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4.19.6 Empfänger von EU-Agrarsubventionen
Wie im 1. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit
(Nr. 4.8.2) dargestellt, hatten sowohl das BMELV als
auch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung
(BLE) und das Hauptzollamt Hamburg-Jonas (HZA) es
abgelehnt, die Empfänger von EU-Agrarsubventionen der
Jahre 2002 bis 2005 unter Angabe des Namens, der
Adresse und der jeweils empfangenen Jahressumme zu
nennen. Das BMELV hatte sich darauf berufen, keine
Verfügungsberechtigung gemäß § 7 Absatz 1 Satz 1 IFG
über die Daten zu haben. Die BLE und das HZA hatten
die begehrten Informationen mit der Begründung geheim
gehalten, durch ihre Offenlegung könnten Betriebs- und
Geschäftsgeheimnisse der Subventionsempfänger berührt
sein und die somit gemäß § 8 i. V. m. § 6 Satz 2 IFG erforderliche Beteiligung sämtlicher Subventionsempfänger stelle einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand dar. Keine dieser Argumentationen hatte mich
überzeugt.
Das HZA ist inzwischen auch vor dem Bundesverwaltungsgericht gescheitert. Nachdem bereits in erster Instanz das Verwaltungsgericht Hamburg (Urteil vom
22. Mai 2008 – 13 K 1173/07 –) der Klage des Antragstellers auf Nennung der Subventionsempfänger – wenn
auch auf Grundlage des UIG und nicht des IFG – stattgegeben hatte, hat nunmehr auch das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 28. Mai 2009 – 7 C 18/08 –) die hiergegen gerichtete Sprungrevision des HZA als
unbegründet zurückgewiesen. Mit erfreulicher Deutlichkeit hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass
die vom Antragsteller gewünschten Angaben mangels
Wettbewerbsrelevanz kein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis der begünstigten Unternehmen darstellen (vgl.
näher Nr. 2.1.3). Ob sich der somit bestehende Informationsanspruch des Antragstellers aus dem UIG oder dem
IFG ergibt, hat das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich offen gelassen. Die Klagen gegen das BMELV und
die BLE befinden sich derzeit noch im Berufungsverfahren. Ich werde den Fortgang der Angelegenheit mit Interesse verfolgen.
Inzwischen sind die EU-Mitgliedstaaten aufgrund europäischer Vorschriften (Verordnung (EG) Nr. 1290/2005
des Rates vom 21. Juni 2005, Verordnung (EG) Nr. 259/
2008 der Kommission vom 18. März 2008) verpflichtet,
die Empfänger von Zahlungen aus den EU-Agrarfonds im
Internet zu veröffentlichen. In Deutschland sind diese
Vorschriften durch das Gesetz zur Veröffentlichung von
Informationen über die Zahlung von Mitteln aus den
Europäischen Fonds für Landwirtschaft und Fischerei
(Agrar- und Fischereifonds-Informationen-Gesetz – AFIG)
vom 26. November 2008 (BGBl. I S. 2330) und die dazu
erlassene Durchführungsverordnung (AFIVO) vom
10. Dezember 2008 national umgesetzt worden. Die entsprechende Internetdatenbank wird in Deutschland von
der BLE betrieben und findet sich unter www.agrarfischerei-zahlungen.de. Dort sind ab dem EU-Haushaltsjahr 2007 Name und Wohnort bzw. Sitz der Subventionsempfänger sowie die Höhe der erhaltenen Zahlungen eingestellt (vgl. auch Nr. 2.3.3). Da diese Auflistung für
2. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

jedermann frei zugänglich ist, dürften individuelle
IFG-Anträge in diesem Bereich künftig an Bedeutung
verlieren.
4.19.7 Der Fall „Toll Collect“
In meinem 1. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit
(Nr. 4.12.1) hatte ich über die Versuche mehrerer Petenten berichtet, beim BMVBS Einsicht in den sog. Mautbetreibervertrag zu erhalten. Das BMVBS hatte die Einsicht
zum einen unter Hinweis auf die zwischen dem Bund und
seinen Vertragspartnern in dem Vertrag getroffene Vertraulichkeitsabrede, zum anderen deshalb abgelehnt, weil
der Vertrag mit seinen Anlagen im Ganzen Betriebsgeheimnis von Toll Collect sei (§ 6 Satz 2 IFG) und außerdem das auch teilweise Bekanntwerden des Vertragsinhaltes nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung
zweier zwischen dem Bund und Toll Collect laufender
Schiedsgerichtsverfahren haben könne (§ 3 Nummer 1
Buchstabe g IFG). Nach eigener Einsichtnahme in den
Vertrag war ich demgegenüber zu der Bewertung gelangt,
dass zumindest der Kernvertrag des Mautbetreibervertrags nebst Ergänzungsvereinbarungen grundsätzlich zugänglich zu machen ist, § 6 Satz 2 IFG zum Schutz von
Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen allenfalls die
Schwärzung von konkret bezifferten Angaben zu Entgelthöhe, Höhe von Vertragsstrafen u. ä. erfordert und gemäß
§ 3 Nummer 1 Buchstabe g IFG für die Dauer des laufenden Schiedsgerichtsverfahrens nur die dort entscheidungserheblichen Vertragsklauseln geheim gehalten werden können. Da das BMVBS dennoch nur bereit war,
einige wenige Vertragsbestimmungen offen zu legen,
hatte ich die restriktive Handhabung des IFG schließlich
formell gemäß § 12 Absatz 3 IFG i. V. m. § 25 Absatz 1
Satz 1 BDSG beanstandet.
Parallel hatte einer der Petenten auch Klage beim Verwaltungsgericht erhoben. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin (Urteil vom 11. Juni 2008
– VG 2 A 69.07 –) liegt nunmehr vor und ist – nachdem
der Petent seine zunächst eingelegte Berufung zurückgenommen hat – inzwischen auch rechtskräftig geworden.
Zu meinem Bedauern hat das Verwaltungsgericht eine
noch restriktivere Auffassung als das BMVBS vertreten
und einen Anspruch auf Zugang zum Mautbetreibervertrag sogar in Gänze verneint, solange die beiden Schiedsverfahren noch laufen. Das Gericht geht davon aus, dass
nicht nur einzelne, sondern sämtliche Vertragsteile zu den
Gegenständen der Schiedsverfahren zählen. Vor dem Hintergrund der Komplexität der in den Schiedsverfahren
verfolgten Ansprüche hänge hier „alles mit allem zusammen“, so dass allen Vertragsteilen Relevanz für die Streitentscheidung zukomme oder jedenfalls zukommen
könne. § 3 Nummer 1 Buchstabe g IFG schütze die Befugnis der Gerichte und der Beteiligten des betreffenden
Gerichtsverfahrens, allein darüber entscheiden zu können, ob und in welchem Umfang sie Dritten Informationen über den Gegenstand des Gerichtsverfahrens zugänglich machen. Nach dieser vollumfänglichen Verneinung
des Einsichtsrechts schon wegen § 3 Nummer 1
Buchstabe g IFG hat sich das Gericht zu den anderen vom

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