a) Einzelaspekte der Beweisaufnahme in Bezug
auf Jan Werner
Fehlende TKÜ-Daten
Jan Werner gehört zu den neun namentlich bekannten
mutmaßlichen Unterstützer*innen des NSU-Kerntrios,
gegen die der Generalbundesanwalt nach §129a StGB
wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung
ermittelt. Im Zeitraum August bis Oktober 1998 lagen
dem Verfassungsschutz des Landes Brandenburg mehrere Hinweise des dort geführten V-Mannes Carsten
Szczepanski alias V-Mann »Piatto« vor, die unter anderem beinhalteten, dass Jan Werner aus Chemnitz den
Auftrag habe, Waffen für das Trio »für weitere Überfälle«
zu besorgen und dass Antje P. der »weiblichen Person«
ihren Pass zur Verfügung stellen wollte. Aus den Quellenmeldungen ergibt sich nur, dass Jan Werner versucht
hat, Waffen zu besorgen – nicht aber, ob diese Versuche am Ende auch erfolgreich waren.
Der Untersuchungsausschuss der 17. Wahlperiode hatte
zu Jan Werner umfangreiche Feststellungen getroffen,
an die hier nur kurz erinnert werden soll: »In Bezug auf
Jan Werner war durch das LKA Sachsen im Schreiben
vom 8. April 2002 bereits darauf hingewiesen worden,
dass dieser in einem vom Generalbundesanwalt geführten Verfahren zwischenzeitlich vom Vollzug der Untersuchungshaft verschont worden war. Am 29. April 2002
erfolgte im Hinblick auf eine geplante Befragung des Jan
Werner zum Verbleib des Trios durch KHK K. telefonische
Rücksprache mit OStA Siegmund vom Generalbundesanwalt. OStA Siegmund äußerte hierbei keine Bedenken
gegen eine Befragung von Jan Werner und wies zudem
darauf hin, dass dem Jan Werner keinerlei Zusagen
gemacht werden könnten. Darüber hinaus wurde in
dem Gespräch mit OStA Siegmund bekannt, dass durch
das LKA Berlin im Zusammenhang mit dem genannten
Verfahren eine TKÜ-Maßnahme bzgl. Jan Werner geschaltet worden war. Im Hinblick auf diese TKÜ-Maßnahme
erfolgte dann ein Telefonat mit dem LKA Berlin, KOK T.,
in dem dieser zusagte, die ihm durchgegebenen Namen
der drei Beschuldigten mit den Daten aus der TKÜ-Maßnahme gegen Jan Werner elektronisch abzugleichen und
so zu überprüfen, ob diese in den Gesprächen von Jan
Werner eine Rolle spielten. Eine Rückmeldung des LKA
Berlin in dieser Hinsicht ist nicht aktenkundig. [...] Nach
Erkenntnissen des LfV Sachsen kontaktierte Jan Werner
die Flüchtigen möglicherweise am 7. Mai 2000 persönlich
in Berlin. An diesem Tag hat sich Jan Werner dort aufgehalten. Am selben Tag will ein Polizist auch Mundlos und
Zschäpe in Berlin gesehen haben – in einem Biergarten,
gemeinsam mit zwei weiteren Erwachsenen und zwei
Kindern. Bei diesen beiden anderen Erwachsenen könnte
es sich um Jan Werner und um eine Bekannte des Jan
Werner gehandelt haben. Die Frau lebte damals in Berlin,
hatte mindestens zwei Kinder, gehörte der einschlägigen Szene an und wurde am 7. Mai 2000 mehrfach von
Jan Werner angerufen. [...] Das LKA Berlin erhielt am
13. Februar 2002 einen Hinweis darauf, dass Jan Werner
auch zu dieser Zeit noch in Kontakt mit dem Trio stand:
‚Jan Werner soll zur Zeit zu drei Personen aus Thüringen,
die per Haftbefehl gesucht werden, Kontakt haben. Die
VP kann diese nicht namentlich benennen, erklärt aber,
dass diese wegen Waffen- und Sprengstoffbesitz gesucht
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werden.’ Der Hinweis stammte von der Quelle »VP 562«.
