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sich also um eine Straftat von erheblicher, länderübergreifender oder internationaler Bedeutung handelt. Dies bedeutet, dass auch eine Vielzahl Daten über weniger bedeutsame Straftaten bundesweit abgerufen werden kann.
Im Verlauf des Jahres 2004 wurden auf der Grundlage eines Fragebogens, der von Vertretern der Landesbeauftragten für den Datenschutz und mir erarbeitet wurde,
mehrere intensive Gespräche mit dem BKA geführt. Außerdem haben Vertreter der LfD und meiner Dienststelle
eine Arbeitsgruppe INPOL-neu eingerichtet, die sich an
der konzeptionellen Entwicklung des Systems beteiligen
und damit Problemfelder frühzeitig herausarbeiten und
klären will. Ich halte die Teilnahme eines Vertreters dieser Arbeitsgruppe an den entsprechenden fachlichen
INPOL-Gremien beim BKA für dringend geboten, damit
falsche Weichenstellungen vermieden werden. Daneben
habe ich in Zusammenhang mit der Neufassung von Errichtungsanordnungen festgestellt, dass sich bei den
„Fall-Dateien“ die Anzahl der Freitextfelder, deren Inhalt
nur bei Einzelkontrollen überprüft werden kann, wesentlich erhöht hat. Freitextfelder sind deshalb problematisch,
weil – anders als bei vordefinierten Merkmalen – keine
technische Begrenzung auf bestimmte Begriffe erfolgt.
Insofern besteht hier ein besonderes Risiko, dass unzulässige oder diskriminierende Daten gespeichert werden.
Dieses Problem habe ich dem BMI gegenüber angesprochen. Ich werde die Fortentwicklung von INPOL-neu
sorgfältig begleiten und darauf achten, dass der gesetzliche Rahmen des BKAG beachtet wird.
5.2.4

„Schlafende Bestände“ über
Fingerabdruckmaterial und DNAIdentifizierungsmuster

Die mit der Schaffung sog. „Schlafender Bestände“ über
Fingerabdruckdaten und DNA-Identifizierungsmuster angestrebte längerfristige Speicherung dieser Daten über
die bestehenden Aussonderungsfristen hinaus wäre von
zweifelhaftem Wert.
In den Gremien der IMK wird derzeit beraten, unter welchen Bedingungen Fingerabdruckmaterial und DNAIdentifizierungsmuster nach fristgemäßer Aussonderung
der Unterlagen, zumeist nach Ablauf von zehn Jahren, in
einem gesonderten Recherchepool in Form eines sog.
„Schlafenden Bestandes“ längerfristig vorgehalten werden können. Auch nach Löschung der Daten eines Täters/
Tatverdächtigen soll eine Täteridentifizierung über die
Tatortspur gewährleistet werden, wenn eine neue Spur an
diesem „Schlafenden Bestand“ vorbeigeführt wird. Ein
Zugriff auf die Identifikationsdaten soll jedoch nur noch
im Falle eines Treffers beim Datenabgleich, nicht aber
über die Personeneingabe oder andere Suchkriterien zulässig sein. Andere polizeiliche Dateien sollen keine Hinweise enthalten, die auf die Speicherung von Fingerabdruckdaten und DNA-Identifizierungsmustern einer
Person in dieser gesonderten Datei schließen lassen.
Technisch realisiert werden soll dies entweder innerhalb
der bestehenden, beim BKA geführten Fingerabdruckbzw. DNA-Analysedatei oder durch Aufbau einer geson-

derten Datenbank, in die die betreffenden Datensätze zu
überführen sind.
Im Hinblick darauf, dass das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung nur im überwiegenden Allgemeininteresse und nur soweit dies zum Schutz öffentlicher Interessen unumgänglich ist, eingeschränkt werden darf, wirft
das Vorhaben eine Reihe von Fragen auf. Zweifel bestehen bereits bezüglich der Geeignetheit „Schlafender Bestände“ für die angestrebte Steigerung der Ermittlungseffektivität zum Schutz der Bevölkerung. Diese wäre
allenfalls dann zu bejahen, wenn es sich – durch empirisch festgestellte Rechtstatsachen belegt – erweisen
sollte, dass Straftäter in einem signifikanten Umfang erst
zehn Jahre oder später nach Begehung einer Straftat – und
damit weit nach Ablauf polizeilicher Speicherfristen –
rückfällig werden. Kriminologische Erkenntnisse, die
dies belegen, wurden nicht vorgetragen. Bei der Erörterung der Thematik wird zudem nicht hinreichend berücksichtigt, dass es sich bei den zu beachtenden Fristen für
die Speicherung von Fingerabdruckmaterial bzw. DNAIdentifizierungsmuster nicht um Höchstspeicherfristen,
sondern um sog. Aussonderungsprüffristen handelt. Bei
Ablauf dieser Fristen, die nach dem BKAG bei Erwachsenen grundsätzlich zehn Jahre betragen, sind die Daten
nämlich nicht automatisch zu löschen, sondern es ist zu
prüfen, ob ihre Kenntnis für die weitere Aufgabenerfüllung der Polizei erforderlich ist. Bei einer prognostizierten künftigen Straffälligkeit des Betroffenen kann die
Frist entsprechend verlängert werden. Im Falle der Verbüßung einer Freiheitsstrafe beginnt die Aussonderungsprüffrist zudem erst zu laufen, wenn der Betroffene aus
der Justizvollzugsanstalt entlassen oder die mit einer Freiheitsentziehung verbundene Maßnahme der Besserung
und Sicherung beendet ist. Eine angestrebte längerfristige
Nutzung von Fingerabdruckdaten und DNA-Identifizierungsmustern lässt sich somit – soweit erforderlich – bereits bei Ausnutzung der bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten erreichen. Für die Schaffung eines
„Schlafenden Bestandes“ fehlt es daher an der notwendigen Erforderlichkeit.
Bedauerlicherweise hat sich die IMK im November 2004
mehrheitlich für eine befristete weitere Speicherung von
Fingerabdruckdaten und DNA-Identifizierungsmustern in
einem „Schlafenden Bestand“ ausgesprochen. Die Schaffung eines „Schlafenden Bestandes“ würde Änderungen
der Landespolizeigesetze sowie des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes und – soweit die Datei zentral beim
BKA vorgehalten werden sollte – des BKAG erforderlich
machen.
5.2.5

Auswertedateien

Das BKA nutzt weiterhin Auswertedateien zur Erfüllung
seiner Aufgaben als Zentralstelle der Polizeien des Bundes und der Länder. Diese „Vordateien“ werden in Form
einer Amtsdatei (Nr. 5.2.5.1), aber auch als Verbunddateien (Nr. 5.2.5.2,) des polizeilichen Informationssystems geführt. Im Hinblick auf das Fehlen einer normenklaren Rechtsgrundlage im BKAG ist dies unter
datenschutzrechtlichen und rechtsstaatlichen Gesichtspunkten problematisch.

BfD

20. Tätigkeitsbericht

2003–2004

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