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schutzes, in denen auch so genannte weiche Daten verarbeitet werden und auf die wegen ihres sensiblen Charakters
bereits im Inland Zugriffsbeschränkungen zugunsten bestimmter Spezialdienststellen bestehen. Eine genauere
Überprüfung ist besonders dann geboten, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der zu übermittelnde Datensatz
unzulässig gespeichert ist. Ich habe gegenüber dem BKA
deutlich gemacht, dass dies künftig stärker zu beachten ist.
Datenschutzrechtlich problematisch sind auch die Datenverarbeitungsmaßnahmen des BKA im Nachgang zu den Ereignissen bei den Gipfeltreffen in Göteborg und Genua.
Dem BKA wurden von den schwedischen bzw. italienischen
Behörden personenbezogene Daten von Personen, die einer
polizeilichen Kontrolle unterzogen worden waren, sowie
von Personen, gegen die vor Ort Ermittlungsverfahren wegen strafbarer Handlungen eingeleitet worden waren, übermittelt. Nach Auskunft des BKA seien Daten von Personen,
gegen die Ermittlungsverfahren eingeleitet worden waren,
vom BKA u. a. in der Verbunddatei des polizeilichen Staatsschutzes gespeichert worden. Daten zu Personen, die lediglich einer polizeilichen Kontrolle unterzogen, gegen die
aber keine weiteren strafprozessualen Maßnahmen durchgeführt worden waren, seien ausschließlich in die Auswertedatei „Global“ (s. Nr. 13.2.2) eingestellt worden. Ich habe
insbesondere Zweifel an der Zulässigkeit der zuletzt genannten Maßnahmen. Die Speicherung von Personen allein
aufgrund des Umstandes, dass sie einer Personenkontrolle
unterzogen und zu ihnen Erkenntnisanfragen an das BKA
gerichtet worden sind, ist weder mit dem Zweck der Datei
„Global“ vereinbar noch ist dies erforderlich zur Erfüllung
der Zentralstellenaufgabe des BKA. Ziel der Auswertedatei
„Global“ ist es, Informationen über Ereignisse sowie Personen im Zusammenhang mit gewalttätigen Aktionen und anderen Straftaten militanter Globalisierungsgegner auszuwerten, um den Polizeien des Bundes und der Länder bei
der Verfolgung und Verhütung der Straftaten mit länderübergreifender, internationaler oder erheblicher Bedeutung
neue Bekämpfungsansätze zu vermitteln. Dies wird von mir
nicht infrage gestellt. Die damit verbundenen Speicherungen dürfen jedoch nicht solche Personen umfassen, zu
denen die Erkenntnisanfragen der ausländischen Polizeibehörden keinen polizeirelevanten Bestand in Deutschland
erbracht haben, die also lediglich von ihrem Recht auf Demonstrationsfreiheit Gebrauch gemacht haben. Die Speicherung dieses Personenkreises in einer polizeilichen Datei ist
nicht zulässig, selbst wenn daraus keine Datenübermittlungen an andere Stellen stattfinden.
Im Hinblick auf die Aufgabe des BKA als Zentralstelle der
Polizeien des Bundes und der Länder kann es erforderlich
werden, von deutschen Staatsbürgern im Ausland begangene Straftaten in den Dateien des polizeilichen Informationssystems nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 BKA-Gesetz zu
speichern, um künftig gleichgelagerte oder ähnliche Straftaten im In- oder Ausland verhüten zu können. Dabei ist allerdings immer auf den konkreten Einzelfall abzustellen. Eine
Körperverletzung oder eine Sachbeschädigung, die im Inland lediglich regionale Bedeutung hätte, wird nicht dadurch zu einer INPOL-relevanten Straftat im Sinne von § 2
Abs. 1 BKA-Gesetz, weil sie im Ausland begangen worden
ist. Maßgebend müssen die Umstände des Einzelfalls unter
Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bleiben.
Vor diesem Hintergrund kann es gerechtfertigt sein, Perso-

