Zentrale Forderungen und Schlussfolgerungen der Fraktion
DIE LINKE aufgrund der Ergebnisse der Beweisaufnahme
1. Ein Untersuchungsausschuss »Rechtsterrorismus und Geheimdienste« sollte nach Ansicht
der Fraktion DIE LINKE im kommenden Bundestag der 19. Wahlperiode zur weiteren Aufklärung
im NSU-Komplex beitragen sowie das Handeln
der Geheimdienste in aktuellen, schweren
Fällen neonazistischer Gewalttaten und bei
bislang nur unzureichend aufgeklärten neonazistischen Terror-Anschlägen untersuchen.
Ziel eines Untersuchungsausschusses »Rechtsterrorismus und Geheimdienste« muss angesichts der nach wie
vor offenen, zentralen Fragen im NSU-Komplex nach
Ansicht der Fraktion DIE LINKE sein, zu deren weiterer
Aufklärung beizutragen und auf die Vorlage bislang
zurückgehaltener und verweigerter Informationen und
Aktenbestände durch die Geheimdienste zu drängen.
Das Problem, dass das Geheimhaltungsinteresse der
Verfassungsschutzämter und des BND die Aufklärung
schwerster Straf- und Gewalttaten beeinträchtigt und
blockiert, betrifft nicht alleine den NSU-Komplex.
Sondern u.a. auch Morde und Anschläge, die vor
über dreißig Jahren von damaligen Aktivist*innen der
»Wehrsportgruppe Hoffmann« begangen wurden: den
Doppelmord an dem jüdischen Verlegerpaar Shlomo
Lewin und Frida Poeschke im Dezember 1980 in Erlangen sowie das Oktoberfestattentat im September 1980
in München, bei dem dreizehn Menschen getötet und
220 verletzt wurden. Die Bundesregierung weigert sich
bis heute in beiden Fällen, beim Bundesamt für Verfassungsschutz vorliegende Meldungen von V-Leuten zu
den jeweiligen Anschlägen für die Strafverfolgungsbehörden, die Medien und das Parlament freizugeben.2
Mit dem anhaltenden Schutz der Identität der V-Leute
wird es zudem für die Strafverfolgungsbehörden
erschwert oder unmöglich gemacht, die V-Leute als
Zeugen oder Beschuldigte zu vernehmen. Daher sollte
ein Ziel eines Untersuchungsausschusses »Rechtsterrorismus und Geheimdienste« auch sein, bei den In- und
Auslandsgeheimdiensten die Vorlage aller vorhandenen
Informationen im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat und dem Erlanger-Doppelmord an die Strafverfolgungsbehörden und das Parlament zu erwirken.
Die Fraktion DIE LINKE und die Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen haben aufgrund der anhaltenden Weigerung
des BfV, offen zu legen, welche Informationen dort
von V-Leuten in der »Wehrsportgruppe Hoffmann« zum
Oktoberfestattentat vorlagen und ob es sich bei dem
1981 in der Untersuchungshaft verstorbenen Neonaziwaffendepothüter Heinz Lembke um einen V-Mann
handelte, im März 2015 Organklage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Eine Entscheidung steht
vgl. u.a. Kleine Anfrage der Abgeordneten Martina Renner und der Fraktion DIE LINKE zu Erkenntnissen zum Erlanger Doppelmord an Frieda
Poeschke und Shlomo Lewin, BT-Drs. 18/11602, http://bit.ly/2kzEtBO.
»Neonazi erschoss Rabbiner, Verfassungsschutz hält Akten zurück«, Bild
vom 19.5.2017
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bislang noch aus. Im Kern geht es bei der Klage jedoch
darum, ob der Rechtsstaat und seine Ansprüche bei
der Strafverfolgung hinter den Quellenschutzinteressen
der Geheimdienste zurückzustehen haben. Oder ob das
Aufklärungsinteresse und -recht des Parlaments und
der Strafverfolgungsbehörden angesichts der Schwere
der Straftat höher zu bewerten ist als das Prinzip des
Quellenschutzes. Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann daher eine erhebliche Bedeutung
auch für den NSU-Komplex zukommen.3
Ein Untersuchungsausschuss »Geheimdienste und
Rechtsterrorismus« würde die Bedeutung der umfassenden und vollständigen Aufklärung von Behördenhandeln und –wissen im NSU-Komplex und weiteren
schweren Fällen rechtsterroristischer Gewalt unterstreichen. Mit dem Prinzip »Quellenschutz vor Strafverfolgung« tragen die Geheimdienste – allen voran das
Bundesamt für Verfassungsschutz - auch Jahrzehnte
nach den jeweiligen Taten dazu bei, die Straflosigkeit
für Täter*innen und Mittäter*innen zu ermöglichen und
rechtsstaatliche Prinzipien auszuhöhlen.
2. Die Einrichtung einer Enquete-Kommission
Rassismus im kommenden Bundestag der 19.
Legislaturperiode ist nach Ansicht der Fraktion
DIE LINKE notwendig, um die politische und
gesellschaftliche Wahrnehmung des Problems
zu schärfen und effektive Maßnahmen gegen
institutionellen Rassismus zu erarbeiten .
Die Fraktion DIE LINKE fordert als Konsequenz aus dem
NSU-Komplex die Einsetzung einer Enquete-Kommission
Rassismus im Bundestag der 19. Legislaturperiode, die
das Ausmaß, die Wirkungsmechanismen und Möglichkeiten der effektiven Auseinandersetzung mit Rassismus
allgemein und institutionellem Rassismus bei der Polizei
und anderen Organen der Exekutive im Besonderen
untersucht und Handlungsempfehlungen erarbeitet.
Zahlreiche Untersuchungen der letzten Jahre, so z.B. die
von Wilhelm Heitmeyer u.a. über zehn Jahre vorgelegte
Langzeitstudie »Deutsche Zustände« haben die Bedeutung rassistischer Ideologie und ihre Verankerung bei
größeren Teilen der deutschen Bevölkerung nachgewieDie Fraktionen DIE LINKE und Bündnis 90/Die Grünen haben 19. Mai
2015 wegen der Nichtbeantwortung parlamentarischer Fragen zum
Oktoberfestattentat Organklage gegen die Bundesregierung erhoben.
Die Fraktionen wollten von der Bundesregierung wissen, · ob »Heinz
Lembke ein V-Mann einer (gegebenenfalls welcher) Sicherheitsbehörde
des Bundes oder – nach Kenntnis der Bundesregierung – eines Landes«
war (Frage 2. a) auf BT-Drs. 18/3117); wie viele Quellenmeldungen
aus welchen Jahren zum Oktoberfestattentat im BfV vorliegen (Fragen
14-16 auf BT-Drs. 18/3985); wie viele Quellenmeldungen aus welchen
Jahren zur Wehrsportgruppe Hoffmann im BfV vorliegen (Fragen 19-21
auf BT-Drs. 18/3985) und ob die Bundesregierung ausschließen könne,
dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor oder nach dem
Oktoberfestattentat als V-Leute für das BfV, den BND oder ein LfV tätig
waren (Fragen 22-31 auf BT-Drs. 18/3985).
vgl. auch: Waren V-Leute in das Oktoberfestattentat 1980 verwickelt,
Tagesspiegel Online vom 20. Mai 2015, http://bit.ly/2fVmoJf
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