Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– 65 –
K a s t e n zu Nr. 4.11.2
K a s t e n b zu Nr. 4.11.1
§ 1 Absatz 2 IFG
§ 3 Nummer 1 Buchstabe g IFG
Die Behörde kann Auskunft erteilen, Akteneinsicht gewähren oder Informationen in sonstiger Weise zur Verfügung stellen. Begehrt der Antragsteller eine bestimmte Art des Informationszugangs, so darf dieser nur
aus wichtigem Grund auf andere Art gewährt werden.
Als wichtiger Grund gilt insbesondere ein deutlich höherer Verwaltungsaufwand.
Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht,
wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige
Auswirkungen haben kann auf die Durchführung eines
laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung
strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitsrechtlicher oder
disziplinarischer Ermittlungen.
Dieses Vorgehen unterliegt Bedenken. Das IFG ermöglicht dem Antragsteller, die Art und Weise des Informationszuganges grundsätzlich selbst zu bestimmen, also
neben der Einsichtnahme auch die Anfertigung von Kopien des Originaldokumentes zu verlangen (§ 1 Absatz 2
Satz 2 IFG). Davon kann die informationspflichtige
Stelle nur aus wichtigem Grund abweichen, der nach § 1
Absatz 2 Satz 3 IFG in einem deutlich höheren Verwaltungsaufwand liegen kann. Hierfür muss die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des BMAS ernsthaft sein.
Ein wichtiger Grund kann dagegen nicht mit eventuell
hohen Gebührenforderungen begründet werden. Da der
Informationszugang mit hoher Wahrscheinlichkeit nur
teilweise gewährt werden konnte, wäre auch § 7 Absatz 2 IFG zu berücksichtigen gewesen:
Der Ausnahmegrund des § 3 Nummer 1 Buchstabe g IFG
umfasst damit drei Alternativen, wobei sich das BMAS
hier auf den Schutzgegenstand „Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens“ stützte. Die Schutzrichtung
zielt auf Informationen der Ausgangsbehörde (hier des
BMAS), die Ordnungsmäßigkeit der Durchführung von
Gerichtsverfahren soll gewährleistet werden. Damit erfasst der Schutzbereich nur solche Informationen, die sich
nachteilig auf das Verfahren auswirken könnten. Auch
wenn die Informationen von einer verfahrensbeteiligten
Behörde stammen, richtet sich der Schutz des Ausnahmegrundes ausschließlich auf das Gerichtsverfahren.
Auf Grund des großen Umfanges der angefragten Unterlagen hätte deren Zusammenstellung bzw. die Beteiligung
der Drittbetroffenen in einem groben Missverhältnis zum
Erkenntnisgewinn stehen können. Die Wahrnehmung der
originären Aufgaben der Behörde hätte durch die Anfrage
in unzumutbarer Weise beeinträchtigt sein können.
Der Antragsteller hat gegen die ablehnende Entscheidung
Klage erhoben. Über den Ausgang des Verfahrens werde
ich berichten.
4.11.2
Zur Beteiligung des Bundes an den
Unterkunftskosten
Damit Gerichtsverfahren sachbezogen und unbefangen
durchgeführt werden können, bedürfen sie in bestimmten
Fällen eines Schutzes, auch vor Informationsersuchen
nach dem IFG.
Die Bundesrepublik Deutschland klagte gegen das Land
Berlin in einem Verfahren vor dem Bundessozialgericht
auf Erstattung von Zahlungen des Bundes zur anteiligen
Tragung der Kosten für Heizung und Unterkunft nach
dem Sozialgesetzbuch II (SGB II). Ein Bürger beantragte
nach dem IFG die Überlassung einer Kopie der Klageschrift. Sein Antrag wurde wegen des Schutzes von besonderen öffentlichen Belangen bis zum Abschluss des
laufenden Gerichtsverfahrens (§ 3 Nummer 1 Buchstabe g IFG) und wegen schützenswerter Verhandlungen
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Land
Berlin (§ 3 Nummer 3 Buchstabe b IFG) abgelehnt.
Unter den Begriff Gerichtsverfahren im Sinne des § 3
Nummer 1 Buchstabe g IFG fallen alle gerichtlichen
Auseinandersetzungen, z. B. bei Arbeits-, Verwaltungs-,
Zivil-, Sozialgerichten. Ein solches Verfahren ist laufend,
wenn etwa eine Klage bereits anhängig ist oder von der
Staatsanwaltschaft der Antrag eines Strafbefehls gestellt
wurde. Das Ende eines gerichtlichen Verfahrens endet in
der Regel mit der Rechtskraft eines Beschlusses oder Urteils, Einstellung oder Rücknahme der Klage.
Damit lagen die grundlegenden Voraussetzungen des § 3
Nummer 1 Buchstabe g IFG vor. Für eine Ablehnung des
Informationsersuchens muss das Bekanntwerden der Klageschrift nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung
des laufenden Verfahrens vor dem Bundessozialgericht
haben können.
Die Objektivität des Gerichtsverfahrens soll gewährleistet, bzw. eine Beeinflussung der Richter durch ein Bekanntwerden der Information verhindert werden. Der beabsichtigte Schutz der Rechtspflege lässt sich nicht auf
die Verhandlungsposition der Prozessparteien übertragen,
die für sich genommen nicht von § 3 Nummer 1 Buchstabe g IFG geschützt sind. Es muss beispielsweise die
Gefahr bestehen, dass sich der Druck der öffentlichen
Meinung auf den entscheidungsbefugten Spruchkörper
auswirkt.
Insofern war eine einzelfallbezogene Abwägung zu treffen, die bloß allgemeine Gefahr einer Beeinflussung des
Verfahrens durch die Herausgabe von Informationen und
die dadurch angeregte Berichterstattung reicht für die Heranziehung des § 3 Nummer 1 Buchstabe g IFG nicht.
Das Verfahren, zu dem der Antragsteller Zugang begehrte, betrifft das sehr sensible Thema der Arbeitsmarktreform, das medial häufig Bestandteil von Bericht-
2. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit