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Aufgabenwahrnehmung auf dem Gebiet der Strafverfolgung
gem. § 4 BKA-Gesetz dient. Auch gegen die projektbezogenen Auswertedateien (siehe hierzu auch Nr. 13.2.1) bestehen
keine grundlegenden datenschutzrechtlichen Bedenken.
Datenschutzrechtlich problematischer ist die Verarbeitung
personenbezogener Daten in den übrigen Auswertedateien,
die das BKA zur Erfüllung seiner Zentralstellenaufgabe
führt (siehe hierzu auch Nr. 13.2.2). Der Umstand, dass der
Kreis der von der Speicherung in der Auswertedatei Betroffenen allein durch den ohnehin stets zu beachtenden Grundsatz der Erforderlichkeit für die Erfüllung der Zentralstellenaufgabe des BKA gem. § 7 Abs. 1 BKA-Gesetz sowie
durch den Zweck der jeweiligen Auswertedatei bestimmt
wird, wiegt hier besonders schwer. Denn anders als bei den
Auswertedateien, die auf der Grundlage der Strafprozessordnung geführt werden, handelt es sich hier um eine reine
Vorsorgedatei. Zudem kann ich nicht erkennen, dass die in
den jeweiligen Dateien gespeicherten personenbezogenen
Daten – wie bei den projektbezogenen Auswertedateien –
innerhalb einer kurzen Frist auf polizeiliche Relevanz hin
aktiv überprüft werden. Um den Kreis der von der Speicherung in einer Auswertedatei betroffenen Personen, gegen
die offensichtlich weder Straffälligkeitsprognosen gestellt
werden können noch ein Tatverdacht zu begründen ist, sachgerecht einzugrenzen, halte ich es für erforderlich, den
Zweck der jeweiligen Auswertedatei in der Errichtungsanordnung präzise zu bestimmen und die Verwendung der erhobenen Daten hierauf zu beschränken. Anderenfalls wären
entsprechende personenbezogene Speicherungen wegen
Verstoßes gegen das Verbot der Datensammlung auf Vorrat
unzulässig. Ich habe meine Bedenken gegen die Zulässigkeit dieser Auswertedateien zurückgestellt. Zum einen sind
die Anhörungsverfahren gem. § 34 Abs. 1 Satz 2 BKA-Gesetz zu den betreffenden Errichtungsanordnungen noch
nicht abgeschlossen. Dem Gesichtspunkt des Persönlichkeitsschutzes soll nach den vorliegenden Entwürfen zudem
dadurch Rechnung getragen werden, dass Übermittlungen
von personenbezogenen Daten aus den Auswertedateien an
andere Stellen grundsätzlich solange unzulässig sind, wie
eine Kategorisierung der gespeicherten Personen nach den
Regelungen des § 8 Absätze 1 bis 5 BKA-Gesetz nicht möglich ist. Darüber hinaus soll der Zugriff auf die Dateien auf
einen begrenzten Personenkreis im BKA beschränkt und die
Aussonderungsprüffristen für die Datensätze auf zwei bzw.
drei Jahre bemessen werden.
Ich stehe dem Bemühen der Polizei, neue Datenverarbeitungsformen zu nutzen, um Straftaten wirksamer verfolgen
und verhüten zu können, aufgeschlossen gegenüber, insbesondere wenn sich die bisherigen Datenverarbeitungsinstrumente als nicht ausreichend erwiesen haben sollten. Soweit
dabei personenbezogene Daten verarbeitet und genutzt werden, sind jedoch die einschlägigen gesetzlichen Regelungen
sowie die Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an die zulässige Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gestellt hat, zu beachten. Inwieweit dem Rechnung getragen wird und worin unter dem
Gesichtspunkt der Erforderlichkeit der zusätzliche Erkenntnisgewinn gegenüber den auf der Grundlage des § 8 Absätze 1 bis 5 BKA-Gesetz zu führenden Dateien zur Vorsorge für die künftige Strafverfolgung liegt, kann erst eine
systematische datenschutzrechtliche Kontrolle der Auswertedateien ergeben.

