Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
6.
Drucksache 17/8638
–7–
Einsatz technischer Mittel zur Ermittlung
des Standortes eines aktiv geschalteten
Mobilfunkendgerätes oder zur Ermittlung
der Geräte- und Kartennummern
(IMSI-Catcher)
Grundlage der IMSI-Catcher-Einsätze sind § 9 Absatz 4
Satz 1 BVerfSchG, § 3 Satz 2 BNDG und § 5 MADG, wonach BfV, BND und MAD unter den für Auskunftsverlangen im Sinne von § 8a Absatz 2 BVerfSchG geltenden
Voraussetzungen technische Mittel zur Ermittlung des
Standortes eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgerätes
oder zur Ermittlung der Geräte- und Kartennummern einsetzen können (sog. IMSI-Catcher). Ohne den Einsatz des
IMSI-Catchers wäre eine effektive Überwachung der Telekommunikation eines Verdächtigen häufig nicht möglich. Denn hierzu muss die Rufnummer oder eine andere
Kennung des von ihm benutzten Telekommunikationsanschlusses oder die Kennung des Endgeräts bekannt sein
(vgl. § 10 Absatz 3 Satz 3 G 10). Das ist aber nicht immer
der Fall. Benutzt der Verdächtige z. B. ein gestohlenes
Mobiltelefon, so kann durch Observation zwar festgestellt werden, dass er telefoniert, aber nicht unter welcher
Nummer.
Im Berichtszeitraum 2010 kam der IMSI-Catcher in
16 Fällen – jeweils im Bereich des BfV – zum Einsatz.
Die meisten der betroffenen Personen waren zugleich
Hauptbetroffene von G-10-Maßnahmen. Grund für den
IMSI-Catcher-Einsatz waren terroristische Aktivitäten
der Betroffenen, Gefahren für die auswärtigen Belange
der Bundesrepublik Deutschland durch Gewaltanwendung bzw. darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen
sowie Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet waren. In einem Fall
diente der Einsatz des IMSI-Catchers der Aufklärung geheimdienstlicher Tätigkeiten für eine fremde Macht.
Ta b e l l e 7
IMSI-Catcher-Einsätze von 2002 bis 2010
Der IMSI-Catcher erfasst die IMSI (International Mobile
Subscriber Identity) eines eingeschalteten Handys in seinem Einzugsbereich. Die IMSI ist eine weltweit einmalige Kennung, die den Vertragspartner eines Netzbetreibers eindeutig identifiziert. Sie ist auf der sog. SIM-Karte
(SIM = Subscriber Identity Module) gespeichert, die ein
Mobilfunkteilnehmer bei Abschluss eines Vertrages erhält. Mit Hilfe der IMSI können die Identität des Vertragspartners und dessen Mobilfunktelefonnummer bestimmt werden.
Zur Ermittlung der IMSI simuliert ein IMSI-Catcher die
Basisstation einer regulären Funkzelle eines Mobilfunknetzes. Eingeschaltete Mobiltelefone im Einzugsbereich
dieser vermeintlichen Basisstation mit einer SIM des simulierten Netzbetreibers versuchen, sich nun automatisch
beim IMSI-Catcher einzubuchen. Durch einen speziellen
„IMSI-Request“ der „Basisstation“ wird das Mobiltelefon
zur Herausgabe der IMSI veranlasst. Nunmehr kann
durch eine Bestandsdatenabfrage beim jeweiligen Betreiber der Inhaber und die Nummer des genutzten Mobiltelefons festgestellt werden.
Da durch den Einsatz eines IMSI-Catchers aus technischen Gründen regelmäßig auch Daten Dritter erhoben
werden, sind hier besonders hohe Anforderungen an die
Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zu stellen. Der Einsatz ist gemäß § 9 Absatz 4 Satz 2 BVerfSchG nur zulässig, wenn sonst die Ermittlung des Standorts bzw. der Geräte- oder Kartennummer aussichtslos oder wesentlich
erschwert wäre. Er bedarf gemäß § 9 Absatz 4 Satz 6
BVerfSchG der Anordnung durch das Bundesministerium
des Innern, die von der G 10-Kommission zu bestätigen
ist, und zwar – außer bei Gefahr im Verzug – grundsätzlich vor Vollzug der Maßnahme. Die erhobenen Daten
Dritter unterliegen einem absoluten Verwendungsverbot
(§ 9 Absatz 4 Satz 5 BVerfSchG).
7.
2002
3
2003
9
2004
10
2005
10
2006
10
2007
9
2008
14
2009
16
2010
16
Summe
97
Auskunftsverlangen in den Bundesländern
Den Verfassungsschutzbehörden der Länder stehen die
Befugnisse nach § 8a Absatz 2 BVerfSchG nur unter den
in § 8a Absatz 8 BVerfSchG geregelten Voraussetzungen
zu.
Bei Auskunftsverlangen nach § 8a Absatz 2 Nummer 3
bis 5 BVerfSchG (Auskünfte bei Post-, Telekommunikations- und Teledienstleistern) muss der Landesgesetzgeber das Verfahren sowie die Beteiligung der G 10-Kommission des Landes, die Verarbeitung der erhobenen
Daten und die Mitteilung an den Betroffenen gleichwertig
wie in § 8a Absatz 5 BVerfSchG regeln. Ferner muss er
eine dem § 8a Absatz 6 BVerfSchG gleichwertige parlamentarische Kontrolle sowie eine Verpflichtung zur Berichterstattung über die durchgeführten Maßnahmen an
das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundes regeln.
Bei Auskunftsverlangen nach § 8a Absatz 2 Nummer 1
und 2 BVerfSchG (Auskünfte bei Luftfahrtunternehmen
und Finanzdienstleistern) gilt ebenfalls die Verpflichtung
zur gleichwertigen parlamentarischen Kontrolle. Eine
Beteiligung der G 10-Kommission ist – ebenso wie auf
Bundesebene – nicht mehr erforderlich. Auch eine Verpflichtung zur Berichterstattung gegenüber dem Parla-