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die solche Taten erst ermöglichen oder daraus resultieren.
So hat es im Berichtszeitraum eine Reihe von Initiativen
und Maßnahmen gegeben, die hier ansetzen. Hierzu zählen
das Geldwäschebekämpfungsgesetz vom 18. August 2002,
das u. a. beim Bundeskriminalamt eine „Zentralstelle für
Verdachtanzeigen“ geschaffen hat (vgl. Nr. 13.7), das Vierte
Finanzmarktförderungsgesetz vom 21. Juni 2002, das in
§ 24c des Gesetzes über das Kreditwesen eine Rechtsgrundlage für einen automatisierten Abruf von Kontoinformationen durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eingeführt hat und in § 25a Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes
über das Kreditwesen eine Regelung zum so genannten
Konto-Screening enthält (vgl. Nr. 10.2), und die Errichtung
der Datenbank „ZAUBER“ beim Bundesamt für Finanzen
zur Auswertung von Umsatzsteuer-Betrugsfällen und zur
Entwicklung von Risikoprofilen (vgl. Nr. 15.3). Das Aufdecken illegaler Finanzströme, die Bekämpfung von Geldwäsche und Kriminalität sind unbestreitbar von herausragender
Bedeutung und erfordern angemessene gesetzliche Maßnahmen. Die einzelnen Regelungen mögen für sich genommen
trotz mancher datenschutzrechtlicher Bedenken auch nötig
oder zumindest sinnvoll sein. Die Summe der neuen Eingriffsmöglichkeiten und neu angelegten Dateien, verbunden
mit noch weiter reichenden Überlegungen für die Zukunft
können aber zu einer weit gehenden Transparenz des Finanzmarktes und des Anlageverhaltens jedes Bürgers führen und
zu einer Bedrohung für sein Grundrecht auf informationelle
Selbstbestimmung werden. Dies gilt umso mehr, wenn im
Zuge der Kriminalitätsbekämpfung auch unbescholtene
Bürger grundlos in Verdacht geraten, den sie mangels
Kenntnis hiervon auch nicht ausräumen können oder sich
für rechtmäßiges Verhalten plötzlich rechtfertigen müssen.
Auch die Gefahr, dass einmal für ganz bestimmte Zwecke
angelegte Datenbestände später noch für ganz andere Zwecke herangezogen werden, erscheint durchaus real. Deswegen sind die Grundsätze von Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit strikt zu beachten.
fähigen Dienstleistungen der Bundesverwaltung auch über
das Internet online bereitzustellen. Durch das Programm
VISA 2000 des Auswärtigen Amtes (vgl. Nr. 6.1) soll nicht
nur der Verkehr zwischen den beteiligten Dienststellen online abgewickelt, sondern in Zukunft auch eine elektronische Antragstellung ermöglicht werden. Auch im Bereich
der politischen Wahlen wird geprüft, inwieweit diese elektronisch unterstützt werden können (vgl. Nr. 7.8.2).
1.5
Auch die zunehmende Vernetzung der Verwaltungen untereinander und mit dem Bürger, die Online-Abwicklung von
Verwaltungsverfahren machen die Verwaltung nicht nur moderner und effizienter. Vielfach wird übersehen, dass unter
dem Zeichen von Modernität und Effizienz Datenverbünde
und Informationsflüsse entstehen könnten, deren Verhinderung ursprüngliches Anliegen des Datenschutzes und Gegenstand des Volkzählungsurteils war. Natürlich steigert es die
Effizienz und spart Kosten, wenn nicht jede Behörde ihre eigenen Datenbestände anlegen und verwalten muss, sondern
unproblematisch auf elektronischem Wege anderswo die Informationen abfragen kann, die sie zu benötigen meint. Aber
genau diese Möglichkeiten hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem Grundsatzurteil vom 15. Dezember
1983 – also vor bald 20 Jahren – sehr anschaulich beschrieben und sie haben es dazu bewogen, dem das Grundrecht auf
informationelle Selbstbestimmung entgegenzusetzen. Dies
gilt auch heute noch, wo die gleichen Fragen unter völlig
neuen Vorzeichen diskutiert werden. Das heißt natürlich
nicht, dass eGovernment und Verwaltungsmodernisierung
nicht stattfinden dürfen – im Gegenteil, es führt kein Weg daran vorbei –, aber der Datenschutz wird hier künftig über die
rein technischen Fragen hinaus ganz besonders gefordert
sein. Und der Bürger wird sich fragen müssen, wie gläsern er
um seiner Bequemlichkeit willen werden will.
Online auf dem Vormarsch
Ständig verbesserte Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation, aber auch der Zugang immer breiterer Bevölkerungskreise zum Internet haben im Berichtszeitraum zu einer Reihe von Maßnahmen geführt, die auch die „amtliche
Kommunikation“ in diese Entwicklung einbinden sollen.
Mit dem Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des
Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen
Rechtsgeschäftsverkehr vom 13. Juli 2001 wurde grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet, elektronische Dokumente bei
Gerichten einzureichen (vgl. Nr. 8.10.1). Dabei ist ein wesentlicher Aspekt des Elektronischen Rechtsverkehrs, auch
auf diesem Wege auf die Datenbanken der Registergerichte
zugreifen zu können. Hier gibt es bereits gesetzliche Regelungen für automatisierte Abrufe aus dem Handelsregister,
dem Vereinsregister und dem Schuldnerverzeichnis.
Das Dritte Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 21. August 2002 hat parallel
dazu die elektronische Kommunikation zwischen Bürger
und Verwaltung ermöglicht (vgl. Nr. 8.10.2). Dies wiederum
ist Voraussetzung für eGovernmentprojekte (vgl. hierzu
Nr. 4.7), die auf allen Ebenen zunehmend vorangetrieben
werden. Die Bundesregierung plant im Rahmen ihrer Initiative BundOnline 2005 bis zum Jahre 2005 alle internet-
All diese Überlegungen und neuen technischen Möglichkeiten tragen nicht nur zu einem bequemen, schnellen und effizienten Geschäfts- bzw. Verwaltungsablauf bei, sie werfen
auch vielfältige datenschutzrechtliche Probleme auf, und das
nicht nur in technischer Hinsicht. Welche Konsequenzen sich
für den Datenschutz ergeben können, zeigt beispielhaft die
durch Ergänzung des § 9 der Insolvenzordnung geschaffene
Möglichkeit, öffentliche Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren auch im Internet vorzunehmen (vgl. Nr. 10.7).
Ohne besondere Vorkehrungen könnte durch diese neue
Form der Veröffentlichung der gebotene Schutz der betroffenen Schuldner leicht unterlaufen werden. Denn was einmal
im Internet veröffentlicht war, bleibt zeitlich und örtlich unbegrenzt verfügbar, unabhängig von gesetzlichen Löschungsvorschriften, und kann den Betroffenen u. U. noch
nach Jahrzehnten vorgehalten werden. Im konkreten Fall ist
es zu einer Lösung gekommen, die allerdings nicht vollständig befriedigt. Generell zeigt dieses Beispiel aber, dass Internet und Online-Kommunikation mehr sind als nur eine neue
Form, Nachrichten zu verbreiten. Damit verbunden ist die
Möglichkeit, einmal dort veröffentlichte Informationen ohne
besonderen Zeitaufwand und ohne besondere finanzielle
oder personelle Ressourcen weltweit zusammenführen, auswerten, speichern und weitergeben zu können, ohne dass dies
noch in irgendeiner Form kontrollierbar oder reglementierbar wäre. Ich halte deswegen das vielfach zu hörende Argument, bestimmte Informationen seien auch bisher schon
veröffentlicht worden und das Internet stelle nur eine zeitgemäße Form der Bekanntmachung dar, für falsch.
BfD 19. Tätigkeitsbericht 2001–2002