BfD 19. Tätigkeitsbericht 2001–2002

13.2.1

Auswertedatei „Infoboard Schleusung“ –
intensive Zusammenarbeit zwischen
Polizei und Nachrichtendiensten

Ein Beispiel für die vom BKA betriebenen projektbezogenen Auswertedateien, die der Unterstützung der projektbezogenen Zusammenarbeit des BKA mit Nachrichtendiensten, polizeilichen und anderen öffentlichen Stellen dienen,
ist die Datei „Infoboard Schleusung“. Das damit unterstützte Projekt ist der Infoboard „Schleuserkriminalität über
die tschechische Republik“, an dem sich neben dem BKA
das Bundesamt für Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst, die Grenzschutzdirektion, das Zollkriminalamt,
die Landeskriminalämter Bayern und Sachsen, das Landesamt für Verfassungsschutz Bayern sowie das Bundesverwaltungsamt und das Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge beteiligen. Die von den Projektteilnehmern angelieferten Daten werden in der Auswertedatei „Infoboard Schleusung“ gespeichert und nach bestimmten Fallkomplexen ausgewertet. Ziel ist es, neue
Erkenntnisse für polizei- und ermittlungstaktisches Vorgehen
zu gewinnen und unbedeutende Informationen auszuscheiden. Der Vorteil der bisher eher formlosen Zusammenarbeit
zwischen den Projektteilnehmern besteht nach Aussage des
BKA darin, dass innerhalb des Infoboards die Kenntnisse
der am Projekt beteiligten Stellen vor Ort im BKA im Rahmen regelmäßig tagender Gremien zusammengeführt werden. Das Projekt startete im September 2001 und war zunächst auf sechs Monate befristet mit der Möglichkeit einer
begrenzten Verlängerung.
Ich habe gegen das Führen derartiger Auswertedateien
keine grundlegenden datenschutzrechtlichen Bedenken. Voraussetzung ist jedoch, dass es bei der zeitlich befristeten
und projektgebundenen Verarbeitung der personenbezogenen Daten bleibt. Zudem muss gewährleistet sein, dass die
am Projekt beteiligten Stellen bei der Anlieferung ihrer Informationen an das BKA den Rahmen der ihnen durch die
einschlägigen Gesetze eingeräumten Übermittlungsbefugnisse nicht verlassen. Insbesondere ist das für die informationelle Zusammenarbeit zwischen Polizei und Nachrichtendiensten maßgebliche Trennungsgebot strikt einzuhalten.
Ich stimme mit dem BKA schließlich darin überein, dass
eine Überführung der im Projekt zusammengetragenen Erkenntnisse in die Dateien des polizeilichen Informationssystems des Bundes und der Länder erst nach Abschluss der
Auswertung und Feststellung der polizeilichen Relevanz zulässig ist; zumal die verstärkte Zusammenarbeit des BKA
insbesondere mit anderen Sicherheitsbehörden zwangsläufig dazu führt, dass das BKA in größerem Maße als bisher
nachrichtendienstliche Informationen erhält. Inwieweit die
Ziele, die mit dem Infoboard verfolgt werden sollten, erreicht wurden, ist noch offen. Zwischenzeitlich sind zwei
weitere Projekte dieser Art gestartet worden. Das BKA beabsichtigt, einen Erfahrungsbericht nach Abschluss des Projekts zu erstellen, der mir bei Redaktionsschluss zu diesem
Tätigkeitsbericht jedoch noch nicht vorlag.
13.2.2

Auswertedatei „Global“ – wirksames
Instrument zur Verhinderung gewalttätiger
Demonstrationen oder Vorratsdatensammlung über Globalisierungsgegner?

Die zahlenmäßig größte Gruppe von Auswertedateien bilden die Dateien, mit deren Hilfe das BKA in seiner Funk-

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