Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
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§ 4 IFG schützt laufende Verwaltungsverfahren und zwar
bis zu dem Zeitpunkt, in dem eine behördliche Entscheidung oder Maßnahme getroffen wird; danach entfällt der
Ausnahmegrund. Die zu schützende behördliche Maßnahme muss konkret bevorstehen. Ferner müsste der Erfolg der Entscheidung bzw. Maßnahme durch den Informationszugang vereitelt werden. Das Ministerium ging
davon aus, dass durch die Bekanntgabe der Informationen
die Veräußerung in einem zweiten Vergabeverfahren vereitelt werden könnte. Dies war zum Zeitpunkt der Antragstellung aber lediglich beabsichtigt. Damit stand die Maßnahme nicht konkret bevor.
Ein Anspruch auf Informationszugang nach § 3 Nummer 7 IFG besteht nicht bei vertraulich erhobenen oder
übermittelten Informationen, soweit das Interesse des
Dritten an einer vertraulichen Behandlung zum Zeitpunkt
des Antrages noch fortbesteht. Durch diese Regelung
werden insbesondere Hinweisgeber und Informanten geschützt (vgl. Nr. 2.1.7). Der Zugang zu dem Schreiben an
die Kommission konnte damit nicht nach § 3 Nummer 7 IFG verwehrt werden.
Nach § 6 Satz 2 IFG besteht ein Informationszugang
nicht bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen soweit der
betroffene Dritte nicht eingewilligt hat (vgl. Nr. 2.1.3).
Ein Beteiligungsverfahren hatte das Ministerium nicht
durchgeführt. Dies wäre jedoch notwendig gewesen, um
den § 6 Satz 2 IFG als Ausnahmegrund anführen zu können.
Auch in diesem Fall sah ich in der Ablehnung des Antrages einen Informationsausschluss per se gerade als Widerspruch zum Grundgedanken des IFG, das gerade in
den korruptionsgefährdeten Bereichen der Auftragsvergabe und Veräußerung von Vermögensgegenständen
Transparenz schaffen will. Darüber hinaus kann der Ablehnungsgrund nach dem Abschluss des Veräußerungsverfahrens nicht länger angeführt werden, weil das
schutzwürdige Interesse des Bundes im Wirtschaftsverkehr dann entfallen wäre. Das BMWi hielt jedoch an seiner Auffassung fest, die Herausgabe von Informationen
über den Verkauf von Liegenschaften könne sich generell
negativ auf das Geschäftsgebahren des Bundes auswirken. Dies käme aber letztlich einer Bereichsausnahme für
die Veräußerung von Liegenschaften gleich, die im Gesetz bewusst nicht vorgesehen wurde.
Während des Beschwerdeverfahrens stellte sich jedoch
heraus, dass die Stadt Pinneberg eine Änderung des Rahmenplanes auf unbestimmte Zeit zurückgestellt hatte. Bei
unveränderten Rahmenbedingungen bestand aber die
konkrete Möglichkeit, dass sich eine Bekanntgabe der Informationen vor Abschluss eines erneuten Veräußerungsverfahrens negativ auf die fiskalischen Interessen des
Bundes im Wirtschaftsverkehr im Sinne des § 3 Nummer 6 Alt. 1 IFG auswirken könnte. Im Ergebnis teilte ich
daher für den konkreten Fall die ablehnende Auffassung
des BMWi, obwohl bezüglich der zeitlichen Reichweite
des Ausnahmegrundes weiterhin Dissenz besteht.
Für den Widerspruchsbescheid machte die Behörde Gebühren in Höhe von 60 Euro geltend. Sie seien für das Er-
stellen des Ausgangsbescheids von einem Mitarbeiter des
höheren Dienstes und für die erforderliche Abstimmung
innerhalb der Bundesregierung angfallen. Dieser Berechnungsgrundlage trat ich mit Nachdruck entgegen. Die
Abstimmung innerhalb der Bundesregierung darf dem
Antragsteller nicht in Rechnung gestellt werden. Er kann
bei der Antragstellung nicht damit rechnen, dass seine
Anfrage eine Abstimmung mehrerer Ressorts erfordert,
deren Aufwand er teilweise zu erstatten hat. Auch konnte
ich keinen unmittelbaren Bezug zur Antragsbearbeitung
erkennen, der Voraussetzung für die Erhebung von Gebühren ist. Das Ministerium wich bedauerlicherweise
nicht von seiner Entscheidung ab.
4.11
Bundesministerium für Arbeit und
Soziales
4.11.1
Wie wurde die Höhe des Arbeitslosengeldes-II ermittelt?
Bei einer schwierigen Anfrage zur Offenlegung der Berechnung des Arbeitslosengeldes-II schaltete mich das
Bundesministerium für Arbeit und Soziales von sich
aus ein.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)
bat mich in einem Fall darum, einen Informationsantrag
und seine darauf erfolgte Antwort zu überprüfen. Die Anfrage richtete sich auf Unterlagen zur Berechnung des Regelsatzes der Leistungen nach SGB II (Arbeitslosengeld II). Diese beziehen sich auf die Berechungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII, die wiederum anhand der
Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes ermittelt wurde. Die EVS wird
alle fünf Jahre durchgeführt. Im Auftrag des BMAS hat
das Statistische Bundesamt die EVS aufgearbeitet und gefiltert. Die aufbereiteten Daten wurden dem Ministerium
gegen Entgelt zur Verfügung gestellt. Auf der Grundlage
der EVS wurde dann der Regelsatz gemäß der Regelsatzverordnung (RSV) ermittelt (Grundlage für die RSV ist
§ 28 SGB XII). Die Berechnungsunterlagen dienten seinerzeit auch dem Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales als Grundlage und sind als Ausschussdrucksachen
gekennzeichnet worden.
Der Antragsteller hatte gegen einen ablehnenden Bescheid des BMAS Widerspruch eingelegt. Im Rahmen
meiner diesmal von der Behörde veranlassten Prüfung
galt es zu klären, ob Ausschussdrucksachen in den Anwendungsbereich des IFG fallen, Zugang zu den hier in
Rede stehenden Gutachten und Stellungnahmen nach
dem IFG möglich war und die vom Statistischen Bundesamt gekauften Daten auf der Grundlage des IFG herausgegeben werden mussten:
Der Deutsche Bundestag ist nach § 1 Absatz 1 Satz 2 IFG
nur insoweit anspruchsverpflichtet, als er öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnimmt. Parlamentarische Aufgaben sind daher vom Informationszugang ausgenommen (vgl. Nr. 4.4.1). Die Drucksachen des
Deutschen Bundestages sind dem parlamentarischen Tätigkeitsbereich zuzurechnen. Ihre Veröffentlichung durch
den Deutschen Bundestag selbst ändert an diesem Um2. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit