sen. Der Flächenbrand rassistischer Gewalt und Hetze
der letzten zwei Jahre und der Aufstieg rassistischer Parteien und Bewegungen wie der AfD und Pegida haben
die Dringlichkeit der Auseinandersetzung mit Rassismus
noch einmal verdeutlicht. Institutioneller Rassismus als
Teilphänomen des Rassismus ist eine der wesentlichen
Ursachen dafür, dass die Fahndung nach den Tätern
der so genannten Česká-Mordserie erfolglos verlief und
die Angehörigen der Mordopfer und die Verletzten der
Bombenanschläge des NSU stigmatisiert und kriminalisiert wurden. Die Fraktion DIE LINKE schlägt vor, dass
der Bundestag sich am Beispiel des Thüringer Landtages orientieren sollte, der im Januar 2017 eine EnqueteKommission Rassismus eingesetzt hat.
3. Amtshaftung für strafbares Verhalten von VLeuten und Billigkeitsentschädigung der Opfer
von gewalttätigen V-Leuten durch das jeweilige
Innenministerium.
Die Fraktion DIE LINKE fordert, dass das Bundesinnenministerium das überlebende Opfer des Angriffs des
langjährigen V-Mannes »Tarif« mit einer Billigkeitsentschädigung in Höhe von 25.000 Euro entschädigt. Der
Betroffene wurde im Jahr 1991 vom Zeugen Michael S.
bei einem politisch rechts motivierten Angriff schwer
verletzt und leidet bis heute an den Angriffsfolgen.
Die Summe der geforderten Billigkeitsentschädigung
entspricht der Schmerzensgeldzahlung, die dem Opfer
durch eine zivilrechtliche Klage zugesprochen und
vom langjährigen V-Mann »Tarif« des BfV bis heute
nicht gezahlt wurde. Die Fraktion DIE LINKE verweist
hier ausdrücklich auf das Beispiel des Innenministeriums Brandenburg, das für die gerichtlich festgelegten
Schmerzensgeldansprüche des Opfers des langjährigen
V-Mannes »Piatto« des LfV Brandenburg nach dem
Ende von dessen V-Mann-Tätigkeit in Höhe von 25.000
Euro aufkam. Im Fall des Opfers des Zeugen Michael
S. existieren dieselben rechtlichen Voraussetzungen,
unter denen das Innenministerium Brandenburg die
Schmerzensgeldzahlungen übernahm: Eine rechtskräftige Verurteilung des V-Mannes, eine zivilrechtliche
Entscheidung über Schmerzensgeld sowie ein durch
das Opfer bzw. seinen gesetzlichen Vertreter vollstreckbarer Titel für die Schmerzensgeldansprüche.
Die Fraktion DIE LINKE fordert über die individuelle Entschädigung des Opfers von V-Mann »Tarif« hinaus das
Prinzip der Amtshaftung für strafbares Verhalten von VLeuten anzuwenden und eine entsprechende Richtlinie,
wonach Opfer von gewalttätigen V-Personen des Bundesamtes für Verfassungsschutz und der Landesämter
durch die jeweilige Innenbehörde eine bedingungslose
Billigkeitsentschädigung in solchen Fällen enthalten,
in denen die V-Leute eine entsprechende Schadensersatz- oder Schmerzensgeldzahlung unterlassen oder
verweigern.4
Die Fraktion DIE LINKE weist ausdrücklich darauf hin,
dass es eine Reihe von Fällen von gewalttätigen Vvgl. auch Fraktionsvotum DIE LINKE im ersten NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages«, BT-Drs. 17/14600, S. 1005f.
4
Leuten gibt – dazu gehört u.a. der langjährige V-Mann
des LfV Thüringen, Tino Brandt –, die aufgrund von
Interventionen von Behördenvertretern der jeweiligen
Verfassungsschutzämter bei den Strafverfolgungsbehörden nicht für schwere Straf- und Gewalttaten
verurteilt wurden. Die Fraktion DIE LINKE regt daher an,
dass die Länder anhand der vorliegenden Akten mit den
betroffenen Opfern Kontakt aufnehmen und ihnen – je
nach Schwere der Nachtatfolgen – individuelle Entschädigungs- und Hilfsangebote machen.
4. Abschaffung des V-Leute-Systems und Auflösung des Bundesamtes für Verfassungsschutz
zugunsten einer Koordinierungsstelle des
Bundes sowie einer Bundesstiftung »gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit«.
Als Konsequenz aus der Verantwortung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und seiner neonazistischen
V-Leute im NSU-Komplex muss der Einsatz von V-Leuten in der Neonaziszene sofort beendet werden. Das
V-Leute-System ist nicht reformierbar. Die 2015 verabschiedeten Reformen im Bundesverfassungsschutzgesetz ändern nichts daran, dass V-Leute auch in Zukunft
Neonazistrukturen aufbauen, anführen und stützen,
die dann Geflüchtete, Migrant*innen und politische
Gegner*innen sowie engagierte Bürger*innen angreifen
und bedrohen.
Angesichts der strukturellen Defizite, Fehler und
Rechtsverstöße ist die Auflösung des nachrichtendienstlich arbeitenden Verfassungsschutzverbundes in
der Bundesrepublik sowohl politisch als auch rechtlich
geboten. Dies umso mehr, als die Zentralisierung des
Verfassungsschutzverbundes zugunsten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, dessen erweiterte
Macht- und Auswertungsbefugnisse sowie die Mittelerhöhungen seit der Selbstenttarnung des »Nationalsozialistischen Untergrunds« eine Behörde belohnen, die
sich als nicht reformierbar erweist. Die Innenminister
des Bundes und der Länder verfestigen nach der kurzen, schweren Krise der Verfassungsschutzämter seit
2012 beharrlich genau deren wesentliche Bausteine.
Eine durch Bundesgesetz zu errichtende »Koordinierungsstelle des Bundes zur Dokumentation neonazistischer, rassistischer und antisemitischer Einstellungen
und Bestrebungen sowie sonstiger Erscheinungsformen
gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit« (kurz: »Koordinierungsstelle zur Dokumentation gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit«) ersetzt nach einer Aufbauphase das aufzulösende »Bundesamt für Verfassungsschutz« als Zentralstelle des Bundes für Zwecke des
Verfassungsschutzes nach Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG. Die
Koordinierungsstelle betreibt selbst keine inhaltliche
Auswertung und Aufbereitung entgegengenommener
Informationen und Erkenntnisse. Diese obliegt einer
neu zu errichtenden »Bundesstiftung zur Beobachtung,
Erforschung und Aufklärung aller Erscheinungsformen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit« (kurz:
Bundesstiftung zur Beobachtung und Erforschung
gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit). Die
Fraktion DIE LINKE begrüßt in diesem Zusammen11