c) D
ie Fraktion DIE LINKE betont, dass das Netzwerk
von »Blood&Honour« in den 1990er Jahren in Deutschland sowohl die Produktion der Begleitmusik für den
rassistischen Alltagsterror als auch für Aufbau von
neonazistischen Terrorstrukturen nach dem Prinzip
des führerlosen Widerstands führend umgesetzt
hat. Ohne die Unterstützung von »Blood&Honour«Aktivist*innen wäre es Beate Zschäpe, Uwe Mundlos
und Uwe Böhnhardt nach ihrer Flucht aus Jena am
26. Januar 1998 nicht gelungen, ein Leben in der
Illegalität zu führen.
e) Die Fraktion DIE LINKE kritisiert, dass das Bundesinnenministerium auf einen entsprechenden Beweisbeschluss zur Vorlage aller im BfV vorhandenen Operativ-, Controlling- und sonstigen Akten zu Stephan L.
erst nach den Medienberichten im Mai 2017 und auch
nur unvollständig reagiert hat. Das BfV hat damit
den Untersuchungsausschuss getäuscht und die
Beweisbeschlüsse ignoriert. Angesichts der engen
Verbindungen zwischen Jan Werner und Stephan L.
sowie der durch BKA und Bundesanwaltschaft erst
auf Drängen der Nebenklage am OLG München weitergeführten Ermittlungen zur mutmaßlichen Anwesenheit von Zschäpe und Mundlos in Begleitung von
Jan Werner und einer weiteren Person drängt sich die
Frage auf, inwieweit die Bundesanwaltschaft über die
Quelleneigenschaft von Stephan L. informiert war.
Zudem ist auch in Bezug auf die Medienrecherchen
zu Stephan L. die Erklärung von Hans-Georg Maaßen, sein Amt habe »nach dem jetzigen Stand keine
V-Personen im Umfeld des NSU« falsch.130
1.5. Aufklärungsblockade durch Aktenvernich
tungen im BfV
Die Fraktion DIE LINKE hatte nach dem Ende des ersten
NSU-Untersuchungsausschusses wiederholt nach dem
Stand der Rekonstruktion der im Bundesamt für Verfassungsschutz am 11. November 2011 vernichteten V-Mann
Akten gefragt. Bei den Antworten der Bundesregierung
wurde schnell deutlich, dass die Akten »nur teilweise«
rekonstruiert werden konnten und dem ersten Untersuchungsausschuss nur ein Bruchteil vorgelegt wurde131.
Das BfV gab an, dass die Aktenrekonstruktion der
vernichten V-Mann-Akten am 27. Juni 2012 begonnen
wurde. Dabei habe es sich um einen ersten Teilschritt
gehandelt. Die zweite Rekonstruktion der Akten sei
durch BfV Präsident Hans-Georg Maaßen am 13. Oktober 2014 angeordnet worden - als Reaktion auf die
Reportage »Unter Reißwölfen« im Nachrichtenmagazin
»Der Spiegel« Ausgabe 9/2014, in der der Zeuge Michael S. alias V-Mann »”Tarif”« behauptet hatte, er sei von
André Kapke mit der Frage nach einer Unterkunft für
die polizeilich gesuchten Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe angerufen worden und habe seinen V-Mann Führer
über diesen Anruf informiert. Auf entsprechende Kleine
Anfragen der Fraktion DIE LINKE zum Stand der Akvgl. Verfassungsschutzchef Maaßen: »Am Rand dessen, was möglich
ist«, die tageszeitung vom 11. Februar 2015, http://bit.ly/2z9yKpz
131
Hans-Georg Engelke, Protokoll Nr. 34 vom 18. Dezember 2012, S. 99
tenrekonstruktion und Übermittlungen an die Untersuchungsausschüsse teilte des Bundesinnenministerium
des Weiteren mit, dass dem Untersuchungsausschuss
der 17. Wahlperiode lediglich 39 Deckblattmeldungen
des V-Mannes «Tarif” vorlagen. Am 17. Dezember 2014
lagen 157 Deckblattmeldungen, d. h. Erkenntnismitteilungen des ehemaligen VM »Tarif« vor. Nach Abschluss
des zweiten Rekonstruktionsschrittes Mitte Januar 2015
lagen 171 Deckblattmeldungen in aktenmäßig wieder
zusammengeführter Form vor - mit einem Umfang von
983 Seiten. Die eigentlich wichtigste Akte zum Nachvollziehen, wie ein V-Mann bewertet wurde und welche
Aufträge etc. er bekam, die so genannte P-1 Akte konnte hingegen lediglich zu 28 Prozent und die Treffakte
sogar nur zu 14 Prozent rekonstruiert werden.132 Die
Bedeutung dieser Lücke erklärt auch die Feststellung
des ehemaligen BfV-Referatsleiters und Zeugen Egevist,
in den noch im BfV vorhandenen Akten von Tarif sei ja
»fast nichts drin«.133
Schlussfolgerungen:
Die Fraktion Die LINKE betont, dass insbesondere im
Fall der vernichteten Akten des V-Mannes »Tarif« die
zentralen Aktenbestandteile, mit denen sowohl die
Einsatzschwerpunkte als auch die Bezugsoperationen,
in denen der V-Mann «Tarif” eingesetzt wurde nachvollzogen werden konnten im wesentlichen Teilen nicht
wieder hergestellt werden konnten.
1.6. Schleppenden Ermittlungen gegen nament
lich bekannte mutmaßliche Unterstützer*innen
des NSU-Kerntrios
Die Fraktion DIE LINKE hält es für dringend erforderlich, dass der Generalbundesanwalt die Ermittlungen
gegen alle namentlich bekannten neun mutmaßlichen
Unterstützer*innen intensiviert und zu einem erfolgreichen Abschluss im Sinne einer Anklageerhebung führt.
Die Fraktion DIE LINKE kritisiert im Zusammenhang mit
den Ermittlungen des Generalbundesanwalts gegen Jan
Werner sowohl die Vernichtung von Beweismaterial aus
Beständen des Ermittlungsverfahrens gegen Jan Werner
im Zusammenhang mit der Neonaziband »Landser«
beim Generalbundesanwalt im Jahr 2014 als auch die
schleppenden Ermittlungen und die offenkundig unvollständige Aktenauswertung durch die Ermittlungsbehörden in Bezug auf Jan Werner.
130
132
133
vgl. BT-Drs. 18/4636
vgl. Zeuge Egevist, Protokoll Nr. 39
45