Die Fraktion DIE LINKE geht davon aus, dass es sich
hier um eine Schutzbehauptung des M. handelt, die
dessen aktenkundig taktisches Verhältnis zur Wahrheit
widerspiegelt. Zumal M. ein Kennverhältnis mit dem
mutmaßlichen NSU-Kerntrio kategorisch ausschließen
will, während andere Zeug*innen aus den mutmaßlichen sächsischen Unterstützer*innen-Strukturen
erheblich vorsichtiger gesagt haben, sie könnten nicht
ausschließen, die drei einmal auf den vielen von ihnen
besuchten Konzerten oder Partys gesehen zu haben.
Ohnehin ist das Aussageverhalten von M. bei seinen
polizeilichen Vernehmungen seit den 1990er Jahren
bis heute nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE davon
geprägt, dass M. sich offenbar auf den Schutz des BfV
verlässt.
So gab sich M. trotz einer Fahndungsausschreibung
und eines Vollstreckungshaftbefehls der Staatsanwaltschaft Chemnitz kaum Mühe, seinen Aufenthalt in der
Schweiz und sein Facebook Profil unter dem Pseudonym Rolf Rollig zu verbergen. Ebenfalls öffentlich ist das
Facebook Profil eines Zwickauer Bekannten von Rolf
Rollig / M. Bei diesem Bekannten findet sich unter dem
18. November 2011 – knapp 14 Tage der nach Selbstenttarnung des mutmaßlichen NSU-Kerntrios - der folgende Eintrag von Rolf Rollig »Trink ordentlich Heil NSU ...
hahaha«.91
Auf die Aussage des Zeugen Arne Andreas Ernst in
der Fernsehdokumentation der ARD reagierte M. mit
einer Strafanzeige gegen den Zeugen bei der Staatsanwaltschaft Tutzing. Dort bestritt M. erneut, Mundlos
gekannt oder gar beschäftigt zu haben.
Im Oktober 1999 wurde M. vernommen, weil es einen
anonymen Hinweis gab, dass er an der gewaltsamen
Tötung des 17-jährigen Punks Patrick Thürmer durch
neonazistische Hooligans und Türsteher am 2. Oktober
1999 in Oberlungwitz beteiligt gewesen sei.92 M. sagte
dann in der polizeilichen Vernehmung den bemerkenswerten Satz, »Ich kann nicht sagen, wer mir so eine Sache unterschieben will. Das stimmt nicht. Ich habe viele
Feinde, viele sind neidisch. Früher ging es mir nicht so
gut, heute bin ich ein gemachter Mann.«93 Zwei Monate
später, auch das ist aktenkundig, meldete M. seinen
Bauservice an und beschäftigte interessanterweise
genau diejenigen, von denen er in der polizeilichen
Vernehmung am 13.10.1999 angab, er würde sie gar nicht
kennen: z.B. T. H., den Leiter einer gleichnamigen Security Firma aus Chemnitz, für die auch die Zeugin K.B.
und langjährige Angestellte des M. arbeitete. Gemeinsam mit M. und Jan Werner war auch T. H. im Zusammenhang mit der Fahndung nach Mundlos, Böhnhardt
und Zschäpe schon in 2002 vom LKA Sachsen gegenüber den Thüringer Ermittlern und dem LfV Thüringen
genannt worden.94

vgl. Zeuge KHK Lehmann, Protokoll der 21. Sitzung vom 2. Juni 2016
vgl. Kapitel VIII, bbb) M. und die Ermittlungen im Fall der Tötung des
Patrick Thürmer
93
ebenda
94
vgl. Vgl. BT-Drs. 17/14600, S. 410f.

Im Januar 2002 hatte das LKA Sachsen die Kollegen des
LKA Thüringen, die da noch mehr oder weniger intensiv
nach Unterstützern von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe suchten, auf die enge Verbindung zwischen M. und
Jan Werner hingewiesen. Unter dem Betreff: »Fahndung
nach Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe, hier: mögliche
Unterstützer in Sachsen« werden zum einen SecurityFirmen mit Neonazi-Verbindungen beschrieben, darunter die H-Security von M.s Freund und zeitweiligen beim
Bauservice Angestellten T. H. Unter der Überschrift »Jan
Werner«, der sich zu diesem Zeitpunkt in der JVA Oldenburg in Haft befand, wird dann auch M. erwähnt, über
den gute Verbindungen in den Bereich der Zwickauer
Szene bestünden. M. betreibe einen Klamottenladen
(hauptsächlich Lonsdale und Springerstiefel) in Zwickau. Für gute Kumpels aus der Szene bezahle er auch
mal schnell den Anwalt.95
Die Fraktion DIE LINKE stellt zudem fest, dass M. auch
schon die Erfahrung gemacht hatte, dass Zwickau ein
guter Ort für »Kameraden« war, die sich der Strafverfolgung entziehen wollten. Ein guter Bekannter aus seiner
niedersächsischen Zeit, Thorsten Heise, hatte sich
1990/1991 nach zwei schweren Gewalttaten – einen Angriff auf einen libanesischen Asylsuchenden und einen
Schüler – zeitweilig auf der Flucht befunden und war in
dieser Zeit auch in Zwickau untergekommen,96 bevor er
dann Anfang 1991 in Berlin festgenommen wurde. Thorsten Heise selbst schildert dies in einem Text in dem
vom Zeugen Michael S. herausgegebenen Zeitschrift
Sonnenbanner: »... [ich] tauchte in den Untergrund ab!
Da gerade auch die Mauer gefallen war, ging ich nach
Ost-Berlin. Aus der Deckung baute ich die FAP-Berlin und
die FAP-Leipzig auf. ... Anfang 91 wurde ich dann durch
ein Zivilfahndungskommando in Berlin verhaftet. Ich war
von einem VS-Spitzel verraten worden.« 97 Wenig später
geht Thorsten Heise als Söldner an der Seite faschistischer Milizen nach Kroatien.
Exkurs: Die Firma Bauservice M.
Die Firma bestand vom 1. Juli 2000 bis zum 4. März 2002.
98
In der Firma »Bauservice M.« wurden von M. in diesem Zeitraum an die 30 Personen beschäftigt. Bis auf
wenige Ausnahmen bestand die Anzahl der Beschäftigten im Wesentlichen aus Neonazis. Die Fluktuation
unter den Beschäftigten war sehr groß.99 Aufträge für
sein Bau- und Abrissunternehmen erhielt M. vor allem
von dem Zwickauer Bauunternehmer Fliegerbauer.
Wichtige Aufträge erhielt M. vor allem in Zwickau, Eisenhüttenstadt, Dresden, Berlin und Plauen, aber auch
in München und Nürnberg sowie Markt-Erlbach.

ebenda
vgl. Protokoll 33. Sitzung, S. 49, n.ö.
97
vgl. Aust/Laabs, »Heimatschutz«, S. 153
98
vgl. MAT-A-GBA-20/7 Ordner 1
99
vgl. MAT-A-GBA-20/7, S.114

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