Drucksache 18/6545
– 22 –
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
waren bei und auch anlässlich der Erfüllung der Aufträge, die das BfV R*** erteilt hatte, begangen worden.
Mehrfach haben diese Ermittlungen auch zu Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen bei R*** geführt. Soweit davon elektronische Geräte wie zum Beispiel Computer, Festplatten oder Laptops betroffen waren, wurden
sie auf Kosten des BfV ersetzt, um R*** arbeitsfähig zu halten.
Aktenmäßig dokumentiert ist ferner, dass sich der damalige V-Mann-Führer von R*** im Jahr 1995 mit dem
Ersuchen an das BKA gewandt hat, vorab über bevorstehende Exekutivmaßnahmen gegen R*** informiert zu
werden. Bei einem Telefonat wurde dem BfV vom BKA nahegelegt, dafür zu sorgen, dass bei einer bevorstehenden Hausdurchsuchung nichts gefunden wird und sich der Beschuldigte R*** nicht zu seinen eigenen Lasten
einlässt.
Von der Staatsanwaltschaft erwartete der V-Mann-Führer eine Einstellung des Verfahrens. Die ermittelnde
Staatsanwaltschaft sicherte ihm daraufhin zu, die Ermittlungsakten wenigstens für ein halbes Jahr nicht zu bearbeiten. Ein solches Verhalten wurde seitens der Verfassungsschutzbehörden immer bestritten. Umso befremdlicher ist es dem Sachverständigen zufolge, dass sich ein späterer V-Mann-Führer von R*** dazu verstieg,
als Zeuge im NSU-Untersuchungsausschuss ausdrücklich zu behaupten, in seiner Zeit habe es im Fall R***
niemals Einflussnahmen gegenüber Strafverfolgungsbehörden gegeben. Nachdem im Jahr 1999 das Landeskriminalamt (LKA) Sachsen-Anhalt dem BfV mitgeteilt hatte, dass ein Ermittlungsverfahren gegen R*** wegen
des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen auf einer seiner Homepages geführt
werde, wurde R*** von seinem V-Mann-Führer aufgefordert, seine Homepages sofort vom Netz zu nehmen.
In drei Fällen löschte der V-Mann-Führer selbst Inhalte aus den Gästebüchern dieser Seiten aus Sorge, dass sie
strafrechtliche Ermittlungen gegen R*** nach sich ziehen könnten.
4.8 Enttarnung, Abschaltung, Betreuung
Enttarnung
Nachdem im Sommer 2012 Presseveröffentlichungen einen Zusammenhang zwischen R*** und dem „NSU“
thematisiert hatten, wurden nach den Feststellungen des Sachverständigem im BfV Befürchtungen laut, in der
Öffentlichkeit könnte eine Verbindung zwischen R*** und der Quelle Corelli hergestellt werden. Daraufhin
fand am 24.08.2012 im BfV eine Besprechung zur Vorbereitung von Maßnahmen zum Schutz von R*** im
Falle seiner Enttarnung als V-Mann statt. Die Befürchtung einer unmittelbar bevorstehenden Enttarnung R***s
wurde unter anderem damit begründet, dass seine Identität dem Bundesministerium des Innern (BMI) und einigen Beamten des BKA übermittelt worden und eine Unterrichtung der Vorsitzenden des PKGr und des NSUUntersuchungsausschusses vorgesehen sei. Als Ergebnis der Besprechung wurden erste konkrete Schritte zur
einer Legendierung R***s verabredet.
In der Folgezeit kam es im NSU-Untersuchungsausschuss gegenüber Zeugen zu Vorhalten über einen V-Mann
Corelli. Die Vorhalte wurden nach den Feststellungen des Sachverständigen von einem Redakteur am
14.09.2012 in einer Presseanfrage an die Pressestelle des Ministeriums für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt aufgegriffen. Als dann am 18.09.2012 in der Magdeburger Volksstimme ein Artikel erschien, in
dem der V-Mann Corelli erstmalig namentlich mit der Person Thomas R*** in Verbindung gebracht wurde,
hatte das BfV R*** tags zuvor bereits in einer Blitzaktion ins Ausland verbracht, wo er zunächst bis zum
24.09.2012 geblieben war.
Abschaltung und Betreuung
Am 18.09.2012 schlug R***s V-Mann-Führer vor, mit R*** in einer konspirativen Wohnung zusammenzuziehen und diesen Ort völlig geheim zu halten. Dagegen begehrte das für die eingeleiteten Schutzmaßnahmen
zuständige Referat auf und sprach von „sinnlosen Legendierungsmaßnahmen“.
Am 27.11.2012 wurde R*** offiziell als Quelle abgeschaltet. Die ihm vorgelegte schriftliche Abschalterklärung, die einen Hinweis auf eine fortdauernde strafbewerte Geheimhaltungspflicht enthielt und eine Erklärung
des V-Manns vorsah, dass seine sämtlichen Geldforderungen gegen das BfV abgegolten seien, unterschrieb
R*** nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht. Ursächlich dafür dürfte nach Ansicht des Sachverständigen gewesen sein, dass R*** auf finanzielle Ansprüche gegenüber dem BfV nicht verzichten wollte.
Am 30.11.2012 erhielt R*** seine neue Identität als „Thomas D***“. Im Oktober und Dezember 2012 räumten
Mitarbeiter des BfV zusammen mit R*** seine Leipziger Wohnung aus. Alle Gegenstände seines Hausrats,
darunter mehrere Festplatten, mehrere 100 CDs und rechtsextreme wie nationalsozialistische Literatur wurden
beim BfV „treuhänderisch“ eingelagert. Die Festplatten und andere elektronische Geräte stellte das BKA später