Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– 49 –

bereits einem Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz offen gestanden hat, gilt gemäß § 5
Absatz 4 BArchG die dreißigjährige Sperrfrist nicht.
Deshalb blieb nach dem IFG ein Zugang nur zu solchen
Unterlagen zu prüfen, die noch nicht an das Politische Archiv des Auswärtigen Amtes übergeben worden waren.
Nach Auffassung der Behörde standen einem Informationszugang § 3 Nummer 4 sowie § 3 Nummer 1 Buchstabe a IFG entgegen. Für weite Teile der Unterlagen
seien ferner § 3 Nummer 7 sowie § 5 Absatz 1 und 2 IFG
einschlägig gewesen.
Gemäß § 3 Nummer 4 IFG besteht ein Informationszugangsanspruch nicht, wenn die Information einer durch
Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz
von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder
Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegt.
Die i. R. s. Unterlagen zur Thematik „Colonia Dignidad“
waren als „Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“ (VS-NfD) eingestuft. Sogenannte Verschlusssachen sind im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse (§ 4
Absatz 1 Sicherheitsüberprüfungsgesetz – SÜG). Die
Allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen
Schutz von Verschlusssachen (VSA) konkretisiert, unter
welchen Voraussetzungen derartige Informationen eingestuft werden dürfen. Die Einstufung selbst nimmt die jeweilige Behörde vor.
Mit der Einstufung der Unterlagen durch das AA lagen
bereits die formellen Voraussetzungen des § 3 Nummer 4
Alt. 1 Var. 2 IFG vor. Dem unmittelbaren Gesetzeswortlaut ist nicht zu entnehmen, dass auch die materiell-rechtliche Begründung der Einstufung von mir oder dem Gericht in einem möglichen Klageverfahren überprüfbar ist.
Daher ging ich seinerzeit davon aus, dass letztlich für die
eingestuften Informationen nur ein geringer Einschätzungsspielraum verblieb. Allenfalls die Überprüfung, ob
die Gründe für die Geheimhaltung auch noch bei Antragsstellung bestanden, hätten zu einem anderen Ergebnis führen können. Ein Antrag auf Zugang zu eingestuften Informationen sollte stets zum Anlass genommen
werden, deren Erforderlichkeit nochmals zu überprüfen.
Insbesondere in Fällen, in denen die Einstufung bereits
längere Zeit zurückliegt, könnte das Geheimhaltungsinteresse zwischenzeitlich entfallen sein (vgl. 1. TB zur Informationsfreiheit Nr. 2.2.5).
Dem ist das AA nachgekommen. Es hielt die Einstufung
als „Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“ für
weiterhin notwendig.
Weiter führte die Behörde § 3 Nummer 1 Buchstabe a
IFG als Ablehnungsgrund an. Nach dieser Vorschrift besteht ein Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn
das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen haben kann (vgl.
auch Nr. 2.1.9 und Nr. 4.6.2).

Die angefragten Akten stufte das AA als sensibel ein und
hielt eine Belastung der bilateralen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Chile für
möglich, sollten Unterlagen herausgegeben werden. Für
die Heranziehung des § 3 Nummer 1 Buchstabe a IFG ist
bereits die bloße Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen
auf internationale Beziehungen ausreichend. Damit lagen
die Voraussetzungen dieses Ausnahmegrundes vor.
Die Entscheidung über den Widerspruch wurde im Einvernehmen mit dem Antragsteller zurückgestellt, da zu
der Frage, ob und inwieweit Gerichte die Rechtmäßigkeit
der Einstufung von Unterlagen als Verschlusssache überprüfen dürfen, Rechtsstreitigkeiten anhängig waren. Zwischenzeitlich hat das Bundesverwaltungsgericht in zwei
Verfahren u. a. zur Reichweite des § 3 Nummer 4 Alt. 1
Var. 2 IFG entschieden und allein die formale Einstufung
einer Information als Verschlusssache nicht für ausreichend gehalten, um einen Anspruch auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz auszuschließen (vgl. Nr. 2.1.8 und 4.19.8). Vielmehr müssten auch
die materiellen Voraussetzungen vorliegen und deren
Rechtmäßigkeit gegebenenfalls in einem In-camera-Verfahren überprüft werden.
4.7

Bundesministerium des Innern

4.7.1

Nächster Halt: mit Videoüberwachung

Wie geheim die Videoüberwachung an den Bahnhöfen der
Deutschen Bahn AG bleiben muss, blieb zwischen dem
Bundesministerium des Innern (BMI) und mir streitig.
Eine Antragstellerin begehrte beim BMI Einsicht in die
Vertragsunterlagen des gemeinsamen Sicherheitszentrums der Deutschen Bahn AG (DB AG) und des Bundes
vom August 2005.
Außerdem wollte sie noch wissen, wie viele Bahnhöfe
mit Videokameras überwacht werden, wie viele Kameras
auf den jeweiligen Bahnhöfen installiert sind und in welcher Qualität die Geräte Bilder liefern. Darüber hinaus
begehrte sie auch Einsicht in Unterlagen zur Kostenaufteilung der von der DB AG und der Bundespolizei gemeinsam wahrgenommenen Aufgaben.
Der Antrag wurde vom Ministerium abgelehnt. Eine Einsichtnahme in die Vereinbarung zur Nutzung der optisch-elektronischen Einrichtungen (Videokameras) in
den Verkehrsstationen der DB AG wurde nach § 3 Nummer 2 IFG und § 6 Satz 2 IFG verweigert.
Informationen zur Anzahl der Videokameras und Bahnhöfe sowie zur Qualität der Aufzeichnungen wurden auf
Grundlage von § 3 Nummer 2 und § 3 Nummer 4 IFG abgelehnt.
Die Auffassung des BMI, bei dem „Vertrag über die Nutzung der optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoaufzeichnung) in den Verkehrsstationen der DB AG
durch die Bundespolizei“ vom 24. November 2005 handele es sich zur Gänze um ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis der DB AG i. S. d. § 6 Satz 2 IFG, erschien mir
äußerst fraglich.
2. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit

Select target paragraph3