Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
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Drucksache 18/6545
aus der treuhänderischen Verwahrung durch das BfV sicher und sichtete die CDs und Literatur grob. Der Sachverständige überprüfte im Rahmen seiner Untersuchung die Literatur und die CDs aus der Wohnung von R***
und übergab eine CD mit unbekanntem Inhalt zur Überprüfung an das BKA.
Im Zuge des Fortgangs der Schutzmaßnahmen kam es immer wieder zu Konflikten zwischen dem bisherigen
V-Mann-Führer und dem dafür zuständigen Referat, bis der V-Mann-Führer sich schließlich im März 2014 ein
letztes Mal mit R*** traf, um den Kontakt endgültig zu beenden. Dessen ungeachtet schickte R*** tags darauf
seinem V-Mann-Führer folgende SMS: „Wünsch dir ein schönes WE, auch wenn ich dich nicht mehr anrufen
soll oder darf.“
Laut einem Bericht des BfV gegenüber dem PKGr nach dessen Tod habe R*** den Wunsch geäußert, „800 €
monatlich und die Miete zu verdienen“. Erhalten hat er vom BfV in der Betreuungsphase letztlich einen darüber
liegenden monatlichen Lohnersatzbetrag zuzüglich Mietkosten. Ferner hat das BfV R*** dem Bericht des Sachverständigen zufolge die Kosten eines Sprachlehrgangs bezahlt und ihm in der Betreuungsphase sämtliche Spesen ersetzt, die er mit Belegen nachweisen konnte.
Der nach Einschätzung des Sachverständigen vor allem in der Schutzmaßnahme unangemessen hohe monatliche Lohnersatzbetrag zuzüglich Mietkosten war seinerzeit auch Thema unter den Mitarbeitern des BfV. Während in einem internen Sprechzettel des BfV für den Präsidenten Dr. Hans-Georg Maaßen im Januar 2014 von
„enormen Kosten- und Betreuungsaufwand“ die Rede gewesen sei, unterrichtete dieser das PKGr im Juni 2014
aber lediglich über eine „angemessene finanzielle Unterstützung“ von R***.
4.9 Todesumstände und Todesermittlungen
Am 07.04.2014 wurde R***, der seit September 2012 in einer Schutzmaßnahme des BfV gewesen war und seit
dem 01.10.2013 mit neuer Identität als „Thomas D***“ in Paderborn wohnte, tot in seiner Wohnung aufgefunden. Eine Auswertung der von R*** in der Schutz- oder Betreuungsphase benutzten drei Mobiltelefone mitsamt
der dazugehörigen SIM- und SD-Karten sowie eines im Rahmen des Ermittlungsverfahrens des GBA zum
„NSU-Umfeld“ in seiner Wohnung sichergestellten Notebooks durch das BKA, ergab, dass R*** sich am
02.04.2014 um 09.09 Uhr per SMS bei seinem Betreuungsteam des BfV krank gemeldet hat. Ein Treffen für
den 03.04.2014 hat er abgesagt.
Am 02.04.2014, 18.55 Uhr über Whats App von einem Leipziger Nachbarn, mit dem R*** entgegen den Vorgaben des BfV auch in der Schutzphase Kontakt gehalten hatte, nach seinem Befinden gefragt, hat er am
03.04.2014 um 14.26 Uhr geantwortet, er sei krank. Auf weitere SMS beziehungsweise Whats App-Anfragen
vom Betreuungsteam und von seinem Nachbarn hat R*** nicht mehr reagiert. Über sein Mobiltelefon Sony
Xperia hat R*** nach den Feststellungen des Sachverständigen danach zwischen dem 03.04.2014 um 14.35
Uhr und dem 04.04.2014 um 04.51 Uhr zwölf Mal über eine Suchmaschine im Internet mit Suchbegriffen wie
„Magenschmerzen“, „Bauchschmerzen“, „Krankenhaus“ und „Arzt“ nach medizinischer Hilfe an seinem Wohnort gesucht.
Telefonanrufe des Betreuungsteams und des V-Mann-Führers in der Zeit vom 05.04.2014 bis 07.04.2014 hat
R*** nicht mehr entgegengenommen. Am Nachmittag des 07.04.2014 sind zwei Personen vor dem Haus, in
dem R*** wohnte, erschienen und haben sich als Bekannte von „Thomas D***“ ausgegeben und dem Vermieter erklärt, sie machten sich Sorgen um ihn, da sie seit einigen Tagen erfolglos versucht hätten, ihn zu erreichen.
Der Vermieter hat daraufhin versucht, die Wohnungstür mit einem Ersatzschlüssel zu öffnen. Da die Tür verschlossen war und der Schlüssel von innen steckte, hat der Vermieter die Wohnungseingangstür mit Gewalt
aufgebrochen. In der Wohnung hat er festgestellt, dass sämtliche Jalousien heruntergelassen waren und teilweise Licht brannte. R*** lag unbekleidet auf dem Bett und war offensichtlich bereits tot. Daraufhin hat der
Vermieter die beiden Bekannten in die Wohnung geholt, ihnen den Verstorbenen gezeigt und den Notarzt verständigt. Alle Personen haben die Wohnung verlassen und auf der Straße auf den Notarzt gewartet. Der Notarzt,
der kurz nach den Rettungssanitätern um 15.40 Uhr erschien und um 16.05 Uhr für „Thomas D***“ einen
Totenschein ausstellte, hat keine Anhaltspunkte für äußere Einwirkungen gesehen, erklärte die Todesart für
ungeklärt und den Sterbezeitpunkt für nicht bestimmbar.
Zwei Polizeibeamte der Kreispolizeibehörde Paderborn hatten um 15.54 Uhr den Auftrag erhalten, zu einem
ungeklärten Todesfall in Schloss Neuhaus zu fahren. Die Beamten fanden neben der Leiche unter anderem auf
einem Stuhl und auf dem Bett zwei Mobiltelefone vor und neben dem Bett mehrere, zum Teil noch gefüllte
Getränkeflaschen sowie eine angebrochene Packung eines Medikaments gegen Magenbeschwerden und Übelkeit. Die Polizeibeamten veranlassten die Überführung der Leiche zum Friedhof und versiegelten die Wohnung.