Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

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Drucksache 18/6545

wohl im Rahmen einer Bereinigung der Arbeitsplätze zum Jahreswechsel, unbearbeitet in die Ablage, wo
sie Jahre später von Beamten des BKA gefunden wurde. Das BfV, welches auch selbst nach der CD suchte,
war nicht in der Lage, sie im eigenen Haus zu finden.
Eine davon auch hier zu trennende Frage ist, was wohl geschehen wäre, wenn die CD im BfV richtig
ausgewertet worden wäre. Im BfV wäre 2005 bekannt geworden, dass eine sich „Nationalsozialistischer
Untergrund – NSU“ nennende Gruppe möglicherweise eine rechtsextreme und neonazistische Propaganda-CD hergestellt und zur Verbreitung angeboten hat. Es hätte unter Umständen der zweite Hinweis
auf den „NSU“ werden können.
5.

Der Einsatz von R*** als Quelle im Bereich des „European White Knights of the KKK“ in Baden-Württemberg war nach Überzeugung des Sachverständigen im Sinne der Aufgabenerfüllung des BfV überwiegend erfolgreich. Die Gruppe löste sich nach kurzer Zeit auf, zu schwerwiegenden Straftaten ist es,
obwohl gerade R*** einen gewaltbereiten Rechtsextremisten als Mitglied geworben hat, nicht gekommen
und die Mitgliedschaft aktiver Polizeibeamter aus Baden-Württemberg im „European White Knights of
the KKK“ wurde aufgedeckt.
Verbindungen zwischen diesem Beamten und der Ermordung der Polizeibeamtin Michèle K*** sind frappant, berühren aber jedenfalls nach den Untersuchungen des Sachverständigen den Einsatz der Quelle
Corelli nicht.

6.

Der Tod von R*** ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf eine Diabeteserkrankung zurückzuführen. Ein Hinweis auf ein mögliches Fremdverschulden hat sich nicht feststellen lassen.

7.

Trotz anderslautender Versicherungen im Allgemeinen und auch vor dem NSU-Untersuchungsausschuss
im Besonderen ist aktenmäßig belegt, dass ein Mitarbeiter des BfV wegen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen R*** Kontakt zum BKA und zur zuständigen Staatsanwaltschaft aufgenommen
hat. Hintergrund war der Verdacht der Einfuhr des „NS-Kampfrufs“ der NSDAP-AO und anderer antisemitischer Pamphlete. Das BfV wollte im Vorfeld über Exekutivmaßnahmen gegen R*** informiert werden. Erörtert wurde mit dem BKA, wie R*** sich verhalten solle, um einer möglichen Bestrafung zu
entgehen und mit dem Staatsanwalt, ob eine Einstellung im Hinblick auf die V-Mann-Eigenschaft von
R*** möglich wäre.
Auch wenn die Bekanntgabe einer bevorstehenden Hausdurchsuchung und das Nichtbetreiben der staatsanwaltschaftlichen Ermittlung zuallererst ein Problem auf Seiten der Strafverfolgungsbehörden ist, sollte
auch auf Seiten des BfV und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter klar sein, dass ein solches Vorgehen
gesetzeswidrig ist und nicht ohne Folgen bleiben kann.
Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BfV sollten auf die Strafbarkeit eines solchen Verhaltens hingewiesen werden.

8.

Seinem Arbeitgeber gegenüber hat R*** zugegeben, dass er während seiner Wehrdienstzeit Krankheiten
nur vorgespielt hat, um schnell wieder aus der Bundeswehr entlassen zu werden. Ob Mitarbeiter des BfV
ihm dabei geholfen haben, ließ sich nicht mehr klären. Unmöglich scheint dies nicht, weil sein V-MannFührer dem Sachverständigen gegenüber nicht ausschließen wollte, R*** auch bei seiner Kriegsdienstverweigerung geholfen zu haben und weil es nicht sehr wahrscheinlich ist, dass der bildungsschwache R***
ohne fremde Hilfe in der Lage war, Ärzte erfolgreich zu täuschen. R*** hat als Soldat in der Bundeswehr
einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gestellt. Dazu musste er eine ausführliche
schriftliche Begründung vorlegen und in einer mündlichen Verhandlung vor einem Anerkennungsausschuss bestehen. Beides scheint dem Sachverständigen, der über große Erfahrung bei der Vertretung von
Kriegsdienstverweigerern verfügt, ohne fremde Hilfe fast unmöglich zu sein. Gerade Soldaten im Grundwehrdienst hatten es besonders schwer, als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden.
Im Ergebnis spricht viel dafür, ohne dass der Sachverständige hierfür Aktenbelege finden konnte, dass das
BfV den V-Mann R*** schnell wieder im Einsatz haben wollte und deshalb mitgeholfen hat, dass sich die
Bundeswehrzeit für R*** erheblich verkürzt und er auch keinen Ersatzdienst als anerkannter Kriegsdienstverweigerer leisten musste.

9.

Problematisch ist nach Überzeugung des Sachverständigen die Dichte der in den rechtsextremen Szenen
eingesetzten V-Personen und die Geheimnistuerei der Verfassungsschutzbehörden untereinander, die trotz
gesetzlicher Verpflichtung zur Kooperation zumindest vor dem 04.11.2011 sicher bestand. Dies führte zu
folgenden vom Sachverständigen festgestellten skurrilen Situationen:

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