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in Wahrnehmung seiner Zentralstellenfunktion für die Polizeien des Bundes und der Länder erforderlich ist. Nur insofern kann eine bundesweite Verfügbarkeit personenbezogener Daten, die einen Eingriff besonderer Intensität in das
Persönlichkeitsrecht darstellt, als verhältnismäßig angesehen werden. In der Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 1
BKA-Gesetz hat der Gesetzgeber dazu ausgeführt, dass die
INPOL-Relevanz in jedem konkreten Einzelfall gegeben
sein müsse. Für die Feststellung einer Straftat von erheblicher Bedeutung komme es nicht auf den abstrakten Charakter eines Straftatbestandes, sondern vielmehr auf Art und
Schwere der konkreten Tat an. Dabei muss es sich bei der
Anlasstat um ein Delikt handeln, welches mindestens der
mittleren Kriminalität zuzurechnen ist. Vor diesem Hintergrund sind die in dem Straftatenkatalog u. a. aufgezählten
Straftaten der Nötigung, des gefährlichen Eingriffs in den
Straßenverkehr, des Hausfriedensbruchs, des Diebstahls
oder des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte nur in
Ausnahmefällen von erheblicher Bedeutung, sofern sie
nicht länderübergreifend begangen wurden. Meinem Vorschlag, eine Modifizierung der Zweckbeschreibung der jeweiligen Datei dahin gehend vorzunehmen, dass die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 stärker zum Ausdruck kommen,
wurde nicht gefolgt. Für die IMK und das BMI haben vielmehr politisch motivierte Gewalttaten grundsätzlich erhebliche Bedeutung i. S. v. § 2 Abs. 1 BKA-Gesetz und bedürfen daher der Abbildung in einer bundesweit zugänglichen
Datei.
Die Problematik der Verbunddateien „Gewalttäter Rechts“,
„Gewalttäter Links“ und „Straftäter politisch motivierter
Ausländerkriminalität“ wird allein schon daran deutlich, dass
das mit mir durchzuführende Anhörungsverfahren nach
§ 34 Abs. 1 BKA-Gesetz und das sich anschließende Länderbeteiligungsverfahren zu den jeweiligen Dateierrichtungsanordnungen erst am 4. Oktober 2002 abgeschlossen
werden konnten. Dies obgleich die Amtsleitung des BKA
bereits am 23. Januar 2001 die Einrichtung dieser Dateien
per Sofortanordnung verfügt hatte. Mittlerweile enthält die
Datei „Gewalttäter Rechts“ 1 807, die Datei „Gewalttäter
Links“ 1 174 sowie die Datei „Straftäter politisch motivierter Ausländerkriminalität“ 338 Datensätze (Stand: jeweils
15. Oktober 2002).
Vor dem Hintergrund der von der IMK beschlossenen Maßnahmen zur Bekämpfung der politisch motivierten Kriminalität habe ich angeregt, den Katalog der bisher verwendeten
personengebundenen Hinweise im Hinblick auf die Vermeidung von Redundanzen zu überarbeiten sowie zu überprüfen, inwieweit auf derzeit genutzte Dateianwendungen zur
Abbildung der politisch motivierten Kriminalität verzichtet
werden kann. Ich begrüße es, dass die IMK entsprechende
Beschlüsse gefasst hat.
13.5

Gipfeltreffen in Göteborg und
in Genua 2001 – Rolle des BKA

Die Berichterstattung anlässlich des Europäischen Rates in
Göteborg und des Weltwirtschaftsgipfels der G8-Staaten in
Genua im Sommer 2001 über die von Bund und Ländern
durchgeführten Maßnahmen zur Verhinderung von Ausschreitungen deutscher Staatsangehöriger sowie Eingaben
hiervon Betroffener an mich und die Landesbeauftragten für
den Datenschutz haben mich veranlasst, die vom BKA in

