rung und unterzeichnete am 28. Dezember 2007 eine
»Mitteilung der Kameradschaft Köln/Walter Spangenberg« mit »L.M. (Kameradschaftsführer Köln/Walter
Spangenberg)«. (...) Die nach einem Kölner SA-Führer
benannte »Kameradschaft Walter Spangenberg« war Teil
der militanten Neonaziszene, die meist ein distanziertes
Verhältnis zur NPD pflegte. Sie war organisatorisch und
mit Redner*innen an zahlreichen regionalen und überregionalen Demonstrationen der Neonazi-Szene beteiligt.
Die »Kameradschaft Köln« war führend in die Strukturen
des »Aktionsbüro West« (AB-West) und später in die
des »Aktionsbüro Mittelrhein« eingebunden. Sie pflegte
enge Verbindungen zu den Kameradschaften Aachener
Land, Wuppertal und Dortmund. Anfang Mai 2012 wurde
sie dann durch den NRW-Innenminister verboten. Ihre
Mitglieder Axel R[...] et al saßen im Prozess gegen das
»Aktionsbüro Mittelrhein« vor dem OLG Koblenz wegen
»Bildung bzw. Unterstützung einer kriminellen Vereinigung« auf der Anklagebank.
1999 trat L.M. dem kurz zuvor gegründeten »Kampfbund
Deutscher Sozialisten« (KDS) bei und avancierte dort zum
»stellvertretenden Gausekretär Rheinland«. Auch hier
agierte er als rechte Hand des »Gausekretärs« Axel R[...].
Zwischen der »Kameradschaft Köln« und der lokalen
KDS-Gruppe bestanden große personelle Überschneidungen. Der KDS war eine Organisation mit bundesweitem
Anspruch. (…)In der Neonazi-Szene war der KDS wegen
des von ihm propagierten »Querfront«-Konzeptes mit dem
Anspruch, »linke« und rechte »Nationale Sozialisten« zu
sammeln, nicht unumstritten. Dennoch waren viele auch
heute noch aktive Vertreter*innen der »Freien Kräfte«
zumindest zeitweise Mitglied der Organisation. Trotz des
»Querfront«-Anspruches war der KDS bis zu seiner Auflösung im Jahr 2008 eine offen neonazistisch ausgerichtete
Organisation, die sich in der Tradition der SA und der Kühnen-Bewegung sah, sowie sie sich als Teil des Netzwerkes
der NSDAP/AO verstand. In der kritischen Öffentlichkeit
wurde der KDS aufgrund seines skurrilen Hangs zu
SA-ähnlichen Uniformen, allerlei Pöstchen und »Ehrenabzeichen« oftmals belächelt. Der KDS verfügte über eine
von außen erkennbare Struktur, deren höchste Entscheidungsebene die »Organisationsleitung« war. So wurden in
der Zeitschrift »Der Gegenangriff« »Dienstanweisungen«
veröffentlicht, in denen Ziele, Aufbau und Entscheidungsstrukturen der Organisation penibel festgelegt wurden.
Trotz dieser klaren vereinsähnlichen Struktur und der
verfassungswidrigen, nationalsozialistischen Ausrichtung
erfolgte seitens der Behörden kein Verbot des nicht als
Verein eingetragenen KDS.
Der KDS unterhielt Verbindungen zu zahlreichen Kadern
der Neonazi-Szene in Deutschland, aber auch zu Gruppen wie der »Dänischen Nationalsozialistischen Bewegung«, die enge Verbindungen zum »Blood&Honour«Netzwerk« in Skandinavien unterhielt. Zuletzt wurde die
KDS-Geschäftsstelle vom Mitglied der Organisationsleitung Thomas G. aus dem Altenburger Land in Thüringen
geführt. G[…] ist auch Mitglied der »Hammerskins«.
Aufgrund seiner Kontakte zur Unterstützer*innenszene
des NSU-Kerntrios musste er mehrfach als Zeuge im
Münchener NSU-Prozess aussagen. Der KDS gab 2008
seine Auflösung bekannt. L.M. blieb aber weiterhin in
50
den Reihen der »Kameradschaft Walter Spangenberg«
aktiv. Diese wurde Anfang Mai 2012 vom NRW-Innenministerium verboten.«
Nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE ist es ein Fehler
gewesen, dass eine vom BKA angestrebte Vernehmung
L.M.s durch Oberstaatsanwältin beim BGH Annette
Greger unterbunden wurde.
1.7.2. V-Mann Kai D. des Bayerischen Landesamtes
für Verfassungsschutz
Der Fall des 1989 nach Bayern umgezogenen V-Mannes
Kai D. steht exemplarisch für den Ring von V-Leuten,
mit denen die Verfassungsschutzämter und Polizeibehörden das NSU-Kerntrio quasi umstellt hatten146 und
macht deutlich, dass die »Zusammenarbeitsrichtlinie«
auch schon vor dem NSU-Komplex neonazistische VLeute vor der Strafverfolgung schützte.
Drei Dutzend Neonazis vor allem aus Bayern, Thüringen
und Sachsen umfassen die Einträge in eine Namensliste, die die Polizei in Jena unmittelbar nach der Flucht
von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe
im Januar 1998 in einer vom mutmaßlichen NSU-Kerntrio
angemieteten Garage fand – inklusive fertiger Rohrbomben und 1,4 kg TNT-Sprengstoff. Uwe Mundlos hatte
die Namen und Telefonnummern nach Bundesländern
sortiert und unter dem handschriftlichen Zusatz »bundesweit« auch den Namen Kai D. aus dem fränkischen
Weissenbrunn mitsamt dessen Handynummer notiert.147
Dass sich in diesem so genannten »Mundlos-Adressbuch« das »who-is-who« wichtiger Unterstützeri*innen
des mutmaßlichen NSU-Kerntrios fand, haben die
Ermittlungsbehörden erst nach der Selbstenttarnung
des NSU im November 2011 festgestellt. Noch länger
dauerte es, bis bekannt wurde, dass mindestens fünf
Neonazis aus diesem Adressbuch der Unterstützerinnen und Unterstützer gleichzeitig V-Leute von Verfassungsschutzämtern und der Polizei waren.
Im Fall von Kai D. war es eine Artikel des Magazins »Der
Spiegel« im November 2012, der öffentlich machte, was
sowohl der Generalbundesanwalt in Karlsruhe als auch
das bayerische Innenministerium über viele Jahre verschwiegen hatten: Dass Kai D. mehr als ein Jahrzehnt
lang das bayrische Landesamt für Verfassungsschutz
mit Informationen aus militanten Neonazinetzwerken
aus dem gesamten Bundesgebiet und insbesondere aus
Bayern und Thüringen versorgte und gleichzeitig diese
Strukturen selbst mitaufbaute.
Zum Zeitpunkt der Flucht des mutmaßlichen NSUKerntrios aus Jena zum Jahresanfang 1998 hatte Kai D.
schon über mindestens drei Jahre hinweg regelmäßig
In den 1990er Jahren rekrutierten zahlreichen Verfassungsschutzämter führende Neonazikader als V-Leute, in der Annahme, man habe dann
die rechtsextreme Bewegung am Besten »unter Kontrolle« oder könne sie
»befrieden«, wie der ehemalige stellvertretende Leiter des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen vor dem dortigen NSU-Untersuchungsausschuss im August 2015 einräumte.
147
vgl. Untersuchungsausschuss Rechtsterrorismus in Bayern, Drucksache 16/17740, http://bit.ly/2acT3F7, S. 73ff.
146