Art. 19 Abs. 4 GG verletzt.
a) Sie führen aus, es sei ihnen nicht bekannt, ob gegen sie Maßnahmen nach
§ 100 c Abs. 1 Nr. 3 StPO bereits angeordnet worden seien. Nach den angegriffenen
Regelungen könne von derartigen Maßnahmen weder vor noch während ihrer Durchführung Kenntnis genommen werden. Auch nach Beendigung der Maßnahme könne
eine Benachrichtigung für Monate oder gar Jahre unterbleiben. Unter diesen Umständen sei die Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen das Gesetz zulässig.

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b) In der Sache machen die Beschwerdeführer geltend, dass die Grundgesetzänderung nicht die Anforderungen erfülle, die nach Art. 79 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 19
Abs. 2 GG an eine Verfassungsänderung zu stellen seien. Die Grundgesetzänderung
diene - anders als es das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 15. Dezember
1970 (BVerfGE 30, 1) für die Änderung des Art. 10 GG festgestellt habe - nicht dem
Schutz der Verfassung, sondern nur der Ermöglichung wirksamerer Strafverfolgung.
Zwar sei auch die effektive Strafverfolgung ein wichtiges Rechtsgut. Sie rechtfertige
aber selbst dann, wenn es um Schwerkriminalität gehe, keine elementaren Grundrechtseinschränkungen. Diese genügten nicht den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

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Gegen die Geeignetheit der Maßnahme spreche bereits, dass sich das organisierte
Verbrechen ohne weiteres auf die Abhörmaßnahmen einstellen könne. Zudem fehle
es bisher an jeglichem Beleg für die Erforderlichkeit der akustischen Wohnraumüberwachung. Sie bleibe auch nach den ersten Erfahrungen mit diesem Instrument zweifelhaft. Ein Großteil der Maßnahmen sei nach den jährlichen Berichten der Bundesregierung für das Strafverfahren nicht relevant gewesen. Unter den Betroffenen sei
zudem jeweils eine hohe Anzahl Nichtbeschuldigter. Eine derart geringe Relevanz
könne die massive Grundrechtseinschränkung durch Art. 13 Abs. 3 bis 6 GG nicht
rechtfertigen. Zu beanstanden seien in Ansehung des tief greifenden Grundrechtseingriffs auch die in Art. 13 Abs. 3 GG vorausgesetzte geringe Verdachtsschwelle
(einfacher Tatverdacht) und die fehlende Bestimmtheit des Begriffs der besonders
schweren Straftaten. Damit stehe das Grundrecht zur Disposition des einfachen Gesetzgebers, der den Straftatenkatalog nach Belieben gestalten und erweitern könne.

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Ungeachtet dessen scheitere die Grundgesetzänderung vor allem daran, dass sie
einen unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung berühre, der der öffentlichen
Gewalt schlechthin entzogen sei. Dies folge einerseits aus der Garantie des Wesensgehalts der Grundrechte und zum anderen aus dem Kern der Persönlichkeit als Teil
der unantastbaren Würde des Menschen. In diesen Kernbereich werde durch die
Grundgesetzänderung eingegriffen. Wenn man in seiner Wohnung nicht mehr sicher
sein könne, im privaten und intimen Kreis, ja sogar bei Selbstgesprächen nicht belauscht zu werden, so bleibe vom Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung
nichts mehr übrig. Auf das Telefonieren und Briefeschreiben könne gegebenenfalls
verzichtet werden, auf eine letzte Rückzugsmöglichkeit in der eigenen Wohnung
nicht. Auch der Bundesgerichtshof (vgl. BGHSt 31, 296) sehe das Mithören und Ver-

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