Ob mit dem Bauservice M. eine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt wurde, scheint unwahrscheinlich. Offenbar waren die Angebote die M. bei Unternehmern
machte, so niedrig, dass man eigentlich kaum Gewinne
erwarten konnte. Arne-Andreas Ernst, der Bauleiter eines Zwickauer Bauunternehmens, sagte vor dem Untersuchungsausschuss aus, dass M. Aufträge erhalten hat,
»weil er der preiswerteste Anbieter war. Der Preis war
so weit unten, dass ich mir als Bauleiter sagen musste,
davon könnte ich maximal die Container bezahlen, aber
nicht die Leute. Also, das war schon ein toller Preis.«100
Nicht nur, dass M. seinen Beschäftigten sehr geringe
Löhne bezahlt hatte, er wurde auch am 7. November
2002 wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgeld in 22 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von sechs Monaten, die auf zwei Jahre Bewährung
ausgesetzt wurde, verurteilt.
Obwohl gegen M. schon seit Ende 2011 ermittelt wurde, auf Grund von Aussagen von zwei Zeugen, die
bekundeten, dass sie M. mit Mundlos, Böhnhardt und
Zschäpe gesehen hatten, rückte der Bauservice M. erst
Anfang 2013 in den Focus des BKA. Bei der Nachvernehmung von M. am 14. Februar 2013 in der Schweiz durch
BKA-Beamte wurde er erstmals ausführlich zu seiner
Baufirma befragt, weil das BKA festgestellt hatte, dass
M. - ebenfalls wie das Trio – Autos bei der Firma M.S.
angemietet hatte und dass vier der Anmietungen zu
tatrelevanten Zeitpunkten der Mord- und Raubserie des
NSU erfolgten. In diesem Zeitraum vom 13. Juni 2001 bis
Ende August 2001 wurden in Nürnberg, Hamburg und
München drei Menschen vom NSU ermordet: Abdurrahim Özüdogru am 13. Juni 2001 in Nürnberg, Süleyman
Tasköprü in Hamburg am 27. Juni 2001 und am 29. August
2001 Habil Kilic in München. In diesem Zeitraum wurde
am 5. Juli 2001 eine Postfiliale in Zwickau überfallen. Das
BKA konnte für die Tötungsdelikte keine Anmietungen
von Autos im Raum Zwickau für Böhnhardt, Mundlos
und Zschäpe unter deren Aliasnamen ermitteln.
Die EG Trio des BKA entwickelte daraufhin ein neues
Ermittlungskonzept bezüglich M., der nun als möglicher
Unterstützer oder Täter des Trios angesehen wurde.
Unter anderem wurde die Insolvenzakte zur Baufirma
des M. beim Amtsgericht Chemnitz angefordert. Die
Auswertung der Insolvenzakte sollte »insbesondere
im Hinblick auf ehemalige Mitarbeiter der Baufirma«
erfolgen, »die zu den Tätigkeiten weitere Angaben
machen können« und zu Baustellen, »auf welchen zu
den tatrelevanten Zeitpunkten gearbeitet wurde.«101 Und
man erwartete »Unterlagen, die die genaue Nutzung der
angemieteten Fahrzeuge belegen.«102
Polizeiliche Ermittlungen zu den Beschäftigten
des Bauservice M.
Die Fraktion DIE LINKE stellt fest, dass beim Bauservice M. überwiegend Neonazis aus der Unterstützervgl. Zeuge Arne Andreas Ernst, Protokoll der 25. Sitzung am 23. Juni
2016, S. 98
101
vgl. MAT-A-GBA-20/7, Ordner 1, S. 29
102
vgl. MAT-A-GBA-20/7, Ordner 1, S. 29
100
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szene des mutmaßlichen NSU-Kerntrios in Chemnitz,
Zwickau und Umgebung beschäftigt waren. Bei dem
Personal, das M. für den Bauservice M. einstellte,
handelte es sich vor allem um Neonazis aus Chemnitz,
die zum ersten engen Unterstützerkreis von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gehörten, und ihnen beim
Leben in der Illegalität halfen, sowie Neonazis aus dem
militanten »Blood&Honour«-Spektrum und den sächsischen Strukturen der Hammerskin Nation. Nur ein
sehr geringer Prozentsatz der Belegschaft war nicht in
Neonazistrukturen aktiv oder einschlägig polizei- und
justizbekannt.
Von der EG Trio des BKA wurden 16 Personen ermittelt,
die beim Bauservice M. in den Jahren 2000 und 2001 beschäftigt waren. Zu diesen Beschäftigten gehörten u.a.:
M. He.: Über ihn liegen folgende kriminalpolizeiliche
Erkenntnisse vor: Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, gefährliche Körperverletzung, Körperverletzung räuberische Erpressung
und Volksverhetzung; am 12. Juli 2013 wird er auf dem
Polizeirevier Mittweida zu seiner Tätigkeit bei Bauservice M. vernommen, er hat in den Jahren 2001 bis 2002
ein Jahr lang in der Baufirma gearbeitet und war bei
seiner Vernehmung mit einem T-Shirt mit der Rückenaufschrift »Alle gegen Alle – Sport frei« bekleidet. In
einem Vermerk der Polizei dazu heißt es, dass es sich
hierbei um Bekleidung der Hooligan-Szene handelt.
Nach Erkenntnissen der Polizei-Dienststelle ist er in der
Kampfsportszene verwurzelt und steht der Chemnitzer
»HoNaRa«-Bewegung nahe.
Auf seinem frei zugänglichen Facebook-Account posierte er – offensichtlich in Thailand - mit Badeschlappen
und einer Maschinenpistole.
S.K. (Auerbach): Er war am 6. August 1994 zusammen
mit Uwe Mundlos und weiteren 25 Neonazis – darunter
u.a. Henrik L. und Enrico R. - an einem neonazistischen
Treffen in Straubing (Bayern) beteiligt; gegen die Teilnehmer wurde wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermittelt; seit 1998 ist er Mitglied bei den »Hammerskins« Sachsen; 2002 wird gegen ihn u.a. wegen der
Bildung einer kriminellen Vereinigung (»Hammerskins«
Sachsen) ermittelt; er hatte Kontakt mit André Eminger
und zu Thomas Starke; M. kennt er seit der Wende, war
oft mit ihm unterwegs auf Parties, Konzerten und auch
in Ungarn. S.K. räumt bei seiner polizeilichen Vernehmung am 19.07.2013 auf dem Polizeirevier in Auerbach
ein, dass er die Emingers seit mindestens 1995 kennt
und mit ihnen »freundschaftlich verbunden« sei und
auch den Wohnungsgeber des NSU-Kerntrios Matthias
Dienelt aus dieser Zeit kenne. Er erklärt, dass auch
sein »bester Kumpel« C. L. »den einen oder anderen« aus
dem Umfeld des Trios kennen könnte; er erwähnt auch
Kontakte zu Thomas Starke.
C.L. (Auerbach): Zu ihm liegen polizeiliche Erkenntnisse
wegen schweren Diebstahls und Körperverletzung vor;
im Terminplaner von Thomas Starke ist seine Rufnummer verzeichnet. Er war Angehöriger der rechten Szene
in Auerbach, laut Polizei aber ohne bekannt gewordene