und in den »Hammerskin«-Chaptern in Thüringen und
Sachsen über die Unterstützung des mutmaßlichen
NSU-Kerntrios durch Dutzende polizei- und verfassungsschutzbekannter Neonazis in Thüringen, Sachsen
und Brandenburg? Gab bzw. gibt es V-Leute und/oder
V-Mann-Führer, die Informationen über die Bewaffnung
des NSU, dessen Raubüberfälle und/oder die rassistische Mord- und Anschlagserie hatten? Und wenn ja,
was ist mit diesem Wissen jeweils passiert? Haben
neonazistische V-Leute wie der Zwickauer Neonazi M.14
alias V-Mann »Primus« und der Zeuge Michael S. alias
»Tarif« des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der
Thüringische Neonazi und V-Mann Marcel D. (VM 2100)
des LfV Thüringen und ein V-Mann des LfV Sachsen in
der sächsischen »Blood&Honour«-Struktur, ihr Wissen
verheimlicht und ihre V-Mann-Führer angelogen?
Und welche Schritte haben die Ermittlungsbehörden
nach dem 4. November 2011 unternommen, um die
Unterstützer*innen des NSU-Netzwerks und die Rolle
der V-Leute auszuermitteln?
Darüber hinaus hatte sich der Untersuchungsausschuss
mit der Arbeit der Ermittlungsbehörden ab dem 4.
November 2011 in Eisenach und Zwickau befasst, um
Fragen nachzugehen, inwieweit es nach dem Auffinden
des Wohnmobils mit den Leichen von Uwe Böhnhardt
und Uwe Mundlos sowie der Brandstiftung in der langjährigen Wohnung des mutmaßlichen NSU-Kerntrios in
der Frühlingsstraße 26 zu Fehlern, Auffälligkeiten oder
gar Vertuschungsversuchen gekommen ist.

Große Erwartungen, schwierige Bedingungen
Die Erwartungen zu Beginn des zweiten NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag aber auch die
Skepsis waren groß: Würde es den zwölf regulären
Mitgliedern des Ausschusses gelingen, Antworten auf
die oben genannten zentralen offenen Fragen zu finden,
die den NSU-Komplex seit der Selbstenttarnung des
»Nationalsozialistischen Untergrunds« am 4. November
2011 durchziehen?15 Und würde der Untersuchungsausschuss – trotz des erneuten Festhaltens am Prinzip
der fraktionsübergreifenden Zusammenarbeit und der
Einstimmigkeit bei Beschlüssen – seinen
Doppelcharakter wahren können? Als Organ zur Tatsachenfeststellung einerseits. Dazu hat jeder Untersuchungsausschuss besondere gerichtsähnliche Befugnisse, von denen der NSU-Untersuchungsausschuss des
Bundestages in der 18. Legislaturperiode u.a. auch mit
der Ladung von Zeugen aus dem Umfeld des Neonazis
und V-Mannes M.16, aus dem frühen Helfer*innenkreis
des mutmaßlichen NSU-Kerntrios und von dem langjährigen V-Mann und Zeugen Michael S. alias »Tarif”
Gebrauch machte. Und andererseits als Instrument
parlamentarischer Kontrolle und damit der politischen
Bewertung von Fakten und der Auseinandersetzung
zwischen Regierung und Opposition?17
Im Gegensatz zum ersten NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages, dessen Sitzungen von einer
intensiven medialen Berichterstattung und öffentlichen
Aufmerksamkeit begleitet wurden und der de facto
vor dem Beginn des Prozesses am OLG München das
erste Narrativ zum NSU-Komplex und dem behördlichen Handeln zur Verfügung stellte, fiel der Beginn des
zweiten NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag
mit einem Abflauen des öffentlichen Interesses am
NSU-Komplex und einer in der Öffentlichkeit überwiegenden Haltung zum Thema zusammen, die zwar von
erheblichen Misstrauen gegen die offiziellen Deutungsmuster staatlicher Akteure – insbesondere der
Verfassungsschutzämter - bestimmt ist, aber immer
komplexer werdenden Detailzusammenhängen und
Handlungssträngen zu den einzelnen Tatorten, mutmaßlichen Unterstützern und V-Personen in zwölf parlamentarischen Untersuchungsausschüssen und nach mehr
als vier Jahren Hauptverhandlung gegen Beate Zschäpe
und ihre Mitangeklagten am OLG München nicht mehr
folgen kann – oder will.

Vgl. Untersuchungsausschuss zum NSU eingesetzt, 11. November
2015, http://bit.ly/2fWZ6ms
16
Das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundesinnenministerium haben im Fall des Neonazis und V-Mannes M. alias »Primus” darauf
bestanden, dass dessen Vor- und Nachname als M. im Abschlussbericht
des Bundestagsausschusses abgekürzt wird, obwohl in den öffentlichen
Sitzungen der Name ungehindert genannt wurde. Die Fraktion DIE LINKE
übernimmt für das Fraktionsvotum nur deshalb die Abkürzung M., weil
das Fraktionsvotum Bestandteil des Gesamtberichts ist.
17
Vgl. Prof. Dr. Christoph Gusy, Reform der Sicherheitsbehörden, ZRP
2012, 230 - beck-online
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Das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundesinnenministerium haben im Fall des Neonazis und V-Mannes M. alias »Primus” darauf
bestanden, dass dessen Vor- und Nachname als M. im Abschlussbericht
des Bundestagsausschusses abgekürzt wird, obwohl in den öffentlichen
Sitzungen der Name ungehindert genannt wurde. Die Fraktion DIE LINKE
übernimmt für das Fraktionsvotum nur deshalb die Abkürzung M., weil
das Fraktionsvotum Bestandteil des Gesamtberichts ist.
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