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datenschutzrechtlichen Verantwortung liefen damit ins
Leere. Der vom BKA gewählte Weg, DNA-Datensätze des
Bundesgrenzschutzes und der Zollverwaltung als eigene
Daten im Wege der Amtshilfe in der DNA-Analyse-Datei zu
speichern, wird damit besonders fragwürdig.
Ein weiterer Mangel bestand darin, dass zahlreiche von
BGS-Dienststellen erhobene DNA-Identifizierungsmuster
nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprachen. Das
Bundesgrenzschutzamt Weil am Rhein, von dem der überwiegende Anteil der BGS-Datensätze stammte, hatte die insbesondere zu Zwecken der Identitätsfeststellung in künftigen
Strafverfahren gem. § 81g StPO dienenden DNA-Identifizierungsmuster ohne die erforderliche richterliche Anordnung gem. § 81g Abs. 3 i. V. m. § 81f. StPO erhoben; also
nur auf der Grundlage der Einwilligung des Betroffenen.
Hinsichtlich der Delikte, die vom Bundesgrenzschutzamt
Weil am Rhein im konkreten Fall zum Anlass einer DNAAnalyse genommen worden waren, u. a. Urkundenfälschung
und illegale Schleusung, habe ich in zudem Zweifel an der jeweiligen Erforderlichkeit derartiger Maßnahmen. Zwar sieht
der Gesetzgeber in den §§ 81a, 81e StPO die generelle Nutzungsmöglichkeit der molekulargenetischen Untersuchung
zur Aufklärung der Täterschaft in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vor. Zum Zwecke der Identifizierung in
künftigen Strafverfahren wird diese Nutzungsmöglichkeit
aber auf Straftaten von erheblicher Bedeutung eingeschränkt
(§ 81g StPO), weil mit der Speicherung dieser Muster in einer Vorsorgedatei ein weiterer Eingriff in das informationelle
Selbstbestimmungsrecht verbunden ist.
Zudem entfällt die Erforderlichkeit eines DNA-Identifizierungsmusters bei solchen Delikten, bei denen der Täter im
Zusammenhang mit einer künftigen Straftat nicht typisch
Identifizierungsmaterial am Tatort hinterlässt. Insbesondere
bei Delikten der Urkundenfälschung und der Schleuserkriminalität scheint mir dies der Fall zu sein.
Die datenschutzrechtliche Kontrolle der DNA-Analyse-Datei hat dazu geführt, dass im Oktober 2002 der Präsident des
Bundeskriminalamts eine geänderte Fassung der Errichtungsanordnung zur DNA-Analyse-Datei im Wege der Sofortanordnung erlassen hat. Unter anderem sind danach auch
der Bundesgrenzschutz und der Zoll befugt, DNA-Identifizierungsmuster auf konventionellem Wege zur Speicherung
in der DNA-Analyse-Datei anzuliefern. Nach Angaben des
BKA enthielt die DNA-Analyse-Datei am 26. November
2002 insgesamt 236 347 DNA-Identifizierungsmuster. Hiervon stammen 513 Datensätze vom BKA, 165 Datensätze
vom Bundesgrenzschutz sowie 25 Datensätze von Dienststellen der Zollverwaltung. Ohne dem Ergebnis des mit mir
noch gem. § 34 Abs. 1 Satz 2 BKA-Gesetz durchzuführenden Anhörungsverfahrens zu der geänderten Errichtungsanordnung vorzugreifen, ist diese Regelung im Grundsatz zu
begrüßen, löst sie doch den gesetzwidrigen Rückgriff auf die
Amtshilfe ab.
Zwischen dem BMI und mir besteht jedoch weiterhin ein
Dissens in der Frage der rechtswirksamen Einwilligung des
Betroffenen in die Erstellung eines DNA-Musters zu Zwecken der Identifizierung in künftigen Strafverfahren und
dessen Speicherung in der DNA-Analyse-Datei. Unter Hinweis auf die Errichtungsanordnung zur DNA-Analyse-Datei
ist nach Auffassung des BMI dies unter der Voraussetzung
zulässig, dass die Einwilligung die Anforderungen des § 4a
BfD 19. Tätigkeitsbericht 2001–2002
BDSG erfüllt. Dem liege die überwiegende Auffassung in
der Literatur zugrunde, dass eine dem Richter vorbehaltene
Entscheidung nur dann erforderlich sei, wenn keine wirksame Einwilligung in die Untersuchung erklärt worden sei.