BfD 19. Tätigkeitsbericht 2001–2002

diesem Zusammenhang ergriffenen Maßnahmen zu überprüfen.
Das BKA ist gem. § 3 BKA-Gesetz Nationales Zentralbüro
Deutschland für die Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation (IKPO-Interpol). In dieser Funktion obliegt ihm
der polizeiliche Nachrichtenaustausch mit ausländischen
Polizei- und Justizbehörden. Nach Maßgabe des § 14 BKAGesetz erfolgen Datenübermittlungen an ausländische Stellen insbesondere zur Straftatenverhütung und zur Gefahrenabwehr, aber auch im Rahmen der Rechtshilfe.
In Erfüllung dieser Aufgabe wurden nach Mitteilung des
BKA im Zusammenhang mit dem Weltwirtschaftsgipfel G8
in Genua den zuständigen italienischen Behörden im Vorfeld Daten von 191 deutschen Staatsangehörigen übermittelt, die in Dateien des polizeilichen Informationssystems
des Bundes und der Länder gespeichert waren. Die Auswahl
der übermittelten Personendatensätze sei auf der Grundlage
der beim BKA vorliegenden Erkenntnisse mit Globalisierungsbezug erfolgt und habe sich auf Beschuldigte und auch
sonstige Personen im Sinne von § 8 Abs. 5 BKA-Gesetz bezogen. Dagegen seien im Vorfeld des EU-Gipfels in Göteborg keine Personendaten übermittelt worden. Dies sei erst
dann geschehen, als schwedische Behörden, z. B. aus Anlass
einer Fahrzeug- oder Personenkontrolle, eine Erkenntnisanfrage zu deutschen Staatsangehörigen an das BKA gerichtet
hätten.
Ich habe gegen die Übermittlung personenbezogener Informationen an ausländische Polizeibehörden zum Zwecke der
Verhinderung und Ahndung von Ausschreitungen bei Großveranstaltungen keine Einwände, wenn die diesbezüglichen
Voraussetzungen des BKA-Gesetzes erfüllt sind. Jedoch
müssen die Daten in den Dateien des polizeilichen Informationssystems – in der Regel handelt es sich dabei um Erkenntnisse des polizeilichen Staatsschutzes – zum Zeitpunkt
ihrer Übermittlung aktuell und noch zulässig gespeichert
sein. Bei der Bearbeitung von Auskunftsbegehren von Personen, die im Vorfeld der Veranstaltungen in Göteborg und
Genua von polizeilichen Maßnahmen betroffen waren, haben meine Länderkollegen und ich festgestellt, dass dies
nicht immer der Fall war. Unter anderem war hierfür die unterlassene Pflege des Datenbestandes in den betreffenden
Dateien, die durch die zum Teil zu langen Aussonderungsprüffristen begünstigt wird, die Ursache. In den von mir bearbeiteten Fällen lag die datenschutzrechtliche Verantwortung für diese Versäumnisse allerdings bei dem Land, das
den betreffenden Datensatz in die Datei eingestellt hatte.
Gleichwohl stellt sich die Frage nach der Verantwortung des
BKA in seiner Funktion als Zentralstelle, wenn es derartige
Datensätze an ausländische Stellen übermittelt. Ich stimme
mit dem BKA darin überein, dass es sich im Zusammenhang mit einer Datenübermittlung nach § 14 Abs. 1 BKAGesetz grundsätzlich darauf verlassen muss, dass die in den
Dateien des polizeilichen Informationssystems eingestellten
Daten rechtmäßig erhoben worden sind und deren Speicherung zum Zeitpunkt der Übermittlung noch zulässig ist. Aus
der dem BKA vom Gesetzgeber in § 14 Abs. 7 BKA-Gesetz
übertragenen Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung personenbezogener Daten an öffentliche Stellen
außerhalb des Geltungsbereichs des BKA-Gesetzes folgt
aber eine umso höhere Überprüfungs- und Sorgfaltspflicht,
je sensibler die Daten sind, die übermittelt werden sollen.
Dies gilt insbesondere für Dateien des polizeilichen Staats-

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