Bauservice M. gemeinsam zu Baustellen nach München
anreisten, mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit um
Uwe Böhnhardt gehandelt haben könnte. Die Person,
die der Zeuge P. Pl. bei der Lichtbildvorlage durch das
BKA als Uwe Böhnhardt und Fahrer des T4 identifizierte, hätte im Gegensatz zu den anderen Bauarbeitern
keine Tätowierungen bis an den Hals gehabt und keinen
Alkohol getrunken. Diese Wiedererkennung wurde
durch das BKA in einem zusammenfassenden Vermerk
an die Bundesanwaltschaft zu den zunächst auf die
Autoanmietungen des Bauservice M. konzentrierten
Vernehmungen ehemaliger Angestellter des Bauservice
M. im Mai 2013 jedoch gar nicht mehr erwähnt. In seiner
Zeugenaussage vor dem Untersuchungsausschuss der
18. Wahlperiode bezeichnete Oberstaatsanwalt beim
BGH Jochen Weingarten bei seiner Bewertung der
Zeugenaussage des P.Pl. diese als wenig stichhaltig.80
Denn der Zeuge P.Pl. habe als Wiedererkennungsmerkmal des Uwe Böhnhardt eine Tätowierung bis zum Hals
angegeben. Der Zeuge P.Pl. hatte allerdings genau das
Gegenteil beim BKA ausgesagt.
Die zweite Wiedererkennung von Mundlos als zeitweiligen Arbeiter beim Bauservice M. erfolgte bei Lichtbildvorlagen in den Monaten Mai, Juli, September und
Oktober 2016, nachdem der Zeuge Arne Andreas Ernst
anhand einer Fotovorlage durch Journalisten der »Welt«
im April 2016 in einer Fernsehdokumentation ausgesagt
hatte, er erkenne auf dem Foto von Mundlos aus dem
Jahr 2004 einen Arbeiter des Bauservice M., den er
als Vorarbeiter oder Ansprechperson bei zwei Baustellen in Zwickau erlebt hätte.81 Der Zeuge hat diese
Aussage auch gegenüber dem BKA und dem Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode getätigt. Der als
Zeuge geladene Oberstaatsanwalt beim BGH Jochen
Weingarten und das BKA bewerteten die Aussage des
Zeugen als frei von Belastungstendenzen. »Wir haben
weder bei Herrn Ernst noch bei Herrn O. irgendwelche
Anhaltspunkte dafür, dass die interessegeleitete Aussagen machen oder ein Irreführungsbewusstsein haben
(...) Glaubwürdigkeitsmängel erkennen wir nicht. Die
Beamten haben mir auch berichtet, dass im persönlichen
Kontakt keine Anzeichen für irgendwelche Konfabulationstendenzen oder sonstige Unzuverlässigkeiten zu erkennen gewesen wären«, sagte Oberstaatsanwalt beim
BGH Jochen Weingarten in seiner Befragung durch den
Ausschuss der 18. Wahlperiode am 9. Juni 2016.82
Zwei der drei Wiedererkennungsmerkmale, die der
Zeuge angegeben hatte, werden vom BKA und der
Bundesanwaltschaft in den nachfolgenden Ermittlungen und Abschlussvermerken in 2016 in Frage gestellt: Den vom Zeugen Arne Andreas Ernst als Wiedererkennungsmerkmal angegebenen »Ziegenbart«
und die »zwei Warzen« im Schläfenbereichen des
Gesichts der Person, die der Zeuge als Uwe Mundlos
wiedererkannt hat. Das BKA ist der Ansicht, bei den
vgl. Protokoll der Befragung des Zeugen Jochen Weingarten vom 9.
Juni 2016, 23. Sitzung
81
vgl. Dirk Laabs/Stefan Aust »Der NSU-Komplex: Die Jagd auf die Terroristen«, ARD Dokumentation vom 6. April 2016, http://bit.ly/2yTogtk
82
vgl. Protokoll der Befragung des Zeugen Jochen Weingarten vom 9.
