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5.2.5.1 Datei „Global“
Ein Beispiel für eine Auswertedatei, in der sämtliche Informationen zu bestimmten Projekten vorläufig gespeichert und erst anschließend auf ihre Relevanz für polizeioder ermittlungstaktisches Vorgehen bewertet werden,
stellte die Datei „Global“ dar, die im Zusammenhang mit
gewalttätigen Aktionen und anderen Straftaten militanter
Globalisierungsgegner geführt wurde (19. TB Nr. 13.2.2).
Meine Bedenken gegen Auswertedateien, wonach der
Personenkreis, über den Daten gespeichert werden, nicht
präzise genug bestimmt ist und Informationen ungeachtet
ihrer Relevanz für die polizeiliche Aufgabenerfüllung erfasst werden, haben sich im April 2003 anlässlich eines
Beratungs- und Kontrollbesuches im BKA im Wesentlichen bestätigt: Die Polizeirelevanz bestimmter Daten ergab sich allein daraus, dass diese von Polizeidienststellen
des In- und Auslandes stammten. Die Informationen betrafen auch Personen, die nur mittelbar in den Themenzusammenhang mit der Globalisierungsgegnerschaft gestellt werden konnten. Auf diese Weise wurden in der
Datei auch Daten zu Personen undifferenziert gespeichert, die lediglich an Anti-Globalisierungsveranstaltungen teilgenommen oder Kundgebungen hierzu ordnungsgemäß angemeldet hatten, ohne dass gegen sie
strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet worden waren.
Nach meinen Feststellungen kam die Datei „Global“ in
ihrer Zielsetzung einer vom BKA geführten Vorsorgedatei gleich. Der für Vorsorgedateien durch § 8 BKAG
vorgegebene Rahmen ist jedoch erheblich überzogen
worden. So wurden Informationen auch im Rahmen von
strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt
verarbeitet und genutzt, obwohl zu den betreffenden Personen über ihre Demonstrationsteilnahme hinaus keine
weiteren Erkenntnisse vorlagen, die eine Kategorisierung
gem. § 8 BKAG gerechtfertigt hätten. Eine normenklare
Rechtsgrundlage, die dies zulassen würde, besteht nicht.
Auch § 7 BKAG, der nach Auffassung des BMI die Speicherung personenbezogener Daten in Auswertedateien erlaubt, trägt dem nicht Rechnung, weil sich aus ihm Voraussetzungen und Umfang der Einschränkungen des
informationellen Selbstbestimmungsrechts nicht klar und
für den Betroffenen erkennbar ergeben. Vor diesem Hintergrund hatte ich das BMI aufgefordert, von einer Weiterführung der Datei „Global“ abzusehen.
Das BMI ist meiner Empfehlung gefolgt und hat die Datei „Global“ mittlerweile gelöscht. Sofern die gesetzlichen Voraussetzungen des § 8 BKAG im Einzelnen vorlagen, wurden in ihr enthaltene Daten in eine Zentraldatei
des BKA überführt.
Trotzdem besteht die Problematik der Auswertedateien
weiter fort. Nach dem Muster der Datei „Global“ werden
im BKA noch weitere Auswertedateien zur Erkenntnisgewinnung über andere gesellschaftliche Erscheinungen
und Entwicklungen geführt. Nicht zuletzt im Hinblick auf
die strengen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an eine wirksame Einschränkung des informationellen Selbstbestimmungsrechts halte ich es daher für
dringend geboten, das Führen von Auswertedateien auf
eine normenklare Rechtsgrundlage zu stellen.

BfD

20. Tätigkeitsbericht

2003–2004

5.2.5.2 Indexdatei zum islamistischen
Terrorismus
Die Auswertedateien sind gemäß ihrer Errichtungsanordnungen so ausgestaltet, dass Übermittlungen personenbezogener Daten an andere Stellen grundsätzlich unzulässig
sind und nur ein begrenzter Personenkreis im BKA Zugriff auf die Dateien hat. Die zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus als Auswertedatei im März 2003
eingerichtete Indexdatei weicht erstmals von dieser Konzeption ab. Die darin gespeicherten personenbezogenen
Daten werden im Rahmen des polizeilichen Datenverbundes von den Polizeien des Bundes und der Länder unmittelbar in die Datei eingegeben bzw. für diese zum unmittelbaren Zugriff bereit gehalten. Nach Mitteilung des
BMI handelt es sich dabei um sog. weiche, d. h. unbewertete Daten von Personen, die in keinem direkten Zusammenhang mit Straftaten oder einer Gefährdung stehen.
Diese Daten waren vom BKA und den Landespolizeidienststellen bisher nur lokal in eigene Dateien eingestellt
worden, ohne dass ein gegenseitiger Zugriff darauf möglich war. Um die daraus entstandenen Informationsdefizite zu beseitigen, hatten die Gremien der IMK die Einrichtung einer Datei empfohlen, in der das BKA und die
Landespolizeien die Personalien von Personen, die in
„irgendeiner Form bei der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus bekannt geworden sind“, speichern
dürfen. Dies führte dazu, dass in der Indexdatei Daten zu
Personen erfasst werden, die weit über die in
§ 8 Abs. 1 bis 5 BKAG vorgesehen Personenkategorien
hinausgehen.
Dies ist nach den Regelungen des BKAG nicht zulässig.
Im Hinblick auf die mit einer Verbundanwendung einhergehende weite Verbreitung personenbezogener Daten
reicht es nicht aus, dass der Kreis der von der Speicherung betroffenen Personen allein durch den ohnehin stets
zu beachtenden Grundsatz der Erforderlichkeit für die Erfüllung der Zentralstellenaufgabe des BKA gem. § 7
Abs. 1 BKAG begrenzt wird. Vielmehr gibt § 8 BKAG
den Rahmen vor, innerhalb dessen sich Datenspeicherungen zum Zweck künftiger Strafverfolgung halten müssen,
wenn sie im polizeilichen Informationssystem des Bundes und der Länder erfolgen sollen. Anderenfalls käme
der Regelung des § 8 BKAG keine eigenständige Bedeutung zu.
Bei Ressortbesprechungen zur Ausgestaltung von Rechtsgrundlagen für das Führen gemeinsamer Dateien durch
Polizei und Nachrichtendienste (vgl. Nr. 5.1.1) wurde ein
Entwurf für einen neuen § 8a BKAG vorgelegt, der die
Verarbeitung personenbezogener Daten in Auswertedateien des BKA auf eine normenklare Rechtsgrundlage
stellen sollte. Am Beispiel der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus begründete das BMI die Notwendigkeit derartiger Dateien damit, dass den Polizeien des Bundes und der Länder Informationen über Personen
vorlägen, die nicht unter die Kategorie der sog. „sonstigen Personen“ im Sinne von § 8 Abs. 5 BKAG gefasst
werden könnten, auf die aber gleichwohl nicht verzichtet
werden könne.
Aus Anlass der Gesetzesberatungen habe ich mich durch
einen Informationsbesuch über die Qualität der Daten,

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