Demgegenüber unterliegt nach übereinstimmender Auffassung der Landesbeauftragten für den Datenschutz und mir
die Erstellung eines DNA-Identifizierungsmusters zum
Zweck der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren
gem. § 81g Abs. 1 und 3 i. V. m. § 81f Abs. 1 StPO dem Richtervorbehalt, mit der Folge, dass die anderslautende Regelung in der Errichtungsanordnung zur DNA-Analyse-Datei
unwirksam ist (siehe 18. TB Nr. 11.6). In der Begründung des
Gesetzentwurfs, der zur Einführung des § 81g StPO geführt
hat (Bundestagsdrucksache 13/10751), wird hierzu ausgeführt, dass der Richtervorbehalt als verfahrenssichernde
Maßnahme gewährleiste, dass die im Rahmen von § 81g
Abs. 1 StPO zu stellende Gefahrenprognose vom Richter getroffen werde. Das Erstellen eines DNA-Identifizierungsmusters und dessen Speicherung in der DNA-Analyse-Datei
allein auf der Grundlage der Einwilligung des Betroffenen
führt hingegen zum Wegfall dieser gesetzlich vorgesehenen
Prognose, die aus Gründen der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit der Nutzung der DNA-Analyse in künftigen Strafverfahren in die Regelung des § 81g StPO Eingang
gefunden hat. Der Richtervorbehalt hat darüber hinaus auch
eine regulierende Wirkung: Werden DNA-Muster nur auf
Basis der Einwilligung des Betroffenen gewonnen, besteht
die Gefahr, dass dies zu einer latenten Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 81g StPO führt, da zweifelhaft ist,
ob in allen diesen Fällen der Richter der Durchführung einer
molekulargenetischen Untersuchung zum Zwecke der Identifizierung in künftigen Strafverfahren unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit zugestimmt hätte.
Es besteht kein Zweifel, dass die DNA-Analyse und die
Nutzung des DNA-Identifizierungsmusters geeignete Maßnahmen zur Verhütung und Verfolgung von Straftaten sind.
Die Aufklärung insbesondere vieler Kapitalverbrechen in
der jüngsten Vergangenheit hat das anschaulich gezeigt. Vor
diesem Hintergrund sind Überlegungen im politischen
Raum, den Anwendungsbereich des § 81g StPO auszudehnen, verständlich und nicht von vorneherein als abwegig zu
bezeichnen (siehe Nr. 8.2.3.4). Sollte sich der Gesetzgeber
dafür entscheiden, die Nutzung von DNA-Identifizierungsmustern gem. § 81g StPO zu erweitern, wäre dies der geeignete Zeitpunkt, durch eine entsprechende gesetzliche
Regelung klarzustellen, dass der richterliche Anordnungsvorbehalt der §§ 81f Abs. 1, 81g Abs. 3 StPO als Bestimmung einer ausschließlichen Zuständigkeit im Zusammenhang mit der Erstellung eines DNA-Identifizierungsmusters
zum Zwecke der Identifizierung in künftigen Strafverfahren
zu verstehen ist. Eine diesbezügliche Klarstellung halte ich
nicht nur aus den oben genannten Gründen für geboten. Sie
würde auch die teils unterschiedliche Praxis im Bund, aber
auch in den Ländern, bei der Erstellung von DNA-Identifizierungsmustern gem. § 81g StPO vereinheitlichen.
13.4
Gewalttäterdateien – Rechts – Links –
Ausländer – angemessene Reaktion auf
die politisch motivierte Kriminalität?
Die deutliche Zunahme rechtsextremer Straftaten in Deutschland im Jahre 2000, insbesondere der dabei zu verzeichnende
Anstieg politisch motivierter Gewalttaten, veranlasste die