Juni 2016, 23. Sitzung
80
»Warzen« habe es sich um temporäre Hautveränderungen gehandelt, die lediglich auf den Urlaubsfotos
von Mundlos aus dem Jahr 2004 zu erkennen seien.
In Bezug auf das Wiedererkennungsmerkmal »Ziegenbart« betonen BKA und Generalbundesanwaltschaft,
dass Uwe Mundlos zwar auf Fotos aus dem Jahr 2004
und auch auf Fotos von Urlaubsbekanntschaften
aus dem Jahr 2008 einen so genannten Ziegenbart
trage, es aber keine Fotos von Uwe Mundlos aus dem
Jahr 2000/2001 gebe, anhand derer nachgewiesen
werden könne, dass dieser im fraglichen Zeitraum
des mutmaßlichen Kontakts mit dem Zeugen Arne
Andreas Ernst auch einen »Ziegenbart« getragen
habe. Die Fraktion DIE LINKE kritisiert in diesem
Zusammenhang, dass die für den Komplex M. zuständigen BKA-Ermittler die dort vorliegenden Akten
der »BAO Bosporus« zu den Mordermittlungen nach
dem Mord an Abdurrahim Özüdogru am 13. Juni 2001
offenbar nicht kannten. Denn nach dem Mord war ein
Phantombild eines der mutmaßlichen Tatbeteiligten
gefertigt worden, das einen Kinn- bzw. Ziegenbart
aufweist. In den Akten der damaligen BAO Bosporus
befindet sich auch die Aussage einer Kioskbesitzerin
aus der unmittelbaren Nachbarschaft der Schneiderei von Abdurrahim Özüdogru in Nürnberg. Sie hatte
sich wenige Tage nach dem Mord an Abdurrahim
Özüdogru am 13. Juni 2001 in Nürnberg anhand des
Phantombildes in einer polizeilichen Aussage vom 18.
Juni 2001 explizit im Zusammenhang mit dem Tattag
an einen Mann mit »Ziegenbart« erinnert, der kurz vor
dem Mord ihren Laden betreten hatte.83 Die Zeugin
ist in der Anklageschrift der Bundesanwaltschaft
gegen den NSU aufgeführt.
Der Zeuge Arne Andreas Ernst hat als drittes Wiedererkennungsmerkmal angegeben, der von ihm als Uwe
Mundlos identifizierte Arbeiter des Bauservice M. habe
seinen »Heimatdialekt« gesprochen. Anhand der vorliegenden BKA-Zeugenaussage des Arne Andreas Ernst ist
es unstrittig, dass dieser in Jena geboren wurde.
Darüber hinaus hat ein zweiter Bauleiter, der mit dem
Bauservice M. über einen Zeitraum von mehreren Monaten täglich bei einer Baustelle in Zwickau im Jahr 2001
Kontakt hatte, bei seiner Vernehmung durch das BKA
im Mai 2016 bei einer Lichtbildvorlage, die Fotos ehemaliger Arbeiter des Bauservice M.s beinhaltete, auf einem
Foto Uwe Mundlos als einen ehemaligen Vorarbeiter
wiedererkannt. Zu der Lichtbildvorlage gehört auch ein
Foto eines ehemaligen Angestellten, bei dem BKA und
Bundesanwaltschaft von einer gewissen Ähnlichkeit mit
Mundlos ausgehen und daher die Möglichkeit in Erwägung ziehen, die vier Zeugen könnten diese Person mit
Uwe Mundlos verwechseln. Das Urlaubsfoto des Uwe
Mundlos aus dem Jahr 2004 war auch Teil der Lichtbildvorlage. Der zweite Bauleiter erkannte auf diesem
Foto die Person wieder, mit der er als Vorarbeiter des
Bauservice M. zusammengearbeitet hatte. Dieses Foto
hatte er zuvor auch schon durch Journalisten der »Welt«
vorgelegt bekommen.
vgl. Protokoll der Befragung des Zeugen Jochen Weingarten vom
9. Juni 2016, 23. Sitzung
83
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