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des Bundes, etwa der Europäischen Gemeinschaften oder
eines ihrer Mitgliedstaaten, ständiger Bestandteil der Unterlagen des Bundes werden.
Seine Verfügungsbefugnis sah auch das BMJ als gegeben,
führte dazu aber aus, dass es in internationalen Beziehungen auf eine kooperative und einvernehmliche Zusammenarbeit Wert lege. Da Irland der Weitergabe ausdrücklich widersprochen habe, könne es sich nicht darüber
hinwegsetzen.
Es geht hier mithin um die Frage, ob Mitgliedstaaten die
Verbreitung der von ihnen stammenden Dokumente auf
EU-Ebene durch Ausübung eines Vetorechts verhindern
können. Bleibt die Entscheidung, ob ein Dokument veröffentlicht werden kann, den Mitgliedstaaten überlassen,
besteht sicherlich die Möglichkeit, dass diese sich dann
stets auf die Ausnahme der nationalen Rechtsvorschriften
über die Außenbeziehungen berufen könnten – wie das
BMJ im vorliegenden Fall. Für die vergleichbaren Veröffentlichungsvorschriften der Gemeinschaftsorgane hat
der EuGH entschieden, dass diese einen etwaigen Widerspruch eines Mitgliedstaates prüfen und zurückweisen
müssen, wenn dieser völlig unbegründet ist. Der EuGH
erkennt den Mitgliedstaaten insoweit kein absolutes Vetorecht zu, sondern bindet sie an die Ausnahmetatbestände
der VO 1049/2001und die Kontrolle durch das Gemeinschaftsorgan, in dessen Besitz sich das in Rede stehende
Dokument befindet. Dies ist auch in dem Vorschlag der
Kommission für eine Neufassung der Verordnung vorgesehen.
Bei der Prognose, ob die Herausgabe von Informationen
und Unterlagen nachteilige Auswirkungen im Sinne eines
der Ausnahmetatbestände des IFG haben kann, haben
Bundesbehörden zwar einen weiten Spielraum, diese
müssen aber konkret und einzelfallbezogen dargestellt
werden. Dies vermochte ich bei der Bearbeitung der erneuten Anfrage des Petenten durch das BMJ nicht zu erkennen. Bei der notwendigen Einzelfallprüfung kann der
ausdrückliche Widerspruch Irlands gegen eine Veröffentlichung lediglich ein Indiz sein.
Gleichwohl habe ich von einer förmlichen Beanstandung
abgesehen, da zu diesem Zeitpunkt noch keine Gerichtsentscheidungen zur weiteren Auslegung des § 3 Nummer 1 Buchstabe a IFG und insbesondere zum Prüfungsumfang herangezogen werden konnten.
Das Bundesverwaltungsgericht hat inzwischen entschieden, dass die Beurteilung der zuständigen Behörde, ob
der Zugang zu amtlichen Informationen wegen möglicher
nachteiliger Auswirkungen auf internationale Beziehungen abgelehnt werden muss, von den Verwaltungsgerichten nur eingeschränkt nachgeprüft werden kann (Urteil
des BVerwG vom 29. Oktober 2009 – 7 C 22.08 –; ausführliche Anmerkungen zu diesem Urteil siehe unter
Nr. 2.1.8).
Da dies aber vom Oberverwaltungsgericht nicht ausreichend geprüft worden sei, hat das BVerwG die Rechtssache zurückverwiesen. Das Urteil des zuständigen Oberverwaltungsgerichts bleibt abzuwarten.
2. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
4.19.10 Vertrauliche Beratungen von Experten
Ein Petent hatte Einsichtnahme in das Gesetzgebungsverfahren zum Kostenrechtsmodernisierungsgesetz und zum
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz und damit auch Zugang
zu dem Schriftverkehr einer BRAGO-Expertengrupe
(Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte) mit dem
Bundesministerium der Justiz begehrt. Dies wurde vom
Ministerium zunächst mit dem Argument der Vertraulichkeit nach § 3 Nummer 7 IFG abgelehnt (vgl. 1. TB zur Informationsfreiheit Nr. 4.5.2, 4.2.1). Zur Begründung
wurde ausgeführt, es sei strenge Vertraulichkeit hinsichtlich inhaltlicher Stellungnahmen im Vorfeld der Entwurfserstellung und über den Diskussionsprozess vereinbart worden; das Interesse der Mitglieder der
BRAGO-Kommission an der vertraulichen Behandlung
bestünde auch weiterhin fort.
Auch auf meinen Hinweis hin, dass der Verweis auf § 3
Nummer 7 IFG im Zusammenhang mit den hier beantragten Unterlagen fehl greife, hat das BMJ an seiner Rechtsauffassung festgehalten. Diese Vorschrift bezweckt aber
ausschließlich den Schutz von Hinweisgebern und Informanten. Geschützt werden sollen vertrauliche Informationen von Bürgern an die Behörden, beispielsweise an
die Nachrichtendienste (vgl. auch Bundestagsdrucksache 15/4493, S. 11). Ein Sachzusammenhang zwischen
dem Informantenschutz und dem Schutz von Diskussionsergebnissen einer Expertenkommission war vorliegend nicht zu erkennen.
Der Petent hat beim Verwaltungsgericht Berlin Klage gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid erhoben.
Das Gericht hat die Klage mit Urteil vom 16. Januar 2008
– VG 2 A 68.06 –, abgewiesen. Zur Auslegung des § 3
Nummer 7 IFG und der Frage, ob dem Zugangsbegehren
ganz oder teilweise dieser Ausnahmegrund entgegensteht, hat das VG Berlin darin allerdings keine Entscheidung getroffen. Denn: Zwar habe jeder nach Maßgabe
des IFG gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Diese
Voraussetzungen lägen hier aber nicht vor. Das BMJ habe
mit der in Rede stehenden Vorbereitung und Ausarbeitung der Vorlage des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes
Regierungstätigkeit ausgeübt und damit nicht als Behörde
i. S. d. § 1 Absatz 1 Satz 1 IFG gehandelt. Der Behördenbegriff des IFG sei nur dann erfüllt, wenn die betreffende
Stelle mit der in Frage stehenden Tätigkeit öffentlichrechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehme (vgl. hierzu
das Urteil des VG Berlin vom 10. Oktober 2007
– VG 2 A 101.06 – Ostseepipeline). Der Petent hat gegen
das Urteil Berufung eingelegt, dieses Verfahren ist noch
nicht abgeschlossen.
4.19.11 Wann übt der Deutsche Bundestag
Verwaltungstätigkeit aus?
Den Antrag eines Bürgers auf Akteneinsicht zu Nebentätigkeiten und Einkünften der Abgeordneten nach dem
IFG hatte der Deutsche Bundestag sowohl im Ausgangsals auch im Widerspruchsbescheid abschlägig beschieden. Die Frage, ob die Vorschriften des IFG auch auf den
Bereich der Veröffentlichung von Nebentätigkeiten und