1.2.3 Rechtsprechung des EuGH
1.2.3.1 EuGH gewährt Informationszugang zu EU-Dokumenten
Der Zugang zu Dokumenten der EU-Organe war auch jüngst Gegenstand eines Verfahrens
vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Im Ergebnis hat der EuGH auf Grundlage der
Verordnung 1049/2001 einen Informationsanspruch anerkannt, der betroffenen Unternehmen
einen Einblick in Dokumente des Europäischen Emissionshandels-Systems ermöglicht. Namentlich ging es um Einsicht in die sog. Zuteilungslisten.
Bei den Zuteilungslisten handelt es sich um ein Instrument des Emissionshandels-Systems der
Europäischen Union.
Die Treibhausgas-Emissionen emissionshandelspflichtiger Anlagen werden auf eine Gesamtmenge begrenzt. Emissionsrechte werden in Form handelbarer Rechte (Zertifikate) ausgegeben. Die EU und ihre Mitgliedstaaten regeln, welche Gesamtmenge an Treibhausgasen emissionshandelspflichtige Anlagen in einem bestimmten Zeitraum ausstoßen dürfen.
Der Industriekonzern Saint-Gobain ist weltweit auf dem Glasmarkt tätig. Er beantragte in
Deutschland die Zuteilung von Emissionszertifikaten für die aktuelle Emissionshandelsperiode. Nachdem die zuständigen Behörden ihre Berechnungen durchgeführt hatten, übermittelten
sie ihre vorläufige nationale Zuteilungsliste an die EU-Kommission. Daraufhin beantragte
Saint-Gobain auf Grundlage der Verordnung 1049/2001 bei der Kommission Einsicht in die
deutsche Zuteilungsliste. Unter anderem begehrte der Konzern Informationen über die für
jeden Anlagenteil berechneten vorläufigen jährlichen Zahlen, der für die Jahre 2013 - 2020
zuzuteilenden Emissionszertifikate.
Die Kommission lehnte den Antrag unter Hinweis auf die Ausnahmeregel des Art. 4 Abs. 3,
S. 1 der Verordnung 1049/2001 ab. Demnach kann ein EU-Organ den Zugang zu einem Dokument verweigern, wenn dessen Verbreitung den Entscheidungsprozess des Organs ernstlich
beeinträchtigten würde. Dies sah die EU-Kommission als gegeben an. Der EuGH gab dem
Unternehmen auf dessen Klage hin Recht und verpflichtete die Kommission zur Gewährung
des Informationszuganges.
In der Urteilsbegründung verwies der EuGH auf das Regelungsziel der Transparenzverordnung, eine immer enger werdende Union zu fördern, in der Entscheidungen möglichst offen
und bürgernah getroffen werden. Zudem ist das Recht auf Informationszugang Ausdruck demokratischer Teilhabe der Unionsbürger. Diese Erwägungsgründe erfordern eine sehr weite
Interpretation des Grundsatzes von einem größtmöglichen Zugang der Öffentlichkeit zu den
Dokumenten der Organe der Europäischen Union. Zudem habe das Informationsbegehren
nicht den Entscheidungsprozess der Kommission direkt betroffen, sondern nur dessen Grundlage.
In einem vergleichbaren Fall wäre in Deutschland das Umweltinformationsgesetz (UIG) anzuwenden. Dieses eröffnet jedermann freien Zugang zu Umweltinformationen bei informationspflichtigen Stellen. Für andere amtliche Informationen bei Bundesbehörden ist jedoch das
6. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit
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