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Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der
Länder (IMK) im November 2000 dazu, verschiedene Maßnahmen zur Bekämpfung rechtsextremistischer, antisemitistischer und fremdenfeindlicher Kriminalität zu erörtern. Neben
der Verwendung des personengebundenen Hinweises
„REMO“ für Straftäter, bei denen Anhaltspunkte vorliegen,
dass sie Straftaten aus rechtsorientiert politisch motivierten
Beweggründen begangen haben, in den INPOL-Dateien
„Personenfahndung“, „Kriminalaktennachweis“ und „Erkennungsdienst“ wurde insbesondere zur Verhinderung rechtsorientiert politisch motivierter Gewalttaten beschlossen, die
bundesweite Datei „Gewalttäter rechts“ einzurichten. Darüber hinaus wurde beschlossen, rechte Störer im Rahmen
der Gefahrenabwehr auf Länderebene zu speichern. Auf Initiative Bayerns kam die IMK schließlich überein, diese Maßnahmen auch auf linksorientiert politisch motivierte Straftäter und Straftäter politisch motivierter Ausländerkriminalität
zu erstrecken. Hierzu sollten die personengebundenen Hinweise „LIMO“ bzw. „AUMO“ verwendet werden sowie entsprechende „Gewalttäterdateien“ und Störerdateien auf Länderebene eingerichtet werden.
Der Personendatenbestand der „Gewalttäterdateien“ soll
vorerst durch eine entsprechende Anlass/Zweck-Kombination über die Datei „Personenfahndung“ zugänglich gemacht werden. Aus Sicht der IMK sind politisch motivierte
Straftaten wegen ihrer besonderen Bedeutung zudem grundsätzlich bundesweit zu erfassen.
Nach Aussage des BMI war Ziel dieser Maßnahmen, jedem
Polizeibeamten im Bund und in den Ländern für die Sachbearbeitung und für polizeiliche Kontrollen vor Ort entsprechende personenbezogene Informationen über politisch motivierte Kriminalität zur Verfügung stellen zu können,
mithilfe derer geeignete polizeipräventive und/oder -repressive Maßnahmen ergriffen werden können. Die bisherigen
Datenverarbeitungsmöglichkeiten hätten dies im Hinblick
auf die geltenden Bestandsführungs- und Zugriffsregelungen nicht gewährleistet: So stünde der Bestand der bereichsspezifischen INPOL-Datei zum Polizeilichen Staatsschutz
wegen der Sensibilität der darin enthaltenen, z. T. unbewerteten Daten nur den Staatsschutzdienststellen des Bundes
und der Länder zur Verfügung. Zudem gäbe der personengebundene Hinweis in INPOL über die jeweilige politische
Motivation des Täters dem Polizeibeamten vor Ort nur insoweit die entsprechende Information, als diese Person auch
zur Fahndung ausgeschrieben wäre. Erst durch die Einrichtung der o. a. „Gewalttäterdateien“ und deren Abbildung in
der Datei „Personenfahndung“ würde erreicht, dass bei jeder Fahndungsabfrage vor Ort politisch motivierte Gewalttäter bzw. gewaltbereite Personen einer polizeilichen Kontrolle unterzogen werden könnten, unabhängig davon, ob zu
ihnen eine aktuelle Fahndungsnotierung besteht.
Meine ursprünglich gehegten Zweifel an der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit des von der IMK beschlossenen Maßnahmenkatalogs habe ich vor diesem Hintergrund
zurückgestellt. Gleichwohl werfen die beschlossenen Einzelmaßnahmen eine Reihe von datenschutzrechtlichen Fragen auf.
Über die datenschutzrechtlichen Aspekte der Einführung
des personengebundenen Hinweises „REMO“ habe ich bereits in meinem 18. TB (Nr. 11.1) berichtet. Die dort dargelegten Bedenken habe ich auch hinsichtlich der Einführung
der personengebundenen Hinweise „LIMO“ und „AUMO“
in den Dateien „Personenfahndung“, „Kriminalaktennachweis“ und „Erkennungsdienst“.
Im Zusammenhang mit den Dateien „Gewalttäter Rechts“,
„Gewalttäter Links“ und „Straftäter politisch motivierter
Ausländerkriminalität“ stößt vor allem die vorgesehene
Speicherung personenbezogener Daten zu so genannten
sonstigen Personen i. S. v. § 8 Abs. 5 BKA-Gesetz auf datenschutzrechtliche Bedenken. Bei dieser Personengruppe handelt es sich weder um Beschuldigte noch um Tatverdächtige.
Für eine Verarbeitung personenbezogener Daten zu diesen
Personen setzt § 8 Abs. 5 BKA-Gesetz deshalb eine auf der
Grundlage bestimmter Tatsachen gestützte Straffälligkeitsprognose voraus. Weil die Einschätzung der politischen
Motivation einer Person unsicher und die Prognose, ob der
Betroffene Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen
wird, die im ursächlichen Zusammenhang mit seiner politischen Orientierung stehen, ohnehin schwierig ist, sehe ich
die Gefahr, dass – mangels anderer Anhaltspunkte – bereits
eine bloße Störung als alleinige Grundlage für die zu treffende Prognose herangezogen werden könnte. Dies könnte
dazu führen, dass eine Vielzahl unbedeutender Störer oder
sogar friedlicher Demonstranten in einer Verbunddatei des
polizeilichen Informationssystems des Bundes und der Länder geführt werden, die auf die Verfolgung und Verhütung
von Straftaten von länderübergreifender, internationaler oder
erheblicher Bedeutung abzielt. Zwar konnte im Rahmen der
Erörterungen der Errichtungsanordnungen zu den jeweiligen
Gewalttäterdateien erreicht werden, dass das Aussonderungsprüfdatum für sonstige Personen auf zwei Jahre festgelegt wird, mit der Folge, dass mit Ablauf dieser Frist die Aktualität des betreffenden Datensatzes und die Rechtmäßigkeit
seiner weiteren Speicherung überprüft werden müssen. Meinem Vorschlag, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit von einer Speicherung dieses Personenkreises ganz abzusehen und
ihn allenfalls in den auf Länderebene errichteten Störerdateien zu erfassen, wurde allerdings nicht gefolgt.
Vor dem Hintergrund, dass in den Gewalttäterdateien nur
politisch motivierte Straftäter gespeichert werden sollen, die
eine besondere Gewaltbereitschaft erkennen lassen, bedauere ich zudem, dass der in der jeweiligen Errichtungsanordnung aufgeführte Straftatenkatalog auch Straftatbestände
enthält, die keinen Bezug zur Gewaltkriminalität aufweisen.
Beispielhaft gilt dies für den Straftatbestand des Diebstahls
(§ 242 des Strafgesetzbuches). Durch einen nachträglich
eingefügten Zusatz in der jeweiligen Errichtungsanordnung,
wonach auch bei diesem Straftatbestand aufgrund bestimmter Tatsachen eine Gewaltbereitschaft des Täters erkennbar
sein muss, ist der erforderliche Bezug zur Gewaltkriminalität zumindest verdeutlicht worden.
Für problematisch halte ich schließlich, dass nach der Errichtungsanordnung nur der Zweck der jeweiligen Datei
festgelegt werden muss. Für den Anwender entsteht der
Eindruck, dass in jedem Fall personenbezogene Daten von
Beschuldigten oder Verdächtigen in die Datei eingestellt
werden sollen, sofern sie sich auf die dort aufgezählten
Straftatbestände beziehen. Die Speicherung personenbezogener Daten in einer beim BKA geführten Verbunddatei i. S. v. § 11 Abs. 1 BKA-Gesetz ist aber nur zulässig, soweit dies für das BKA nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 BKAGesetz zur Verhütung und Verfolgung von Straftaten länderübergreifender, internationaler oder erheblicher Bedeutung
BfD 19. Tätigkeitsbericht 2001–2002