Ein solcher Eingriffsausschluß liegt aber nicht vor. Die Beschwerdeführerin hat weder ihre Anrufe selbst offenbart noch auf den Schutz des Art. 10 Abs. 1 GG verzichtet. Es ist im Gegenteil für Gesprächsbeobachtungen charakteristisch, daß nur der
Teilnehmer, der die Beobachtung beantragt, in diese einwilligt, während die anderen
von der Beobachtung betroffenen Fernsprechteilnehmer in Unkenntnis des Vorgangs
gehalten werden und daher auch nicht in ihn einwilligen können.
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Auch eine generelle Einwilligung durch die Begründung des Teilnehmer- oder Benutzerverhältnisses liegt nicht vor. Wer ein solches Verhältnis begründet oder - wie
heute - einen Fernsprechvertrag abschließt, weiß zwar in der Regel, daß es die Möglichkeit der Gesprächsbeobachtung gibt. Er willigt damit aber nicht darin ein, selber
beobachtet zu werden. Eine solche Einwilligung scheidet schon deswegen aus, weil
sich die Dispositionsfreiheit gegenüber der Deutschen Bundespost, die das Fernmeldemonopol innehat und deren Benutzungsbedingungen hoheitlich festgelegt werden,
auf die Begründung des Fernsprechverhältnisses reduziert, aber nicht dessen nähere Bedingungen umfaßt.
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Daß die Beschwerdeführerin den Telefonanschluß möglicherweise mißbraucht hat,
kann den Beobachtungsmaßnahmen nicht den Charakter des Eingriffs nehmen, sondern allenfalls einen Eingriff rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, daß die Gesprächsbeobachtung nicht nur Teilnehmer trifft, die die Fernsprecheinrichtungen
mißbrauchen. Es liegt vielmehr in der Natur der Mißbrauchskontrolle, daß das Kontrollergebnis nicht im voraus bekannt ist. Die Vertraulichkeit der Kommunikation, die
das Fernmeldegeheimnis des Art. 10 Abs. 1 GG schützen will, wird also nicht nur hinsichtlich mißbräuchlicher, sondern auch hinsichtlich rechtmäßiger Postbenutzung
durchbrochen.
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Ein Eingriff scheidet schließlich auch nicht deswegen aus, weil das Fernmeldegeheimnis nicht zwischen den Gesprächsteilnehmern gilt. Zwar darf jeder Fernsprechteilnehmer ohne Grundrechtsverstoß Dritte von seinen Telefongesprächen unterrichten. Daraus folgt aber nicht, wie in der postrechtlichen Literatur allgemein
angenommen wird (vgl. die Nachweise bei Amelung/Pauli, MDR 1980, S. 801,
Anm. 2; ferner BVerwG, ZBR 1984, S. 157), daß ein Fernsprechteilnehmer mit Wirkung für den anderen auch gegenüber der Deutschen Bundespost auf die Wahrung
des Fernmeldegeheimnisses verzichten kann. Wenn der Zweck des Fernmeldegeheimnisses darin liegt, Kommunikationsvorgänge und -inhalte gegen staatliche Zugriffe abzuschirmen, ist jede staatliche Einschaltung, die nicht im Einverständnis mit
beiden Kommunikationspartnern erfolgt, Grundrechtseingriff.
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Die gegenteilige Auffassung verkennt Bedeutung und Tragweite von Art. 10 GG,
weil sie ihren Blick allein auf die Post richtet und diese wiederum lediglich in der Rolle
des an dem Kommunikationsvorgang oder -inhalt nicht interessierten technischen
Helfers für den belästigten Fernsprechteilnehmer sieht, während sie die in der Gesprächsbeobachtung liegende Gefahr einer Grundrechtsverletzung der anderen Gesprächsteilnehmer wie auch die Gefahr der Sammlung, Verwertung und Weitergabe
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