verwarnungen.«
Der Zeuge Schnieder bestätigte, dass L.M, bei der
Bundeswehr eine militärische Ausbildung erhielt. In
späteren Jahren war er in einer Reservistenkameradschaft für Scharfschützen der Bundeswehr aktiv. 1987
wird L.M. als Kontaktperson des »Heimatschutzverbandes« in einer Anzeige im »Internationalen Waffenspiegel« aufgeführt. Der »Heimatschutzverband« war eine
paramilitärische Wehrsportgruppe und veranstaltete in
der Eifel Wehrsportübungen mit Schusswaffen. Diese
Wehrsportübungen wurden vom »Bundesführer« der Organisation beim Polizeipräsidium Aachen angemeldet.
Außerdem soll es nach Angaben des »Bundesführers«
eine Zusammenarbeit mit dem MAD (Militärischer Abschirmdienst, Geheimdienst der Bundeswehr) gegeben
haben, dem die Mitgliederkartei übergeben worden sein
soll. Mitglied beim »Heimatschutzverband« konnte nach
Aussagen des »Bundesführers« jeder Deutsche oder
Staatsangehörige eines NATO-Staates ab 16 Jahren werden. Das Innenministerium teilte 1988 der »taz« mit, der
»Heimatschutzverband« sei bislang »weder strafrechtlich, noch in rechtsextremistischer Form aufgefallen«
L.M. war nach Medienrecherchen und Recherchen von
antifaschistischen Gruppen eigenen Angaben zufolge Mitglied der »Nationalistischen Front« (NF), einer
nationalrevolutionären Kaderorganisation der militanten Rechten, die 1992 verboten wurde. Die NF hatte ihr
Zentrum in Detmold. Auch der verstorbene V-Mann
Thomas R. alias »Corelli« war Anfang der 1990er Jahre
Mitglied der NF, deren Anführer Meinolf Schönborn
1991 die Bildung eines »Nationalen Einsatzkommandos«
(NEK), einer paramilitärischen Gruppe, in Angriff nahm.
»Anfänglich ermittelte die Bundesanwaltschaft wegen
‚Bildung einer terroristischen Vereinigung‘ nach §129a
[StGB]. Das Verfahren wurde jedoch am 25.10.1993 überraschend eingestellt«, heißt es im 1996 erschienen Buch
»Drahtzieher im braunen Netz«.
Es folgten der Beweisaufnahme zufolge Mitgliedschaften in der FAP bis zu deren Verbot 1995. Vorsitzender des Landesverbandes war »SS-Siggi« Siegfried
Borchardt aus Dortmund.
Nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE spiegelt die
Beweisaufnahme auch die von NSU Watch zusammengestellten Informationen über die politische Laufbahn
von L.M. wieder: Nach dem Verbot der FAP bildeten
deren Kader beispielsweise in Recklinghausen oder
Dortmund »Freie Kameradschaften«. In Köln wurde erst
1998 die »Kameradschaft Köln« gegründet, L. M. war
Gründungsmitglied. In der Kameradschaft hatte er die
Funktion des stellvertretenden Kameradschaftsführers
inne. So vertrat er Axel R[...] während dessen Inhaftie49