Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

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Drucksache 18/6545

gend (HDJ). Anfang 1992 wurde R*** Mitglied einer der damals aggressivsten und gefährlichsten Gruppierungen des Rechtsextremismus in Deutschland, der Nationalistischen Front (NF). Auf Einladung ihres Vorsitzenden reiste er nach Detmold, wo sich das Haus der NF befand. Er zog dort ein, wurde einer ihrer aktiven Kader
und arbeitete im Versandhandel der NF. Nach dem Verbot der NF am 27.11.1992 organisierte ein führender
Vertreter der NF mit weiteren Personen, darunter R***, die Fortführung der NF in der Illegalität. Nach Einschätzung des Sachverständigen ist davon auszugehen, dass R*** in dieser Zeit eine tiefsitzende rechtsextreme,
extrem nationalsozialistische Identität verinnerlicht hat.
Kontaktaufnahme zu Sicherheitsbehörden und Verpflichtung als V-Person
Infolge von Ausschreitungen bei der Feier seines 19. Geburtstags im Oktober 1993 in der „Parteizentrale“ der
NF wurde R*** laut Sachverständigem mit erheblichen Schadenersatzforderungen konfrontiert und sicherlich
auch bedroht. Das dürfte auch dazu beigetragen haben, dass er in seinen Heimatort Halle an der Saale zurückziehen wollte und sich als Informant anbot. Später kam er in Kontakt mit dem Landesamt für Verfassungsschutz
(LfV) Sachsen-Anhalt. Im ersten persönlichen Kontakt mit dem LfV Sachsen-Anhalt erläuterte er, dass „vor
allem finanzielle Interessen ihn bewogen hätten, seine Mitarbeit anzubieten. Darüber hinaus wolle er sich – langfristig betrachtet – aus der rechtsextrem Szene lösen und ein „ordentliches“ Leben als Familienvater führen.“
Da R*** für das Landesamt schlecht zu kontaktieren war, weil er berufsbedingt fortwährend in ganz Deutschland unterwegs war, entschied man sich dort relativ schnell, ihn mit seinem Einverständnis an das BfV abzugeben, wo er 1994 als V-Mann verpflichtet wurde.
Einsatz als V-Person des BfV
Im Februar 1994 wurde R*** als V-Mann des BfV verpflichtet. Am 25.09.2003 schaltete das BfV ihn zeitweise
als Quelle ab, da begründete Zweifel an seinem Verhalten und an seine Berichterstattung bestanden. Außerdem
gab es Hinweise darauf, dass eine Enttarnung drohen könnte. Auch in dieser Phase der Abschaltung pflegte
R*** seine Kontakte in die rechtsextreme Szene weiter. Um den Informationszugang vor allem in der rechtsextremen Musik-, Konzert-, und CD-Szene zu verbessern, entschloss sich das BfV, am 15.06.2005 R*** als VMann zu reaktivieren. Um den Nachrichtenzugang in die dortige Kameradschaftsszene zu verbessern, zog R***
schließlich 2009 von Halle ins benachbarte Leipzig um. Am 27.11.2012 wurde R*** nach seiner Enttarnung
aus Sicherheitsgründen endgültig abgeschaltet und in eine Schutzmaßnahme übernommen.
R*** beschaffte über die Jahre zahlreiche Informationen aus verschiedenen Bereichen der rechtsextremen
Szene. Dazu zählte die Kameradschaftsszene im Umfeld seines langjährigen Wohnorts Halle an der Saale. Die
Verfassungsschutzbehörden waren unter anderem aufgrund von Quellen gut über die Szene in dieser Region
unterrichtet, was indes zu dem aus Sicht des Sachverständigen fragwürdigen Ereignis führte, dass etwa im Sommer 2005 eine Kameradschaftsschulung stattfand, bei der vier von insgesamt neun Teilnehmern V-Personen
waren.
Ferner lieferte R*** dem BfV kontinuierlich Informationen über die rechtsextreme Musikszene, über Konzerte,
Bands, CD-Neuerscheinungen und Vertriebswege. Unter anderem übergab er dem BfV über die Jahre eine
dreistellige Zahl von Datenträgern mit Bezug zu rechtsextremer Musik.
In vielen Fällen stammten die von R*** gelieferten Informationen aus seinen vielfältigen Internetaktivitäten.
R*** betrieb zwischen 1999 und 2012/2013 mehrere rechtsextreme Internetseiten, die auch heute noch teilweise
über das öffentlich zugängliche Internetarchiv „waybackmachine“ („archive.org/web“) recherchiert werden
können. Kurzzeitig betrieb er 1999/2000 „der-bunker.com“ – eine Seite, die sich mit historischen und militärischen Themen befasste. 1999 bis 2012/2013 war R***s Internetseite „oikrach.com“ abrufbar, die dem esoterischen Rechtsextremismus zuzuordnen ist. R*** selbst war in der Szene auch als „oikrach“ bekannt. Ab 2001
richtete er für wenige Jahre eine Internetseite („suddenstrikezwei.de“) ein, die als Plattform für rechtsextreme
Nutzer des Kriegssimulationsspiels „Sudden Strike“ diente. Von 2001 bis 2005 war R*** einer der Betreiber
der Internetseite „Nationale gegen Kinderschänder“ („ngk.info“), die in der rechtsextremen Szene großen Zuspruch fand. In den Jahren 2002 bis 2012 war er einer der Köpfe hinter der Internetseite „Nationaler Demonstrationsbeobachter“ („nd-b.com“), auf der er unter anderem Bilder, Videos und Berichte von rechtsextremen
Demonstrationen und Aufmärschen veröffentlichte. Viele dieser Aufnahmen wurden von R*** selbst gemacht.
Darüber hinaus unterstützte er diverse andere Internetseiten der rechtsextremen Szene und war aufgrund seines
Know-Hows und seiner technischen Ausstattung bekannt. Auch sonst war R*** in der rechtsextremen Internetszene weit vernetzt. Der Sachverständige führt in seinem Bericht mehr als 20 einschlägige Szene-Foren auf, in
denen R*** zeitweise aktiv war. Ferner kommunizierte er über allgemeine soziale Netzwerke. Der Sachverständige konnte außerdem mehr als 15 E-Mail-Adressen rekonstruieren, die R*** über die Jahre nutzte. Gerade aus

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