Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
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Drucksache 18/6545
Sachverständige im Bericht nicht. Die grundsätzliche Legalität des Einsatzes steht für den Sachverständigen außer Frage. Nach § 8 Abs. 2 BVerfSchG darf das BfV Methoden der heimlichen Informationsgewinnung anwenden, wozu ausdrücklich auch der Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen gehört.
Im Falle von R*** muss jedoch bedacht werden, dass dieser gerade erst 19 Jahre alt geworden war, als er
sich nach seiner völlig aus dem Ruder gelaufenen Geburtstagsfeier und einer darauf basierenden Auseinandersetzung mit dem Führer einer der damals aggressivsten und deshalb verbotenen Vereinigung, in der
er selbst aktiv war, als Informant anbot. Er vermittelte den Eindruck, dass er dies auch in Erwartung von
finanziellen Zuwendungen tat, erwähnte dabei aber auch, dass er sich zumindest mittelfristig vom Rechtsextremismus lösen und ein bürgerliches Leben als Familienvater führen wollte.
Weder bei seiner ersten Anlaufstation noch beim LfV Sachsen-Anhalt und wenige Monate später beim
BfV wurde je ernsthaft darüber nachgedacht, R*** in ein Aussteigerprogramm – wenn es solche damals
gegeben hat – zu bringen oder ihm sonstige Hilfe für einen Ausstieg aus dem Rechtsextremismus angedeihen zu lassen. Jedenfalls hat der Sachverständige in den Akten hierzu keinen einzigen Beleg gefunden.
Stattdessen lernte R***, dass für Informationen Geld fließt. Die Verfassungsschutzbehörden schienen
nicht an dem Aussteiger R***, sondern nur am möglichen V-Mann R*** interessiert zu sein. Daraus erwuchs für R*** ein ganzes Leben als Rechtsextremist in neonazistischen, antisemitischen und ausländerhassenden Szenen und eine lebenslange Identität als Verräter des eigenen sozialen Feldes. Bis zu seinem
Tod mit 39 Jahren hat R*** nichts anderes als dies erlebt.
Der Sachverständige empfiehlt deshalb den Verfassungsschutzbehörden zur Pflicht zu machen
• potentielle aussteigewillige Personen vorrangig bei diesem Ausstieg zu unterstützen und
• ihnen zu untersagen, Jugendliche, Heranwachsende im Sinne des Jugendgerichtsgesetzes und junge
Menschen bis 25 Jahren als V-Personen anzuwerben.
14. Während seiner mehrmonatigen Tätigkeit hat der Sachverständige die Überzeugung gewonnen, dass eine
effektive und wirkungsvolle Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes durch das PKGr nur erfolgen
kann, wenn sie proaktiv und nicht nur als Reaktion auf entsprechende Medienveröffentlichungen oder
nach Meldungen der Nachrichtendienste an das PKGr ausgeübt wird. Dazu bedarf es eines entsprechenden
politischen Willens des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten wie auch einer entsprechenden
personellen und sächlichen Ausstattung. Mit der Einrichtung einer sog. „task force“ im Sekretariat des
PKGr und dem dazugehörigen Aufwuchs an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist dieser Gedanke schon
aufgegriffen und mit der Umsetzung begonnen worden. In herausgehobenen Einzelfällen bietet es sich an,
auch wieder eine oder einen Sachverständigen einzuschalten.
Der Sachverständige empfiehlt, auf diesem Weg weiter zu gehen und den Untersuchungseinheiten des
PKGr auch unabhängig von aufzuarbeitenden Skandalen konkrete Überprüfungsaufgaben im Bereich der
Kontrolle der Nachrichtendienste zu übertragen.
Das PKGrG ist nach dem Gutachten von Dr. Gerhard Schäfer für das PKGr im 2006 auch gemäß seiner
Vorschläge 2009 reformiert worden.
Die Rechte des PKGr sind erweitert worden. Ein wichtiger und notwendiger Vorschlag, das PKGr mit den
Rechten aus der StPO zu versehen, ist aber noch nicht umgesetzt.
Der Sachverständige empfiehlt, die Rechte, die Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages
im Rahmen des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages nach der StPO zustehen, in sinngemäßer Weise auch dem PKGr zuzugestehen und in das PKGrG zu
integrieren.
15. Die Tätigkeit des Sachverständigen wurde von der Bundesregierung vorbehaltlos unterstützt. Das BfV,
Herr Präsident Dr. Maaßen, der Vizepräsident und dessen Ständige Vertreterin, die Projektgruppe beim
BfV und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben die Untersuchung gefördert. Dies gilt in gleicher
Weise für alle Behörden des Bundes und der Länder, die der Sachverständige um Amtshilfe ersucht hat.