Auch durch § 100 d Abs. 3 Satz 2 StPO wird ein Überwachungsverbot für Gespräche mit engsten Vertrauten nicht in ausreichender Weise gewährleistet. Zwar ist danach die akustische Wohnraumüberwachung unzulässig, wenn zu erwarten ist, dass
sämtliche aus der Maßnahme zu gewinnenden Erkenntnisse einem Verwertungsverbot unterliegen. Solche Verwertungsverbote können sich nicht nur aus § 100 d Abs. 3
Satz 3 StPO im Hinblick auf Zeugnisverweigerungsberechtigte ergeben, sondern
auch unmittelbar aus den Grundrechten, insbesondere bei einer Berührung des
Kernbereichs privater Lebensgestaltung (vgl. Nack, in: Karlsruher Kommentar zur
Strafprozessordnung, 5. Aufl., 2003, § 100 c Rn. 24; Rudolphi/Wolter, Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung, § 100 d Rn. 38, Stand: April 2001). Allerdings zielt die Regelung weder nach der gesetzgeberischen Intention noch nach ihrem Wortlaut auf ein Überwachungsverbot in Situationen, in denen eine
Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass mit den Abhörmaßnahmen absolut geschützte Gespräche erfasst werden. Mit ihr sollte allein der auch für andere Ermittlungsmaßnahmen geltende Grundsatz klargestellt werden, dass eine Maßnahme, die nur
zur Gewinnung unverwertbarer Erkenntnisse führen kann, bereits nicht geeignet ist,
das mit einer strafprozessualen Maßnahme verfolgte Ziel der Gewinnung von verwertbaren Erkenntnissen zu erreichen (vgl. Bericht des Bundestagsrechtsausschusses, BTDrucks 13/9661, S. 7).
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Ein Überwachungsverbot besteht nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift
zudem nur, wenn sämtliche Erkenntnisse einem Verwertungsverbot unterliegen würden. Das wird aber auch bei der Überwachung des Beschuldigten, der sich allein mit
seinen engsten Familienangehörigen und Vertrauten in der Wohnung aufhält, praktisch niemals anzunehmen sein. Bei strikter Auslegung würde § 100 d Abs. 3 Satz 2
StPO dazu führen, dass ein Überwachungsverbot allenfalls höchst ausnahmsweise
besteht, weil Gespräche in der Regel durch eine Gemengelage unterschiedlicher Inhalte geprägt sind. Es genügt nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, wenn
der Gesetzgeber die Unzulässigkeit der akustischen Wohnraumüberwachung nur für
den Fall vorsieht, dass sämtliche Erkenntnisse einem Verwertungsverbot unterliegen. Eine restriktive Auslegung, die zu einem verfassungsrechtlich befriedigenden
Ergebnis führen würde, ist angesichts des klaren Wortlauts ("sämtliche Erkenntnisse") ausgeschlossen.
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bb) Der Gesetzgeber hat in § 100 d Abs. 3 StPO auch keine hinreichenden Vorkehrungen dafür getroffen, dass die Überwachung abgebrochen wird, wenn unerwartet
eine Situation eintritt, die dem unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung
zuzurechnen ist. Die Fortsetzung der Überwachung ist in solchen Fällen rechtswidrig.
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cc) Ebenfalls fehlen ausreichende Regelungen dahingehend, dass eine Verwertung
unterbleibt, wenn Erkenntnisse unter Verletzung des Kernbereichs privater Lebensgestaltung erlangt worden sind, und dass in diesem Fall schon erhobene Daten gelöscht werden.
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