Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
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über möglicherweise berechtigte Ansprüche auf Informationszugang geltend machen.
Eine Krankenkasse hat wegen nicht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge die Einleitung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer GmbH veranlasst. Der
Insolvenzverwalter beantragte daraufhin bei der Krankenkasse den Zugang zu Informationen über die von der Insolvenzschuldnerin entrichteten oder nicht entrichteten
Beiträge. Der Informationszugang wurde durch die Krankenkasse abgelehnt. Die vom Insolvenzverwalter nach erfolglosem Widerspruchsverfahren eingereichte Klage war
in erster Instanz erfolgreich, über die Berufung war bei
Redaktionsschluss noch nicht entschieden. Nach der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils wandte sich der Insolvenzverwalter in einer Eingabe mit der Bitte um Unterstützung an mich.
Die Krankenkasse begründete ihre Ablehnung mit verschiedenen Argumenten. Zunächst sei schon der Anwendungsbereich des IFG gar nicht eröffnet, weil der Insolvenzverwalter in amtlicher Eigenschaft handele und
deshalb nicht anspruchsberechtigt sei. Zudem enthalte die
Insolvenzordnung (InsO) vorrangige und abschließende
Regelungen zum Informationszugang, die Informationsansprüche gegenüber einem Insolvenzgläubiger ganz
bewusst nicht vorsähen. Schließlich stünden die wirtschaftlichen Interessen der Krankenkasse einem Informationszugang entgegen, sodass der Ausschlussgrund des
§ 3 Nummer 6 IFG gegeben sei.
Die Argumente der Krankenkasse vermochten weder das
erstinstanzliche Gericht noch mich zu überzeugen. Der
Insolvenzverwalter ist anspruchsberechtigt. Ob er in amtlicher Eigenschaft handelt, spielt keine Rolle. Schon der
Wortlaut des § 1 Absatz 1 Satz 1 IFG („jeder“) enthält
keine Einschränkung des anspruchsberechtigten Personenkreises. Zwar wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts
nicht anspruchsberechtigt seien (s. Gesetzesbegründung,
Bundestagsdrucksache 15/4493, S. 7). Der Insolvenzverwalter ist jedoch keine juristische, sondern eine natürliche
Person. Zudem übt er keine Verwaltungstätigkeit aus und
ist nicht Teil der Staatsverwaltung. Er ist – trotz der amtlichen Bestellung – rein privatrechtlich tätig. Schließlich
ist zu berücksichtigen, dass das Informationszugangsrecht nach dem IFG als Jedermannrecht einen voraussetzungslosen Zugang gewährt. Der Petent hätte also bei seinem Antrag ebenso gut darauf verzichten können, auf
seine Stellung als Insolvenzverwalter überhaupt Bezug zu
nehmen. In diesem Falle bestünden überhaupt keine
Zweifel, dass er anspruchsberechtigt wäre.
Dem Anspruch auf Informationszugang stehen auch
keine vorrangigen Regelungen über den Zugang zu amtlichen Informationen im Sinne von § 1 Absatz 3 IFG entgegen. Zwar ist es richtig, dass die §§ 20 und 97 InsO nur
Auskunftsansprüche gegenüber dem Insolvenzschuldner,
nicht aber gegenüber dem Insolvenzgläubiger vorsehen.
Ob der Gesetzgeber bewusst auf solche Ansprüche im Insolvenzverfahren verzichtet hat, ist fraglich, aber hier
auch nicht entscheidend. Die Insolvenzordnung ist nämlich ohnehin nicht als vorrangige Regelung im Sinne von
§ 1 Absatz 3 IFG zu betrachten. Sie befasst sich ausschließlich mit privaten Rechtsverhältnissen im Insolvenzverfahren und den damit verbundenen Informationsansprüchen der Beteiligten untereinander. Insofern ist nicht
der von § 1 Absatz 3 IFG vorausgesetzte Regelungsgegenstand betroffen, der an amtliche Informationen anknüpft. Um solche geht es in der Insolvenzordnung nicht.
Dass juristische Personen des öffentlichen Rechts im Einzelfall zufällig Insolvenzgläubiger und damit auch Verfahrensbeteiligte eines Insolvenzverfahrens sein können,
ändert nichts am grundsätzlich privatrechtlichen Charakter der Normen der Insolvenzordnung und an der Intention des Gesetzgebers, in der Insolvenzordnung keine
Aussage zu Informationsansprüchen im Staat-Bürger-Verhältnis zu treffen.
Dem Anspruch auf Informationszugang stand auch nicht
der Ausnahmetatbestand des § 3 Nummer 6 IFG entgegen. Nach dessen zweiter Alternative besteht dann kein
Anspruch auf Informationszugang, wenn das Bekanntwerden der Information geeignet wäre, wirtschaftliche Interessen der Sozialversicherungen zu beeinträchtigen.
Gegenstand dieses Schutzes der Sozialversicherungen ist
die Wettbewerbsposition eines Sozialversicherungsträgers. Für die gesetzlichen Krankenkassen geht es hierbei
konkret um den Schutz des Wettbewerbs mit den anderen
gesetzlichen Krankenkassen sowie den privaten Krankenversicherungen. Geschützt sind danach Informationen,
die Rückschlüsse auf Mitgliederstruktur, Vertragsgestaltung oder sonstige Leistungsdaten der Krankenkasse zulassen. Solche Informationen sind hier nicht betroffen.
Vielmehr geht es lediglich um eine Auskunft des Insolvenzverwalters über Beitragszahlungen des von ihm
selbst verwalteten Unternehmens. Nachteile für die Krankenkasse im Wettbewerb sind damit nicht zu besorgen.
Im Ergebnis habe ich die Auffassung vertreten, dass der
Informationszugang in dem beantragten Umfang zu gewähren war. Von einer förmlichen Beanstandung habe ich
wegen des noch laufenden Rechtsstreits abgesehen.
4.15
Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung
4.15.1 Bauwerksdatenbank Bundesfernstraßen
Ein Zugang zu einer sehr großen Datenbank erweist sich
sowohl rechtlich als auch praktisch als schwierig.
Ein Unternehmen beantragte beim Bundesministerium
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) den
Zugang zu Informationen über Autobahnbrücken aus der
„Bauwerksdatenbank Bundesfernstraßen“. Der Antrag
wurde teilweise zurückgewiesen, da nach Auffassung der
Behörde einem Zugang zu Informationen zu einzelnen
Bauwerken aus der Bauwerksdatenbank die Regelungen
des § 3 Nummer 1 Buchstabe c und Nummer 2 IFG entgegenstanden.
Gemäß § 3 Nummer 1 Buchstabe c IFG ist der Zugang zu
amtlichen Informationen nicht möglich, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen
auf die Belange der inneren oder äußeren Sicherheit haben kann. Dies umfasst insbesondere den nichtmilitäri2. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit