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Vor dem Hintergrund meiner Ausführungen zum Thema
„Anforderung von Krankenhausentlassungsberichten durch
Krankenkassen“ (vgl. 18. TB Nr. 21.3), die zwischenzeitlich
vom Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 23. Juli
2002 – Az.: B3 KR 64/01 R – umfassend bestätigt wurden
(vgl. dazu Nr. 24.1.4), ist aus datenschutzrechtlicher Sicht
auch bei den Einsichtsrechten der Pflegekassen in die Pflegedokumentation von Pflegebedürftigen eine entsprechende
Anwendung der hierzu entwickelten Grundsätze angezeigt.
Zweck und Aufgabe der Pflegedokumentation ist es, die
ordnungsgemäße Durchführung der Pflege zu gewährleisten. Die Pflegedokumentation enthält alle pflegerelevanten
Daten über den Pflegebedürftigen, wie z. B. Anamnese- und
Diagnosedaten oder Angaben zur Pflegeplanung (Ziele,
Verlauf und Ergebnisse der Pflege). In der häuslichen Pflege
werden Eintragungen vom Pflegebedürftigen selbst sowie
von allen an der Pflege Beteiligten (Angehörigen, Pflegekräften, aber auch von Haus- und Notärzten) vorgenommen.
Sie ist Eigentum des Pflegedienstes und verbleibt während
der Pflege grundsätzlich beim Pflegebedürftigen. Nach Beendigung der Pflege wird die Pflegedokumentation für einen Zeitraum von fünf Jahren beim Pflegedienst aufbewahrt
und dann ordnungsgemäß vernichtet. Dieses Verfahren wird
vom Verband der Angestelltenkrankenkassen in einem
„Beispiel für einen Vertrag über ambulante pflegerische
Versorgung“ empfohlen.
Eine gesetzliche Grundlage für die Führung von Pflegedokumentationen ist dem SGB XI nicht zu entnehmen. Die
Verpflichtung hierfür ergibt sich insgesamt aus den Rahmenverträgen über die ambulante pflegerische Versorgung
nach § 75 SGB XI, die auf Landesebene geschlossen werden. Auch die „gemeinsamen Grundsätze und Maßstäbe zur
Qualität und Qualitätssicherung einschließlich des Verfahrens zur Durchführung von Qualitätsprüfungen nach § 80
SGB XI“ vom 31. Mai 1996 sehen in § 14 die Führung einer
Pflegedokumentation vor.
Gegen die Führung der Pflegedokumentation in der dargestellten Form ist aus datenschutzrechtlicher Sicht grundsätzlich nichts einzuwenden. Sie ist mit den Aufzeichnungen
der stationären Pflegeeinrichtungen bzw. auch mit Aufzeichnungen vergleichbar, wie sie üblicherweise bei der stationären Behandlung im Krankenhaus erfolgen.
Von der Führung der grundsätzlich beim Pflegebedürftigen
aufzubewahrenden Pflegedokumentation ist jedoch die Zulässigkeit ihrer Nutzung im Einzelfall zu unterscheiden. Für
welche Zwecke die Pflegekassen personenbezogene Daten
erheben dürfen, ist in § 94 Abs. 1 SGB XI abschließend geregelt. Die Vorschrift korrespondiert insoweit mit § 284
SGB V für die gesetzliche Krankenversicherung. Zu anderen Zwecken dürfen die erhobenen und gespeicherten Sozialdaten nur verarbeitet oder genutzt werden, soweit dies
durch Rechtsvorschriften des Sozialgesetzbuches angeordnet oder erlaubt ist (§ 94 Abs. 2 Satz 1 SGB XI).
Danach könnte eine Nutzung der Pflegedokumentation
durch die Pflegekasse als Abrechnungsunterlage (§§ 84 bis
91 und 105 SGB XI) oder als Unterlage für die Überwachung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungserbringung (§§ 79, 80 ff., 112 bis 115, 117 und 118 SGB XI)
zulässig sein.
Die an der Pflegeversorgung teilnehmenden Leistungserbringer sind im Zusammenhang mit der Abrechnung der
BfD 19. Tätigkeitsbericht 2001–2002
pflegerischen Leistungen verpflichtet, in Abrechnungsunterlagen die von ihnen erbrachten Leistungen nach Art,
Menge und Preis einschließlich des Tages und der Zeit der
Leistungserbringung aufzuzeichnen, ihr Kennzeichen sowie
die Versichertennummer des Pflegebedürftigen anzugeben
und bei der Abrechnung über die Abgabe von Hilfsmitteln
die Bezeichnungen des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 78
SGB XI zu verwenden (vgl. § 105 SGB XI). Dabei wird das
Nähere über Form und Inhalt der Abrechnungsunterlagen
von den Spitzenverbänden der Pflegekassen im Einvernehmen mit den Verbänden der Leistungserbringer festgelegt.
§ 106 SGB XI eröffnet die Möglichkeit, den Umfang der zu
übermittelnden Daten einzuschränken. Eine Befugnis für
zusätzliche Erhebungen wird demgegenüber aber gerade
nicht eröffnet.
Als Abrechnungsunterlage für die Pflegekasse kommen daher nur solche Dokumente in Betracht, in denen (Dienst-)
Leistungen des Pflegedienstes nach Art, Preis und Menge
sowie die Abgabe von Hilfsmitteln nachgewiesen werden.
Eine solche Abrechnungsunterlage stellt beispielsweise der
so genannnte Leistungsnachweis dar, in dem die durchgeführten Leistungen des Pflegedienstes täglich einzutragen,
von der Pflegekraft abzuzeichnen und durch den Pflegebedürftigen bzw. einer von ihm beauftragten Person zeitnah zu
bestätigen sind. Zu einer Datenübermittlung, die über den
Umfang der in § 105 SGB XI genannten, für die Abrechnung erforderlichen Daten hinausgeht, z. B. der Übermittlung medizinischer Daten der Pflegebedürftigen, wie sie in
der Pflegedokumentation vorliegen, ist der Pflegedienst im
Rahmen der Leistungsabrechnung mit der Pflegekasse weder verpflichtet noch befugt.
Eine klare Differenzierung zwischen den Abrechnungsunterlagen einerseits und der Pflegedokumentation andererseits ist besonders wichtig, weil die Pflegedokumentation unter anderem Anamnese- und Diagnosedaten und
damit außerordentlich sensible Daten enthält und der
Pflegeversicherte ein zentrales Interesse daran hat, dass
diese Daten nicht unnötig weiterverarbeitet werden. Die
Pflegedokumentation ist daher von den Abrechnungsunterlagen unbedingt zu trennen (s. a. LfD Thüringen, 3. TB
Nr. 11.21).
Auch eine Einsichtnahme der Pflegekasse in die Pflegedokumentation in Zusammenhang mit der Überwachung der
Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungserbringung scheidet aus. Die Verfahren für diese Überprüfungen
sind gesetzlich geregelt (§§ 79, 80 ff., 112 bis 115, 117 und
118 SGB XI). Danach ist es lediglich dem Medizinischen
Dienst der Krankenversicherung (MDK) bzw. den bestellten
Sachverständigen gestattet, im Rahmen ihrer Aufgaben und
Prüfungen Einsicht in Unterlagen mit medizinischen Daten
zu nehmen. Ein Recht der Pflegekassen, im Rahmen der
Überwachung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungserbringung in Unterlagen mit sensiblen Daten der Pflegebedürftigen einzusehen, sehen diese Regelungen gerade
nicht vor.
Die Pflegekasse ist damit nicht befugt, Daten aus der Pflegedokumentation zu erheben. Gleiches gilt für eine entsprechende Übermittlung des Pflegedienstes.
Demgegenüber ist eine Übermittlung der Pflegedokumentation an den MDK anders zu bewerten. Der MDK darf personenbezogene Daten für Zwecke der Pflegeversicherung er-