sei, wenn der Beschuldigte sich tatsächlich in der Wohnung aufhalte, oder ob allein
die anfängliche Vermutung eines solchen Aufenthalts für ein weiteres Abhören ausreichend sei. Auch § 100 c Abs. 2 Satz 5 StPO enthalte insoweit keine Präzisierung.
Die Unverhältnismäßigkeit der angegriffenen Vorschriften zeige sich auch anhand
der jährlichen Berichte der Bundesregierung über die durchgeführten Lauschangriffe.
Dabei falle nicht nur ins Gewicht, dass überwiegend Nichtbeschuldigte von den bisher durchgeführten Lauschangriffen betroffen gewesen seien. Nicht zu übersehen
seien auch die geringe Anzahl bisher durchgeführter Ermittlungsmaßnahmen nach
den angegriffenen Vorschriften und die noch geringere Zahl relevanter Erkenntnisse
für die sich anschließenden Strafverfahren. Angesichts dieser praktischen Erfahrungen könne keine Rede davon sein, dass der große Lauschangriff ein unverzichtbares
Instrument der Strafverfolgung sei, denn er habe in der Realität offenkundig keine signifikante Bedeutung erlangt.
Die auf der Grundlage des Art. 13 Abs. 3 und 6 GG eingeführten Vorschriften der
Strafprozessordnung seien auch dann als verfassungswidrig anzusehen, wenn man
entgegen der von den Beschwerdeführern vertretenen Ansicht von einer Vereinbarkeit der Verfassungsänderung mit Art. 79 Abs. 3 GG ausgehe. Schon der Straftatenkatalog des § 100 c Abs. 1 Nr. 3 StPO gehe weit über den Bereich der besonders
schweren Straftaten hinaus. Es handele sich zwar durchweg um Straftaten nicht unerheblicher Bedeutung, jedoch gefährdeten keineswegs alle Tatbestände die Grundsätze des Rechtsstaats in einer Weise, dass die Strafverfolgung dieser Taten
schwerwiegende Grundrechtseingriffe der hier in Rede stehenden Art rechtfertigen
könne. Die Vorschrift verstoße außerdem deshalb gegen Art. 13 Abs. 3 GG, weil sie
über den Wortlaut der Grundrechtsnorm hinaus Eingriffe auch zur Ermittlung des Aufenthaltsorts des Täters zulasse. Die erst am Ende des Gesetzgebungsverfahrens
eingefügten Verwertungsverbote bewirkten keinen hinreichenden Schutz nicht beschuldigter Dritter gegen die schwerwiegenden Grundrechtseingriffe. Mit dem wortreichen Verweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in § 100 d Abs. 3 StPO habe
sich der Gesetzgeber seiner Verantwortung entzogen und gegen das Gebot der Normenklarheit verstoßen. Insbesondere wenn es um das Belauschen eines Gesprächs
von Ehepartnern gehe, die selbst nicht Beschuldigte seien, könne es keine Abwägung mit Strafverfolgungsinteressen geben, da jedenfalls dann der Kernbereich des
Persönlichkeitsrechts betroffen sei.
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Die angegriffenen Vorschriften verletzten ferner das Gebot des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG und den Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103
Abs. 1 GG. § 100 d Abs. 6 StPO sehe zwar eine nachträgliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Lauschangriffs vor. Dadurch, dass das Gesetz erlaube, eine Benachrichtigung auf Dauer zu unterlassen, würden die Betroffenen indes potentiell rechtlos
gestellt. Komme das Gericht nach sechs Monaten zu dem Ergebnis, dass Gründe für
einen weiteren Aufschub der Benachrichtigung gegeben seien, finde eine nochmalige gerichtliche Prüfung gemäß § 101 Abs. 1 StPO nicht mehr statt. Erst nach weiteren vier Jahren setze eine Berichtspflicht der Staatsanwaltschaft ein, ohne dass das
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