stand eine Rolle gespielt hätten. Auf Nachfragen von
Nebenklagevertreter*innen sagte er zudem, er sei zu
keinem Zeitpunkt von einer Verfassungsschutzbehörde
angesprochen worden oder habe eine solche Information weitergeleitet.
Stephan L. nahm an zahllosen »Blood&Honour« Konzerten teil, die nicht alleine dazu dienten, die NS-Ideologie
niedrigschwellig zu verbreiten und eine extrem rechte
Erlebniswelt zu etablieren, sondern auch die Möglichkeit für Absprachen und konspirative Verabredungen
boten, beispielsweise in Chemnitz, Zwickau und Klein
Bünzow bei Anklam.
In »Heimatschutz« beschreiben die Autoren Dirk Laabs
und Stefan Aust die Weiterentwicklung des Magazins
von »Blood&Honour« Ende der 1990er Jahre wie folgt:
»Die Hefte der Division Deutschland wurden trotzdem
immer dicker und auf teurerem Papier gedruckt, selbstbewusst ließ L[…] den Claim »The unbended Voice of
the Unterground« auf jede Seite des aktuellen Heftes
drucken. Bei der Abholung des neuen Heftes aus der
Druckerei schauen L[…] diverse Dienste zu, darunter das
Bundesamt für Verfassungsschutz. Man wusste vorher,
wer wann die Hefte aus einer Druckerei in Bayern abholt.
Es wird abgewogen, was man mit der Information macht
– schließlich wird sie an die Kripo weitergegeben. Die
Folge: Das LKA Berlin durchsucht an diesem Samstag
L[…]s Wohnung, sein Auto, das Vereinsheim von Blood
and Honour auf einem alten Schlachthofgelände in
Berlin. Stephan »Pin« L[…] war noch undisziplinierter als
Jan Werner im Jahr zuvor, das LKA findet palettenweise
belastendes Material – im VW-Bus von L[…] allein 1500
Hefte der neuen Ausgabe des Magazins der Division
Deutschland, der Nr. 9 mit der Titelzeile: »Protecting
the Fatherland from the Scum of the Earth«. Auf dem
Cover zu sehen sind zwei Männer mit riesigen Waffen
in der Hand, dem Hollywood-Blockbuster Men in Black
nachempfunden. Das 124 Seiten dicke Heft zeigt, wer
mit wem in der Szene zusammenhängt: Ein langes
Interview mit Thorsten Heise ist genauso abgedruckt wie
ein Gespräch mit dem Autor der Turner Diaries William
Pierce. Die üblichen Bands werden besprochen, auf der
letzten Seite macht der V-Mann »”Primus”« für seinen
Laden Last Ressort in Zwickau Werbung. Neofaschisten
aus zig Ländern haben geschrieben, was sie zum neuen
Jahrtausend sagen wollen, Thorsten Heise schreibt nur:
»Kameraden! Widerstand«. Der THS zitiert aus Adolf
Hitlers Mein Kampf. Über 1800 CDs samt zugehörigen
Covern stellt das LKA ebenfalls bei L[…] sicher. In seiner
Wohnung werden mehrere Jacken mit dem Schriftzug
Blood and Honour gefunden, ein Bild von Adolf Hitler,
ein Ku-Klux-Klan-Aufnäher – vor allem aber fast die
komplette Korrespondenz der Blood and Honour-Division
Deutschland. Zum ersten Mal fällt der Polizei auch eine
Satzung von Blood and Honour in die Hände, was für die
Division besonders gefährlich ist, weil so die Behörden
eine Struktur belegen können – Grundlage für ein mögliches Verbot der Gesamtorganisation. Die Staatsanwaltschaft Berlin befasst sich nun ausführlich mit Pinocchio.
Das BfV wird ebenfalls hinzugezogen, obwohl ja der Tipp
aus Köln kam – was halten die Auswerter dort von den
Funden bei L[...]? Das Amt lässt sich Zeit mit der Antwort
44
und wird im Mai schreiben: Trotz der Funde bei L[...] ist
man nach wie vor gegen ein Verbot von Blood and Honour in Deutschland. In Köln kennt man »Blood&Honour«
und glaubt nicht zuletzt aufgrund der diversen V-Männer
die Organisation im Griff zu haben. Man will auf keinen
Fall ein neues Verbot.«128
Stephan L. zog nach dem Verbot von »Blood&Honour«
nach Baden-Württemberg – in die Nähe von Stuttgart
und Heilbronn zu polizei- und verfassungsschutzbekannten Neonazis aus den Blood&Honour Nachfolgestrukturen. In Ermittlungsverfahren, die u.a. die
Staatsanwaltschaft Karlsruhe wegen Verstoß gegen das
Vereinsverbot führte, gerieten Stephan L. sowie alte
Bekannte aus der »Blood&Honour«-Sektion Sachsen
– darunter Jörg W. der mutmaßliche Sprengstofflieferant für die Rohrbomben, die in der Garage Nr. 5 in
Jena im Januar 1998 gefunden wurden, und Jörg A., ein
langjähriger Weggefährte des Ehepaares P., erneut in
den Fokus der Strafverfolgungsbehörden. Auszüge aus
Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen der
Ermittler, die dem Untersuchungsausschuss vorgelegt
wurden, belegen, dass die alten Netzwerke weitergepflegt wurden – u.a. bei gemeinsamen Auslandsreisen
zu Blood&Honour Konzerten in europäischen Nachbarländern.
Der Untersuchungsausschuss der 17. Wahlperiode hatte
sich in seinem Abschlussbericht auch damit auseinandergesetzt, dass u.a. das LKA Sachsen-Anhalt bei einer
Exekutivmaßnahme wegen des Verdachts der Fortführung von »Blood&Honour« nach dem Verbot durch das
Bundesinnenministerium im September 2000 darauf
bestanden hatte, das BfV nicht über die Maßnahmen
zu informieren – aus Sorge, der Geheimdienst würde
seine V-Leute warnen und damit die Razzia im Vorfeld
verraten.129
Schlussfolgerungen:
a) Die Fraktion DIE LINKE geht davon aus, dass Stephan L. – so wie andere Berlin-Brandenburger
»Blood&Honour«-Kader auch – als Divisionsleiter
Deutschland von »Blood&Honour« darüber informiert
war, dass bei »Blood&Honour« Konzerten Spendengelder für Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gesammelt wurden.
b) Die Fraktion DIE LINKE geht auch davon aus, dass
Stephan L. von Jan Werner darüber informiert wurde, dass und wie die sächsische »Blood&Honour«
Gruppe die ab Januar 1998 in Chemnitz in der
Illegalität lebenden Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe unterstützte. Dafür spricht auch, dass Marcel
D. alias Hagel, der damalige Schatzmeister von
»Blood&Honour« Deutschland, wie dargelegt, in seinem beschlagnahmten Notizbuch die Einnahmen von
»Blood&Honour« Konzerten und Ausgaben, darunter
auch eine Spende von 700 D-Mark an das mutmaßliche NSU-Kerntrio, notierte.
128
129
vgl. Aust/Laabs, »Heimatschutz«, S. 419 f.
vgl. BT-Drs. 17/14600, S. 169