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erstattungen war und ist. Eine Offenlegung der
streitgegenständlichen Klageschrift birgt in hohem Maße
die Gefahr, dass das Verfahren vor dem Hintergrund der
Kontroversen über die Einführung des SGB II politisiert
und emotionalisiert geführt würde und die Unabhängigkeit, Unbefangenheit und Entscheidungsfreiheit der mit
der Sache befassten Mitglieder des Bundessozialgerichts
gefährdet wäre. Diese Prognose erschien mir in diesem
Fall nachvollziehbar, um eine Ablehnung zu rechtfertigen. Der Ablehnungsgrund ist allerdings zeitlich begrenzt, da nach Abschluss des Verfahrens – unabhängig
von der grundsätzlichen Einschlägigkeit des § 3 Nummer 1 Buchstabe g IFG – die Ausnahmegründe entfallen
wären.
Den zweiten vom BMAS genannten Ausnahmetatbestand
konnte ich allerdings nicht gelten lassen. Das BMAS verwies auf Beratungen mit dem Land Berlin. Im Hinblick
auf diese Beratungen drohe durch eine Veröffentlichung
der Klageschrift eine Beeinträchtigung der Verhandlungspositionen der beteiligten Behörden. Diese Auffassung
vermochte ich nicht zu teilen:
Unter einer Beratung im Sinne des § 3 Nummer 3
Buchstabe b IFG ist die Betätigung der staatsinternen
Willensbildung zu verstehen, die schriftlichem oder
mündlich innerhalb einer Behörde oder zwischen verschiedenen Behörden erfolgt. Hierunter fallen verwaltungsinterne Beratungen, die der Meinungsbildung, dem
Meinungsaustausch und der Entscheidungsfindung dienen. Die Unbefangenheit dieser innerbehördlichen Kommunikation soll geschützt werden.
Die behördlichen Beratungen sind allerdings nur schutzwürdig, wenn und solange eine Veröffentlichung von Informationen dieser Beratungen die Arbeitsfähigkeit oder
die Aufgabenerfüllung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in unzumutbarer Weise beeinträchtigen würde.
Die Heranziehung dieses Ausnahmegrundes ist zudem
durch die einschränkende Wendung „solange“ zeitlich begrenzt. Nach dem Abschluss der innerbehördlichen Beratungen kann § 3 Nummer 3 Buchstabe b IFG nicht länger
herangezogen werden. Letztlich hätte bereits allein die
Klageerhebung des Bundes gegen das Land Berlin geeignet sein können, die Verhandlungen zu beeinträchtigen.
Etwas anderes könnte sich ergeben, wenn im Klageverfahren beide Parteien in Verhandlungen hinsichtlich eines
Vergleiches eintreten würden. Eine Bekanntgabe von Informationen hätte dann möglicherweise derart die Verhandlungen beeinträchtigen können, dass von einer unzumutbaren Behinderung auszugehen gewesen wäre. Zum
Zeitpunkt der Antragstellung war dies jedoch reine Spekulation.
4.11.3
Wie viel kostet der Aufenthalt in einer
Rehabilitationsklinik?
Ein Antragsteller begehrte Auskunft über die Tagessätze
in einer Rehabilitationsklinik. Dies wurde zunächst von
der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) unter Hinweis auf fiskalische Interessen des Bundes und den
Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen abge2. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
lehnt. Letztlich wurden die Tagessätze aber von der DRV
Bund offengelegt.
Der Antragsteller hatte bei der Deutschen Rentenversicherung Bund Auskunft über die Höhe und die Zusammensetzung des vollpauschalierten Vergütungssatzes beantragt, den eine Klinik für den Aufenthalt eines
Rehabilitanden erhält. Den Zugang zu diesen Informationen hat die DRV Bund ihm zunächst mit Hinweis auf
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gem. § 6 Satz 2 IFG
verwehrt. In ihrer Stellungnahme an mich hat die
DRV Bund zudem § 3 Nummer 6 2. Alt. IFG zur Begründung angeführt. Diese Regelung ist eine Entsprechung zu
§ 6 Satz 2 IFG, der mit dem Ausnahmetatbestand Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse vorrangig wirtschaftliche Interessen Privater schützt. Nach § 3 Nummer 6 IFG
besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht,
wenn das Bekanntwerden der Informationen geeignet
wäre, fiskalische Interessen des Bundes im Wirtschaftsverkehr oder wirtschaftliche Interessen der Sozialversicherungen zu beeinträchtigen. Diese Regelung basiert auf
haushaltsrechtlichen Grundsätzen und dient dem Schutz
der Einnahmen des Bundes.
Das Argument, Konkurrenten der gesetzlichen Krankenkassen könnten mit Hilfe des IFG in der Lage sein, eine
strukturelle Ausforschung zu betreiben, wurde im Rahmen der Beratungen zum IFG von der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Krankenkassen immer
wieder angeführt. Dabei wurde aber verkannt, dass mit
dem Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ein
ausreichender Schutz der geschäftlichen Belange zur Verfügung steht. Die Ergänzung hat lediglich klarstellenden
Charakter und begründet keine vorübergehende Beschränkung des Informationsanspruchs. Ein Informationsanspruch ist gemäß § 3 Nummer 6 IFG somit nur
dann ausgeschlossen, wenn das Bekanntwerden der Informationen geeignet wäre, Interessen des Bundes im Wirtschaftsverkehr oder wirtschaftliche Interessen der Sozialversicherungen zu beeinträchtigen.
Ein fiskalisches Interesse des Bundes im Wirtschaftsverkehr besteht insbesondere in Situationen, in denen der
Staat wie ein Dritter als Marktteilnehmer am Privatrechtsverkehr und am Wirtschaftsleben teilnimmt. Hier wäre
eine Pflicht zur Offenlegung von Informationen nach
Auffassung des Gesetzgebers nicht gerechtfertigt. Der
Gesetzgeber hatte dabei u. a. den Schutz vor Ausforschung im Blick.
Aufgrund der Stellung der DRV Bund ist es aber zumindest zweifelhaft, ob deren Vertragsabschlüsse mit Rehabilitationskliniken mit entsprechenden Vereinbarungen auf
dem freien Markt vergleichbar sind. Vielmehr hat die
DRV Bund einen großen Einfluss auf die Vertragsgestaltung, sie steht den Rehabilitationskliniken nicht auf gleicher Augenhöhe gegenüber. Es ist daher fraglich, ob ihre
wirtschaftlichen Informationen hier ebenso schutzwürdig
sind wie die Privater. Im Übrigen dient auch dort, wo bei
der Preisermittlung Spielräume offen stehen, das Handeln
der Deutschen Rentenversicherung Bund letztlich der Bestimmung eines rechtmäßigen Preises. Diesen gesetzlichen Vorgaben kann sie sich nicht durch den Hinweis auf