nen, die an gewalttätigen Demonstrationen in Göteborg und
in Genua teilgenommen haben und gegen die seitens der
schwedischen bzw. italienischen Behörden Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sind, in den Verbunddateien des
polizeilichen Staatsschutzes zu speichern. Eine besondere
Interessenabwägung ist aber dort zu treffen, wo die Umstände, die zu den Anschuldigungen geführt haben – wie bei
den Festnahmen von Demonstranten in der „Diaz-Schule“
in Genua – zweifelhaft sind. In diesen F��llen hielte ich es
für angemessen, wenn die betreffenden Personen zunächst
nur für eine kurze Dauer in den betreffenden Dateien gespeichert würden und vor deren weiterer Verlängerung zunächst Informationen über den Stand des der jeweiligen
Speicherung zugrunde liegenden Ermittlungsverfahrens bei
den Behörden eingeholt werden müssten. Aus Sicht des
BKA wäre es mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden, regelmäßig nach dem Sachstand im Ausland eingeleiteter Ermittlungsverfahren fragen zu müssen. Hierzu bestehe auch keine gesetzliche Verpflichtung. In der Regel
erfolge eine Nachfrage durch ein Auskunftsersuchen des
Betroffenen. Ergäben sich daraus Anhaltspunkte für eine
Löschung, käme das BKA dieser Verpflichtung gem. § 32
Abs. 2 BKA-Gesetz nach.
Diese Vorgehensweise des BKA wird bei künftigen „Gipfeltreffen“ insbesondere im Hinblick auf ihre Bedeutung in der
Praxis einer eingehenden Beobachtung zu unterziehen sein.
13.6

Rechtstatsachensammelstelle des BKA
ohne Impulse

Auch im Berichtszeitraum hat die Arbeit der beim BKA
eingerichteten Rechtstatsachensammelstelle keine neuen
Impulse erhalten. Gleiches gilt für den Gesprächskreis
„Rechtstatsachen“, der zuletzt im März 1999 zu einem Meinungsaustausch über Initiativen auf dem Gebiet der Rechtstatsachenforschung zusammengetroffen ist. Von der Arbeit
der Rechtstatsachensammelstelle des BKA und meiner Absicht, Gespräche mit dem BMI über geeignete Schritte zur
Verbesserung der Situation zu führen, habe ich im 18. TB
(Nr. 11.9) berichtet. In diesen Gesprächen habe ich vorgeschlagen, das aus dem Jahre 1995 stammende Themenraster, welches der bei der Rechtstatsachensammelstelle geführten Bund/Länder-Fallsammlung zugrunde liegt, der
neueren Entwicklung im repressiven und präventiv-polizeilichen Bereich und den damit verbundenen Datenerhebungsbefugnissen der Polizei anzupassen. Zudem halte ich
es für erforderlich, dass sich künftig alle Länderpolizeien
wieder regelmäßig und umfassend an der Informationsanlieferung beteiligen. Schließlich sollte es der Rechtstatsachensammelstelle über das Sammeln von Rechtstatsachen
hinaus erlaubt werden, eigene Analysen des Informationsmaterials, statistische Auswertungen oder Schwerpunktbildungen innerhalb der angelieferten Falldarstellungen
vorzunehmen. Nur so lassen sich aus meiner Sicht aussagekräftige empirische Erkenntnisse als Basis für Gesetzesinitiativen und -evaluationen durch den Gesetzgeber gewinnen. Langfristiges Ziel muss es aus meiner Sicht sein, die
bestehenden Befugnisse der Polizeien zu Eingriffen in das
Persönlichkeitsrecht ergebnisoffen und ggf. durch eine unabhängige Forschungseinrichtung auf Grundlage der zusammengetragenen Rechtstatsachen überprüfen zu lassen.
Das BMI hat – allerdings unter Hinweis auf die Zuständigkeit der Länder für den Bereich der präventiv-polizeilichen

BfD 19. Tätigkeitsbericht 2001–2002

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