Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
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Unter einem besonderem Amtsgeheimnis sind insbesondere das Meldegeheimnis, Steuergeheimnis, Sozialgeheimnis oder das allgemeine Verwaltungsgeheimnis nach
§ 30 VwVfG zu verstehen. Diese beziehen sich allerdings
auf den persönlichen Lebensbereich einer natürlichen
Person, also auch auf eine andere Konstellation. Ansätze
für ein besonderes Amtsgeheimnis vermochte ich deswegen nicht zu erkennen, so dass § 3 Nummer 4 IFG als Ablehnungsgrund ausschied, es sei denn die Einstufung
„streng vertraulich“ wäre nach der Verschlusssachenanweisung erfolgt.
§ 3 Nummer 7 IFG soll insbesondere Hinweisgeber und
Informanten schützen (vgl. 2.1.7, 4.15.6). Der Zugang
zum Prüfbericht konnte meiner Ansicht nach nicht nach
§ 3 Nummer 7 IFG verwehrt werden. Die Mitglieder des
Verwaltungsrates der KfW sind keine anonymen Hinweisgeber im Sinne der Vorschrift. Bereits die Gesetzesbegründung zu § 3 Nummer 7 IFG nimmt vertrauliche Informationsermittlungen zwischen Behörden ausdrücklich
aus.
§ 3 Nummer 1 Buchstabe g IFG schützt die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens sowie den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die
Durchführung von Ermittlungen. In seinem Bescheid
führte das BMF aus, die Überweisung an Lehman Brothers sei Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen gewesen. Die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens ist im Sinne der Vorschrift gefährdet, wenn
hinreichende Anhaltspunkte bestehen, dass die Wahrheitsfindung durch eine Herausgabe der Information erschwert werden würde. Davon ging in diesem Fall auch
ich aus. Wegen der umfangreichen medialen Berichterstattung und öffentlichen Diskussion der Überweisung
von der KfW an Lehman Brothers Inc. musste bei einer
vorzeitigen Bekanntgabe des Prüfberichts mit einer Beeinflussung der Ermittlungen gerechnet werden. Insofern
war der § 3 Nummer 1 Buchstabe g IFG zum Zeitpunkt
der Antragstellung als Ausnahmegrund gegeben. Dieser
Ablehnungsgrund ist allerdings zeitlich begrenzt. Nach
Abschluss des Ermittlungsverfahrens kann er nicht länger
herangezogen werden. Auf ein etwaiges Gerichtsverfahren wäre er nicht übertragbar gewesen, da auch ohne Veröffentlichung des Berichtes mit einer entsprechenden medialen Aufmerksamkeit hätte gerechnet werden müssen.
Gemäß § 3 Nummer 3 Buchstabe b IFG besteht ein Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn und solange
die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden (vgl.
4.10.1).
Zwischen dem BMF und der KfW fanden eine solche
Korrespondenz oder Beratungen, in denen Meinungen
ausgetauscht wurden, allerdings nicht statt. Das Ministerium hatte über seine Mitglieder im Verwaltungsrat von
dem Prüfbericht erfahren. Der Prüfbericht selbst diente
meines Erachtens auch nicht der staatsinternen Willensbildung, sondern schilderte die Abläufe der i. R. s. Überweisung. Zudem sind behördliche Beratungen nach § 3
Nummer 3 Buchstabe b IFG nur schutzwürdig, wenn die
Veröffentlichung des Beratungsinhalts die Arbeitsfähigkeit oder die Aufgabenerfüllung mit hinreichender Wahr-
scheinlichkeit in unzumutbarer Weise beeinträchtigen
würde.
Derartige unzumutbare Beeinträchtigungen der Aufgabenerfüllung der KfW oder des BMF waren für mich
nicht ersichtlich. Selbst wenn es sich um Beratungen
i. S. d. § 3 Nummer 3 Buchstabe b IFG gehandelt hätte,
hätte die Vorschrift deswegen nicht als Ablehnungsgrund
herangezogen werden können.
§ 4 IFG schützt laufende Verwaltungsverfahren und zwar
bis zu dem Zeitpunkt, in dem eine behördliche Entscheidung oder Maßnahme getroffen wird; danach entfällt der
Ausnahmegrund. Damit wohnt der Vorschrift bereits eine
zeitliche Befristung inne. Ferner wird in § 4 Absatz 1
Satz 2 IFG eine Rückausnahme vorgenommen, wonach
regelmäßig Ergebnisse von Beweiserhebungen, Gutachten oder Stellungnahme Dritter nicht der unmittelbaren
Entscheidungsvorbereitung dienen. Da der Prüfbericht
von PricewaterhouseCoopers, einer behördenexternen
Stelle, erstellt worden war, waren die Voraussetzungen
der Regelausnahme des § 4 Absatz 1 Satz 2 IFG erfüllt
und auch dieser Ausnahmegrund somit nicht gegeben.
Die sog. fiskalischen Interessen des Bundes im Wirtschaftsverkehr nach § 3 Nummer 6 Alt. 1 IFG dienen
dem Schutz der Einnahmen des Bundes und der Herstellung eines fairen Wettbewerbs (vgl. Nr. 2.1.6, 4.9.4,
4.10.1).
Die KfW nahm in diesem Fall wie ein privates Geldinstitut am Wirtschaftsverkehr teil und trat mit der Absicht der
Gewinnerzielung auf. Auch die Gesetzesbegründung ordnet die privatrechtlichen Bankgeschäfte der KfW zum
Schutzbereich des § 3 Nummer 6 IFG. Dazu zählten die
Überweisung und deren Hintergründe zweifelsfrei, weshalb die Herausgabe des Prüfberichtes nach § 3
Nummer 6 IFG versagt werden durfte.
Gemäß § 6 IFG besteht ein Informationszugang nicht, soweit der Schutz geistigen Eigentums dem entgegenstünde. Weiterhin ist für einen Zugang zu Betriebs- und
Geschäftsgeheimnissen die Einwilligung des betroffenen
Dritten erforderlich (vgl. 2.1.3).
Die entsprechenden Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall allerdings nicht erfüllt. § 1 Absatz 1
KfW-Gesetz bestimmt, dass es sich bei der KfW um eine
Anstalt des öffentlichen Rechts des Bundes handelt. Die
Regelungen des § 6 IFG schützen ausschließlich die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse juristischer Personen
des Privatrechts.
Auch wenn ich die Ablehnungsentscheidung im Ergebnis
teilte, hielt ich das Anführen von insgesamt sieben Ausnahmegründen für übertrieben und eher für ein Zeichen
von Unsicherheit. Die Behörden sind grundsätzlich gehalten, die Ausnahmetatbestände der §§ 3 bis 6 IFG eng
auszulegen (vgl. Begründung zum IFG, Bundestagsdrucksache 15/4493, S. 9), und eine Ablehnung konkret und
einzelfallbezogen zu begründen. Die Aneinanderreihung
einer Vielzahl von Ausnahmetatbeständen macht eine
fundierte Begründung nicht wett.
2. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit