Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

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Drucksache 18/6545

den Bombenanschlag in der Kölner Probsteigasse, Mordtaten mit der Ceska und mehrere Banküberfälle verübt.
Ferner hatte das „NSU-Trio“ das Bekennervideo bereits in Grundzügen erarbeitet. Das sowohl im Video als
auch im bereits Anfang 2002 mehrfach versandten „NSU-Brief“ in sich verschlungene „NSU-Logo“ war zum
Zeitpunkt der Erstellung der relevanten Dateien entwickelt und verwendet, findet sich in den Dateien der „NSUCDs“ aber nicht. Weder im „NSU-Brief“ noch im Bekennervideo finden sich umgekehrt ein Bezug zur NSDAP,
wie in den fraglichen Dateien auf den „NSU-CDs“ der Fall ist. Bezüge zu „Paulchen Panther“ wie im Bekennervideo sind auch in den zahlreichen Comics auf den „NSU-CDs“ nicht zu finden. Dies gilt auch für die vom
„NSU-Trio“ – jedenfalls im Bekennervideo – deutlich dargestellten antitürkischen Ressentiments. Auch diesbezüglich fanden sich – trotz der großen Anzahl an Dateien – auf den „NSU-CDs“ keine entsprechenden Inhalte. Dort gibt es zwar zahlreiche deutlich rassistische Bilder, Zeichnungen, Comics etc. Diese haben aber
antijüdische Inhalte und Zielrichtung oder sind gegen Dunkelhäutige gerichtet. Spezifisch anti-türkische Inhalte, wie sie offensichtlich das Denken und Handeln des „NSU-Trios“ stark bestimmt haben, sind darauf hingegen nicht zu finden.
Dies spricht nach Ansicht des Sachverständigen eher gegen die Annahme, die „NSU-CD“ sei unter Mit-wirkung oder gar unter maßgeblicher Verantwortung des „NSU-Trios“ entstanden. Im Ergebnis fasste es so auch
das BfV in einem umfassenden Auswertungs- beziehungsweise Bewertungsvermerk vom 22.10.2014 zusammen. Dort finden sich als Fazit folgende Ausführungen:
„Aufgrund der obigen Ausführungen kann angenommen werden, dass es sich bei den in den aufgefundenen
CDs enthaltenen Dateien mit der Signatur ‚NSU/NSDAP’ nicht um solche handelt, die dem ‚NSU-Trio’ zuzuordnen sind. Der Begriff ‚NSU’ scheint eher seitens des ‚Trios’ in Anlehnung an die Begrifflichkeiten aus
verschiedenen rechtsextremen Publikationen, wie dem ‚NS-Kampfruf’ übernommen worden zu sein und insofern keine exklusive Wortschöpfung darzustellen. Die tatsächliche Urheberschaft der ‚NSU-Dateien’ konnte
bisher im BfV nicht ermittelt werden. Für eine Beteiligung von R*** an der Erstellung der ‚NSU/NSDAPDateien’ liegen nach den derzeit vorliegenden Erkenntnissen keine Anhaltspunkte vor.“ Diese Einschätzung
wurde wohl auch vom BKA geteilt, wobei noch weitere Untersuchungen liefen, als der Sachverständigenbericht
verfasst wurde.
Dem stehen andererseits Überlegungen des LfV Hamburg gegenüber. Das LfV Hamburg sah die Frage nach
der Urheberschaft und der Beteiligung des „NSU-Trios“ kritisch. So wurde vom dortigen Amt unter das eben
dargelegte Fazit des BfV im Vermerk vom 22.10.2014 handschriftlich Folgendes notiert:
„Tatsache ist, dass es NSU der NSdAP heißt; dies wird auch hierdurch nicht schlüssig erklärt. NSU ist in der
rex-Szene nicht unbedingt ein Alltagsbegriff!“ [Schreibweise wie im Original]. Das LfV Hamburg weist im
Nachhinein ergänzend darauf hin, dass diese Notiz nicht dahingehend zu interpretieren sei, dass das LfV Hamburg von einer (Teil-)Identität der Urheber der CD mit dem NSU überzeugt oder auch der Auffassung wäre,
die vom BfV dargelegte Hypothese sei falsch. Die Notiz sei nach Aussage des LfV Hamburg vielmehr als
kommentierender Hinweis zu verstehen, die Hypothese des BfV kritisch auf Plausibilität zu prüfen und keine
einengende Fokussierung vorzunehmen.
An anderer Stelle verwies das LfV Hamburg darauf, dass es – trotz der Unterschiede im Detail – überraschend
und damit höchst unwahrscheinlich wäre, wenn zwei völlig voneinander getrennt agierende Gruppierungen
ungefähr zeitgleich dieselbe Bezeichnung „Nationalsozialistischer Untergrund“ beziehungsweise die Abkürzung „NSU“ verwenden würden.
Der Sachverständige konnte diese Frage letztlich nicht abschließend entscheiden. Beide Überlegungen haben
ihm zufolge ein hohes Maß an Plausibilität. Die doch recht eindeutige Festlegung des BfV, dass der „NSUAufruf“ in der „NSU-CD“ nicht dem „NSU-Trio“ zuzuordnen ist, war aus Sicht des Sachverständigen aufgrund
der Faktenlage nicht nachvollziehbar. Das BfV selbst war in seiner Überlegung vom April/Mai 2014 noch
vorsichtiger und ergebnisoffener.
Festzuhalten bleibt, dass sich weder aus den Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden noch aus den Ermittlungen des GBA/BKA ein konkreter Beleg für eine Mitwirkung oder Urheberschaft des „NSU-Trios“ ergeben hat.
Mitwirkung von R*** an den CDs?
Die grundsätzliche Möglichkeit zur Herstellung und zum Vertrieb von CDs hat R*** gehabt. Technisch war
R*** bestens ausgestattet und hatte die entsprechenden Fähigkeiten. Außerdem war er – dies ergab sich aus
zahlreichen Quellenmeldungen – praktisch immer neben seinen beruflichen Aktivitäten als Händler im rechtsextremen Bereich aktiv, wo er unter anderem T-Shirts und Musik-CDs vertrieb.

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