Organisation, Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer
kulturellen oder ethnischen Herkunft adäquate und professionelle Dienstleistungen und Service zur Verfügung
zu stellen. Institutioneller Rassismus kann in behördlichen Abläufen, Einstellungen und Verhaltensweisen
aufgezeigt bzw. entdeckt werden, die Diskriminierung
erzeugen und dadurch Minderheiten bzw. bestimmte
Gruppen benachteiligen: durch unabsichtliche Vorurteile, Ignoranz, Gedankenlosigkeit und rassistische
Stereotypisierung.«40 Institutioneller Rassismus liegt
vor, wenn Institutionen rassistische Zuordnungen übernehmen und daraus für die so markierten Menschen
systematische Benachteiligungen folgen. Institutioneller
Rassismus bedeutet nicht, dass notwendigerweise alle
Personen, die in entsprechenden Institutionen arbeiten,
persönlich rassistische Absichten verfolgen. Der Rassismus ist stattdessen oft in Routinen und Regelungen
eingewoben, welche diese Diskriminierung erzeugen,
ohne dass es den Beteiligten auffallen muss.41
In der Beweisaufnahme des zweiten Untersuchungsausschusses des Bundestages zum NSU wurde institutioneller Rassismus anhand der Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden u.a. nach den NSU-Morden an
Mehmet Kubaşik und Halit Yozgat erneut deutlich sichtbar: In seiner Zeugenaussage begründete der leitende
Dortmunder Oberstaatsanwalt Dr. Heiko Artkämper
indirekt einen Teil der polizeilichen Ermittlungsmaßnahmen gegen die Familie von Mehmet Kubaşik mit deren
ethnischer Herkunft und der damit einhergehenden
vermeintlichen Gefahr der »Blutrache«.42 Auch im Fall
des zwei Tage nach Mehmet Kubaşik in Kassel ermordeten Halit Yozgat war ein Teil der polizeilichen Überwachungsmaßnahmen gegen die Familie des Mordopfers
mit der vermeintlichen Prävention von »Blutrache«
begründet worden. Das LfV Hessen hatte mit Verweis
auf Quellenmeldungen behauptet, Mitglieder einer
Kasseler Moscheegemeinde, die vom Vater des Opfers,
İsmail Yozgat, besucht würde, planten Ismail Yozgat zur
Blutrache an dem Verfassungsschützer Andreas Temme
aufzufordern. Daraufhin schrieb das Polizeipräsidium
Kassel am 2. August 2006 einen Vermerk, wonach die
Gefährdung des Verfassungsschützers in »den ethnischkulturellen Hintergründen der Opferfamilien« zu sehen
sei. Die Polizei stellte später dann allerdings fest, dass
İsmail Yozgat – entgegen den Behauptungen des LfV
Hessen - an keinem einzigen Freitagsgebet in jener
Moschee teilgenommen hatte und beendete die Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen der Familie
Yozgat.43 Auch die breit angelegten DNA-Entnahmen bei
Opfern des Kölner Nagelbombenanschlags in der KeuZitiert aus »The Stephen Lawrence Inquiry«, S. 49, Punkt 6.34,
http://bit.ly/1Csls0u, Übersetzung Heike Kleffner
41
Parallelbericht zum 19.-22. Staatenbericht der Bundesrepublik
Deutschland an den UN-Ausschuss zur Beseitigung rassistischer Diskriminierung (CERD) »Institutioneller Rassismus am Beispiel des Falls
der Terrorgruppe NSU (NSU) und notwendige Schritte, um Einzelne und
Gruppen vor rassistischer Diskriminierung zu schützen«, eingereicht von
einer Gruppe von Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaftler*innen
und Nebenklagevertreter*innen im NSU-Prozess am OLG München,
http://bit.ly/2yaCNUc, S. 3f
42
vgl. Zeuge Dr. Heiko Artkämper, Protokoll Nr. 41 vom 1. Dezember
2016
43
vgl. BT-Drs. 17/14600, S. 732
40
22
pstraße im Juni 2004, denen teilweise schwer verletzt
unmittelbar nach dem Anschlag und ohne umfassende
Belehrung DNA entnommen wurde, ist nach Ansicht der
Fraktion DIE LINKE Ausdruck eines auf institutionellem
Rassismus basierenden Generalverdachts gegen die
Opfer des Anschlags alleine aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Herkunft.
Die Bundesrepublik Deutschland hat das internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form
rassistischer Diskriminierung vom 7. März 1966 (CERD)
ratifiziert. In diesem Rahmen unterrichtet die Bundesregierung den UN-Ausschuss zur Beseitigung rassistischer
Diskriminierung (CERD) regelmäßig über die Maßnahmen, die staatliche Stellen zur Verhinderung und Beseitigung von rassistischer Diskriminierung ergreifen. Die
unabhängigen Fachleute des UN-Ausschusses formulieren Einschätzungen und Empfehlungen, nachdem sie
Vertreter*innen der Bundesregierung und von Menschenrechtsorganisationen angehört haben.
Der Parallelbericht zum 19.-22. Staatenbericht der
Bundesrepublik Deutschland an den UN-Ausschuss
zur Beseitigung rassistischer Diskriminierung (CERD),
eingereicht von einer Gruppe von Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaftler*innen und
Nebenklagevertreter*innen im Prozess am OLG
München, betont die vom ersten Bundestagsuntersuchungsausschuss der 17. Wahlperiode herausgearbeiteten Beispiele für rassistisch motiviertes Fehlverhalten
bei den Ermittlungen in der Česká-Mordserie. Unter
anderem heißt es in dem Bericht: »In der Ermittlungsarbeit zum ‚NSU‘ kommt auch offen rassistisches
Denken zum Ausdruck, beispielsweise heißt es in einer
operativen Fallanalyse des Landeskriminalamtes BadenWürttemberg vom 30. Januar 2007 in Bezug auf die
Charakterisierung des Täters der Mordserie: ‚Vor dem
Hintergrund, dass die Tötung von Menschen in unserem
Kulturraum mit einem hohem Tabu belegt ist, ist abzuleiten, dass der Täter hinsichtlich seines Verhaltenssystems
weit außerhalb des hiesigen Normen- und Wertesystems
verortet ist.‘44 In dem Ermittlungsverfahren zum Mord
an der Polizistin findet sich eine Vielzahl rassistischer
Stereotype und Bezeichnungen. So wird in einem LKABericht die Bewertung eines Psychologen affirmativ
wiedergegeben, in dem es über einen verdächtigten
Roma-Angehörigen heißt, der Mann sei ‚ein typischer
Vertreter seiner Ethnie‘, was bedeute, dass ‚die Lüge
ein wesentlicher Bestandteil seiner Sozialisation‘ ist.
Diese nur ausschnitthaft skizzierten offen und strukturell
rassistischen Denk- und Handlungsstrukturen, durch die
die Ermittlungen gekennzeichnet waren, wurden in keinem der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse
bisher als solche ausdrücklich benannt und somit auch
nicht aufgearbeitet. Das gibt begründeten Anlass zu der
Annahme, dass die Ermittlungsbehörden bis heute auch
in anderen Fällen fortlaufend einseitig ermitteln. Statt
einer Aufarbeitung wird in einem offiziellen Bericht des
Innenministeriums Baden-Württemberg vom 31. Januar
2014 der oben genannte polizeiliche Bericht aus dem Jahr
2007 gerechtfertigt: ‚Trotz der seinerzeit sehr schmalen
44
vgl. BT-Drs. 17/14600, S. 578