Drucksache 17/4278
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der G 10-Kommission Dr. Hans de With (Vorsitzender),
Erwin Marschewski (Stellvertretender Vorsitzender), Rainer Funke und Ulrich Maurer, MdB. Stellvertretende Mitglieder sind Dr. Bertold Huber, Rudolf Kraus, Volker
Neumann und Hartfrid Wolff (Rems-Murr), MdB.
Die Mitglieder der G 10-Kommission sind in ihrer Amtsführung unabhängig und Weisungen nicht unterworfen
(§ 15 Absatz 1 Satz 3 G 10). Aufgabe und Pflicht der
G 10-Kommission ist es, sich eigenverantwortlich ein Urteil darüber zu bilden, ob eine beantragte Beschränkungsmaßnahme zulässig und notwendig ist. Hierzu gehört eine
sorgfältige Prüfung des Sachverhalts und der Eingriffsvoraussetzungen sowie eine umfassende Abwägung der zur
Feststellung der Angemessenheit des Eingriffs im konkreten Einzelfall führenden Gesichtspunkte.
Im Berichtszeitraum entschied die G 10-Kommission in
monatlichen Sitzungen nach ausführlicher Darlegung und
Einsichtnahme in die entsprechenden Akten über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungsmaßnahmen im Einzelfall. Sie erbat bei ihrer Prüfung im Bedarfsfall von den zuständigen Ministerien und vom
Bundeskanzleramt ausführliche Berichte und ließ sich im
Einzelfall von den Mitarbeitern der Dienste eingehend die
näheren Hintergründe einer Anordnung erläutern. Bei anstehenden Verlängerungen ließ sich die Kommission regelmäßig über den bisherigen Erkenntnisgewinn aus der
jeweiligen Beschränkungsmaßnahme berichten.
Die G 10-Kommission und Mitarbeiter des Sekretariats
informierten sich auch im Berichtszeitraum, gestützt auf
§ 15 Absatz 5 Satz 3 G 10, vor Ort über die konkrete Umsetzung der Bestimmungen des G 10. Die Kommission
wurde in diesem Rahmen über technische Neuerungen
und Entwicklungen unterrichtet und erhielt Einblick in
den Ablauf von Beschränkungsmaßnahmen.
Neben den Anordnungen überprüfte die Kommission Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern und setzte diese
über das Ergebnis ihrer Prüfung in Kenntnis.
III.
Beschränkungsmaßnahmen nach § 3 G 10
1.
Allgemeine Voraussetzungen
Die Überwachung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs durch die Nachrichtendienste nach § 3 G 10, die sogenannte Einzel- oder Individualbeschränkung, ist eine
Erkundung im strafrechtlichen Vorfeld. Sie bezieht sich
auf bestimmte in § 3 G 10 abschließend aufgezählte
schwere Straftaten und daraus resultierende Gefahren.
Beschränkungen nach § 3 G 10 dürfen angeordnet werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht
bestehen, dass jemand eine der in § 3 Absatz 1 G 10 genannten Katalogstraftaten plant, begeht oder begangen
hat. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende
Straftaten:
(1) Straftaten des Friedensverrats oder des Hochverrats
(§§ 80 bis 83 des Strafgesetzbuches),
(2) Straftaten der Gefährdung des demokratischen
Rechtsstaates (§§ 84 bis 86, 87 bis 89a des Strafge-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
setzbuches, § 20 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 des Vereinsgesetzes),
(3) Straftaten des Landesverrats und der Gefährdung der
äußeren Sicherheit (§§ 94 bis 96, 97a bis 100a des
Strafgesetzbuches),
(4) Straftaten gegen die Landesverteidigung (§§ 109e bis
109g des Strafgesetzbuches),
(5) Straftaten gegen die Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages
(§§ 87, 89, 94 bis 96, 98 bis 100, 109e bis 109g des
Strafgesetzbuches in Verbindung mit § 1 des NATOTruppenschutzgesetzes),
(6) Straftaten nach
a) den §§ 129a bis 130 des Strafgesetzbuches sowie
b) den §§ 211, 212, 239a, 239b, 306 bis 306c, 308
Absatz 1 bis 3, § 315 Absatz 3, § 316b Absatz 3
und 316c Absatz 1 und 3 des Strafgesetzbuches,
soweit diese sich gegen die freiheitliche Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des
Bundes oder eines Landes richten, oder
(7) Straftaten nach § 95 Absatz 1 Nummer 8 des Aufenthaltsgesetzes.
Eine Beschränkung im Einzelfall ist gemäß § 3 Absatz 1
Satz 2 G 10 auch möglich, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass jemand Mitglied
einer Vereinigung ist, deren Zwecke oder deren Tätigkeit
darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den
Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten.
Nach § 3 Absatz 2 G 10 ist die Anordnung einer Beschränkungsmaßnahme nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos
oder wesentlich erschwert wäre. Sie darf sich nur gegen
den Verdächtigen (sog. Hauptbetroffener, § 3 Absatz 1
G 10) oder gegen Personen richten, von denen auf Grund
bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den
Verdächtigen bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder dass
der Verdächtige ihren Anschluss benutzt (sog. Nebenbetroffene, § 3 Absatz 2 Satz 2 G 10). Maßnahmen, die sich
auf Sendungen beziehen, sind nur hinsichtlich solcher
Sendungen zulässig, bei denen Tatsachen die Annahme
rechtfertigen, dass sie von dem, gegen den sich die Anordnung richtet, herrühren oder für ihn bestimmt sind.
Abgeordnetenpost von Mitgliedern des Deutschen Bundestages und der Parlamente der Länder darf nicht in eine
Maßnahme einbezogen werden, die sich gegen einen
Dritten richtet.
2.
Art und Umfang der Beschränkungsmaßnahmen
Im Berichtszeitraum genehmigte die Kommission mehrere vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und
vom Bundesnachrichtendienst (BND) beantragte Be-