Die Quelle »VP 562« ist inzwischen enttarnt: es handelte
sich um Thomas Starke, den das LKA Berlin in dem in Zusammenhang mit der Neonazi-Band »Landser« geführten
Verfahren als V-Person angeworben hatte. Es ist in den
Akten des LKA Thüringen kein Hinweis darauf vorhanden,
dass seitens des LKA Berlin mitgeteilt worden wäre, dass
dort Hinweise zu Kontakten von Jan Werner mit dem Trio
vorhanden waren und zwar weder in zeitlichem Zusammenhang mit der Befragung am 7. Mai 2002 noch zu
einem anderen Zeitpunkt. [...] Am 7. Mai 2002 wurde Jan
Werner sodann durch die Beamten des LKA Thüringen,
KHK Honauer und KHK K. und den Beamten des Polizeipräsidiums Chemnitz, KHM H., an seiner Wohnanschrift
in Chemnitz aufgesucht. Hierbei gab Jan Werner an,
damals keinerlei Kontakt zum Trio gehabt zu haben und
jetzt zu haben. Entsprechende Vorhalte bestritt Jan Werner. Bei den Polizeibeamten entstand der Eindruck, dass
Jan Werner keine Informationen gegenüber der Polizei
habe preisgeben wollen. [...] Im Rahmen der durch das
LKA Thüringen durchgeführten TKÜ beim Mobiltelefon
von Jan Werner wurde dem LKA Thüringen bekannt, dass
zwischen dem überwachten Mobiltelefon von Jan Werner
(Rufnummer 0172/3521XXX) und einem Mobiltelefon mit
der Rufnummer 0172/3922XXX zwischen dem 15. und 30.
August 1998 mehrere Gespräche stattfanden und SMSKurznachrichten versandt wurden. SMS vom 25. August
1998, 19.21 Uhr: »HALLO. WAS IST MIT DEN BUMS?«, SMS
vom 26. August 1998, 12.25 Uhr »AM SONNTAG INNERHALB DES D2 NETZES UND VON D2 ZUM FESTNETZ
KOSTENLOS TELEFONIEREN. MANNESMANN FEIERT
5 MIO.KUNDEN« Verbindung am 30. August 1998, 9.45
Uhr, abgehend. (der nachfolgende Anruf ist 40 Sekunden
später verzeichnet)134. Aufzeichnungen des Inhalts der
Gespräche sind nicht erhalten. [...]«135
Bis heute unbeantwortet ist die zentrale Frage, wie der
eng mit Stephan L. und Jan Werner befreundete Carsten
Szczepanski alias V-Mann »Piatto« des Verfassungsschutzes Brandenburg, auf die Frage nach dem »Bums«
reagierte. Seine ehemaligen V-Mann-Führer hatten jeweils im ersten Untersuchungsausschuss des Bundestages und vor dem OLG München ausgesagt, Szczepanski
habe die SMS nicht mehr erhalten, da er an dem Nachmittag des 25. August 1998 mit seinem V-Mann Führer
ein neues Handy gekauft und das alte bei der Rückkehr
in die JVA Brandenburg abgegeben habe – Szczepanski
war zu diesem Zeitpunkt bereits Freigänger nach einer
Verurteilung zu acht Jahren Haft wegen versuchten
Mordes an einem nigerianischen Asylsuchenden. Ferner
versicherten die Zeugen, das LfV Brandenburg habe das
Handy von Szczepanski nie ausgewertet.136
Um Antworten auf diese Frage zu finden, hatte der
Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode u.a.
mehrere Beweisbeschlüsse zu weiteren Aktenrückhalten getroffen, die Carsten Szczepanski betreffen und
dem ersten Untersuchungsausschuss des Bundestages
nicht vorlagen. Auf den Beweisbeschluss BB 25 übervgl. 17/14600, S. 410ff.
ebenda
136
vgl. u.a. NSU Watch und BT-Drs. 17/14600, S.
134
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